Mehr Möglichkeiten zur Rekapitalisierung deutscher Verlustgesellschaften (2/2)
6. Mär 2017, Recht & Steuern | Neuregelung

Mehr Möglichkeiten zur Rekapitalisierung deutscher Verlustgesellschaften (2/2)

Strenge Regelungen erschwerten bisher die Sanierung von verlustgeplagten Unternehmen. Mit dem «Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften» bietet der Gesetzgeber neue Chancen für die Rekapitalisierung.

Die Tatsache, dass die vorgenannten Regelungen volkswirtschaftlich gewünschte Sanierungen erschweren, hatte der Gesetzgeber bereits erkannt und auch entsprechend reagiert. Eine Gesetzesergänzung mit dem Ziel einer Aufrechterhaltung des Verlustvortrages bei einem «Beteiligungserwerb zum Zwecke der Sanierung des Geschäftsbetriebes» (§ 8 c Abs. 1 a KStG) wurde jedoch von der Europäischen Kommission durch Beschluss K (2011) 275 vom 26.01.2011 als verbotene Beihilfe untersagt.

Die Untersagung ist zwar immer noch nicht rechtskräftig, der derzeitige Schwebezustand lässt jedoch keine verlässliche Planung bei Investitionsentscheidungen zu.

Der neue § 8 d KStG

Nunmehr hat der Gesetzgeber durch das «Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften» erneut reagiert. Mit dem neuen § 8 d KStG werden die unerwünschten Folgen aus der weiter bestehenden Vorschrift des § 8 c KStG für bestimmte Konstellationen aufgehoben.

§ 8 d Abs. 1 KStG lautet: «§ 8 c ist nach einem schädlichen Beteiligungserwerb auf Antrag nicht anzuwenden, wenn die Körperschaft seit ihrer Gründung oder zumindest seit dem Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Veranlagungszeitraum nach Satz 5 vorausgeht, ausschliesslich denselben Geschäftsbetrieb unterhält und in diesem Zeitraum bis zum Schluss des schädlichen Beteiligungserwerbs kein Ereignis im Sinne von Absatz 2 stattgefunden hat. Satz 1 gilt nicht: für Verluste aus der Zeit vor einer Einstellung oder Ruhendstellung des Geschäftsbetriebs oder wenn die Körperschaft zu Beginn des dritten Veranlagungszeitraums, der dem Veranlagungszeitraum nach Satz 5 vorausgeht, Organträger oder an einer Mitunternehmerschaft beteiligt ist. … »

Neuer Umgang mit Verlustvortrag

Der Gesetzgeber hat sich also einerseits nicht dazu durchringen können, die Vorschrift des § 8 c KStG vollständig abzuschaffen oder generell abzumildern. Hintergrund hierfür waren sicherlich negative Erfahrungen mit sogenannten «Mantelkäufen», also dem regen Verkauf von oft ruhenden Unternehmen mit dem einzigen Zweck, durch die vorhandenen Verlustvorträge Steuern des Erwerbers zu sparen. Andererseits wurde jedoch zumindest bei aktiven Unternehmen die Möglichkeit geschaffen, bei einer Fortführung des – weitgehend unveränderten – Geschäftsbetriebes den Verlustvortrag zu erhalten, selbst wenn neue Gesellschafter hinzukommen oder sogar den Betrieb komplett übernehmen.

Dieser so zu ermittelnde Verlustvortrag:

  • wird nur auf Antrag gewährt
  • ist gesondert festzustellen 
  • ist vor demjenigen nach § 10 d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes vorrangig abzuziehen

Der insoweit festgestellte «fortführungsgebundene Verlustvortrag» ist nicht nur bei der Körperschaftsteuer, sondern auch bei der Gewerbesteuer zu berücksichtigen – gemäss § 10 a S. 10 des ebenfalls geänderten Gewerbesteuergesetzes.

Ziel der Neuregelung

Der insoweit festgestellte «fortführungsgebundene Verlustvortrag» ist nicht nur bei der Körperschaftsteuer, sondern auch bei der Gewerbesteuer zu berücksichtigen – gemäss § 10 a S. 10 des ebenfalls geänderten Gewerbesteuergesetzes. Ausdrücklich bezieht sich diese Verlustfortführungsmöglichkeit nur auf Verluste, die in einem bisher unterhaltenen und fortgeführten Geschäftsbetrieb entstanden sind. Schon in der Gesetzesbegründung wird ausgeführt, dass Ziel der Neuregelung ist: «… die Beseitigung steuerliche[r] Hemmnisse bei der Unternehmensfinanzierung durch Neueintritt oder Wechsel von Anteilseignern durch die Eröffnung der Möglichkeit, ... nicht genutzte Verluste ... weiterhin nutzen zu können, wenn der Geschäftsbetrieb der Körperschaft nach dem Anteilseignerwechsel erhalten bleibt und eine anderweitige Verlustnutzung ausgeschlossen ist.»

Was unter einem solchen fortzuführenden Geschäftsbetrieb zu verstehen ist, regelt § 8 d Abs. 1 KStG in den Sätzen 2 bis 4. Danach kommt es auf die «qualitativen Merkmale in einer Gesamtbetrachtung» an. Als Kriterien werden ausdrücklich aufgezählt:

  • angebotenen Dienstleistungen oder Produkte 
  • Kunden- und Lieferantenkreis 
  • bedienten Märkte 
  • Qualifikation der Arbeitnehmer

Die Verluste müssen also in einem Geschäftsbetrieb entstanden sein, der demjenigen entspricht, der zum Zeitpunkt der ansonsten schädlichen Beteiligung tatsächlich noch existiert. Aus diesem Grunde sind auch Gestaltungen ausgeschlossen, bei denen Gewinne aus anderen Unternehmen in eine nunmehr als Organträger genutzte Verlustgesellschaft steuerfrei gestellt werden.

Absatz 2 des neuen § 8 d KStG regelt folgerichtig, dass bei einer Einstellung des Geschäftsbetriebes der fortführungsgebundene Verlustvortrag entfällt. Als «Einstellung des Geschäftsbetriebes» im Sinne dieser Vorschrift gelten auch:

  • Ruhendstellung
  • andersartige Zweckbestimmung
  • Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebes
  • Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft
  • Betätigung als Organträger

Auch wird die Möglichkeit unterbunden, durch die Einbringung von Wirtschaftsgütern «zu einem geringeren als dem gemeinen Wert» Verlustvorträge nutzen zu können.

Fazit

Die Absicht des Gesetzgebers ist klar und zu begrüssen:

  • Sanierungsbedürftige Unternehmen sowie Jungunternehmen mit Verlusten in der Anlaufphase sollen dringend benötigtes Eigenkapital beschaffen können – ohne dadurch bestehende Verlustvorträge zu verlieren.
  • Gleichzeitig soll vermieden werden, dass Unternehmen mit Verlustvorträgen übernommen und dann ganz anderen Geschäftszwecken zugeführt werden.
  • Darum soll nur die Fortführung des bisher tatsächlich betriebenen Geschäftsbetriebes begünstigt werden.

Ob die hierzu aufgestellten Abgrenzungskriterien in der Praxis anwendbar und nicht zu eng gefasst sind, bleibt abzuwarten. Sowohl über die Frage, ob im Zeitpunkt der Beteiligung noch ein «unveränderter Geschäftsbetrieb» besteht, als auch über die Frage, ob ein fortgeführter Betrieb einer «andersartigen Zweckbestimmung zugeführt wird», sind Streitigkeiten absehbar. Diese dürften bis zu einer abschliessenden Klärung durch die Finanzgerichte für eine weiter anhaltende Unsicherheit sorgen.

(Bildquelle: © xijian/iStockphoto)




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