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13. Feb 2014, Wirtschaft | Masseneinwanderung

Besorgnis nach dem Schweizer «Ja» zur Masseneinwanderungsinitiative

Die Schweizer Bevölkerung hat am 09.02.2014 mit 50,3% Ja-Stimmen die Initiative gegen die Masseneinwanderung angenommen. Die Handelskammer Deutschland-Schweiz zeigt sich sehr besorgt über dieses Abstimmungsergebnis. Es steht die Gefahr der Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der EU und damit der gesamten bilateralen Abkommen I im Raum. Nach der Annahme der Initiative stellen sich im Detail vor allem folgende Fragen: 

Wie ist der zeitliche Fahrplan für die Umsetzung der Initiative?

Die Initiative hat einen Zeitraum von drei Jahren für die Neuverhandlung bzw. Anpassung von bestehenden Verträgen vorgegeben. Bislang bestehende Regelungen gelten zunächst weiter. Es ergeben sich damit kurzfristig keine direkten Änderungen - es sei denn eine der Parteien (Schweiz oder EU) würde eine vorzeitige Kündigung des Freizügigkeitsabkommens und damit der bilateralen Abkommen I vornehmen. Letzteres Szenario ist aber derzeit nicht zu erwarten. 

Ist der Text der Initiative mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar?

Die in der Initiative vorgesehene Einführung von Kontingenten bzw. Höchstzahlen für Bewilligungen von Ausländerinnen und Ausländern wäre mit dem Freizügigkeitsabkommen nicht vereinbar. Es bleibt abzuwarten, wie die Schweiz diesen Konflikt zukünftig lösen wird. Der Bestand des Freizügigkeitsabkommens bleibt aber vorläufig (soweit es zu keiner vorzeitigen Kündigung kommt) unangetastet.

Welche Auswirkungen hat die Initiative für deutsche Entsendebetriebe?

Das Schweizer Entsendegesetz gilt solange das Freizügigkeitsabkommen in Kraft ist. D.h. solange das Freizügigkeitsabkommen weiterhin seine Geltung hat und keine der Parteien eine Kündigung des Abkommens ausspricht, gelten die bisherigen Regelungen für Entsendebetriebe weiter. Nach Auffassung der Handelskammer Deutschland-Schweiz wird auch keine der beiden Seiten (Schweiz – EU) ein Interesse an neuen Barrieren bei der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung haben, zumal der reibungslose, grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr für Unternehmen beider Seiten aufgrund der engen Verflechtungen von enormer wirtschaftlicher Bedeutung ist. So beträgt allein der Dienstleistungsverkehr zwischen Deutschland und der Schweiz ca. 1/4 des gesamten Handelsvolumens beider Länder.

Was passiert mit den anderen Abkommen der bilateralen Verträge I?

Eine Auswirkung auf die Bereiche, die durch die weiteren bilateralen Verträge I (wie öffentliches Beschaffungswesen, Land- und Luftverkehr, technische Handelshemmnisse usw.) geregelt werden, bestünde erst nach einer Kündigung des Freizügigkeitsabkommens, da die bilateralen Verträge I insgesamt miteinander über eine sogenannte Guillotine-Klausel verbunden sind. Mit der Kündigung des Freizügigkeitsabkommens würden alle weiteren Abkommen der bilateralen Verträge I dahinfallen. Aufgrund des hohen Verflechtungsgrades zwischen der Schweiz und der EU bleibt zu hoffen, dass innerhalb der dreijährigen Frist für die Umsetzung der Initiative eine Lösung gefunden wird, die eine gemeinsame wirtschaftsfreundliche Basis für beide Seiten gewährleistet. Es ist im Interesse keine der beiden Parteien, auf das Integrationsniveau Schweiz – EU vor 1999 zurückzugehen. Für bestehende Konformitätsbewertungen sollte in jedem Fall ein Bestandsschutz festgeschrieben werden. 

Welche Folgen hat das Abstimmungsergebnis auf den Warenverkehr Schweiz – EU?

Der grenzüberschreitende Warenverkehr Schweiz – EU wird unter anderem durch das Freihandelsabkommen Schweiz – EU geregelt. Das Freihandelsabkommen ist nicht Bestandteil der bilateralen Verträge I und wäre damit auch nicht direkt von der Kündigung des Freizügigkeitsabkommens betroffen. Indirekte Auswirkungen auf den Warenverkehr könnten sich aber dann ergeben, wenn eine Warenlieferung mit einem Dienstleistungsanteil verbunden ist und dieser Dienstleistungsanteil von einer Kündigung des Freizügigkeitsabkommens betroffen wäre.

Welche Auswirkungen hat die Initiative für die in der Schweiz lebenden AusländerInnen?

Ausländerinnen und Ausländer, die bereits in der Schweiz leben, behalten im Falle der Kündigung des Freizügigkeitsabkommens ihre bereits erworbenen Ansprüche. Auch sind die bereits erteilten Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen weiter gültig.

Die Handelskammer Deutschland-Schweiz setzt sich aktiv dafür ein, dass das bislang erlangte Integrationsniveau Schweiz - EU / Deutschland gesichert wird und erhalten bleibt. Sie ist seit über 100 Jahren die wichtigste Institution in allen Fragen der Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern. Die Handelskammer Deutschland-Schweiz beantwortet 15.000 Anfragen pro Jahr und unterstützt Unternehmen beider Länder im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr. Bei Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.




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