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14. Apr 2015, Recht & Steuern | Doppelbesteuerung

3 Fallbeispiele in der Hinzurechnungsbesteuerung

Die Regelungen der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung können die Gefahren einer Mehr- oder Doppelbesteuerung mit sich bringen – insbesondere bei unternehmerischen Aktivitäten in der Schweiz. Drei praxisorientierte Fallgestaltungen.

Fallbeispiel 1: Gründung oder Kauf einer Vertriebsgesellschaft in der Schweiz

Es gibt eine Vielzahl an wirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkten, warum sich Unternehmen für einen Vertrieb über Vertriebstochtergesellschaften in der Schweiz entscheiden. Oft werden Vertriebsgesellschaften über Zusammenschlüsse mit Handelspartnern – über die der Vertrieb bis dahin organisiert wurde – gegründet oder durch Zukauf von bereits im Markt etablierten Vertriebsunternehmen installiert. Im «Aktivitätskatalog» des § 8 Abs. 1 AStG wird der Handel grundsätzlich als eine aktive Tätigkeit aufgeführt.

Allerdings gilt dies nicht für den Fall, dass die inländische Muttergesellschaft der «deutschbeherrschten» ausländischen Tochtergesellschaft die Verfügungsmacht an den gehandelten Gütern verschafft oder die ausländische Tochtergesellschaft der inländischen Muttergesellschaft – oder einer ihr nahestehenden Person – die Verfügungsmacht an den gehandelten Gütern verschafft.

Eine «ihr nahestehenden Person» ist eine (natürliche oder juristische) Person, die an dem steuerpflichtigen Unternehmen mindestens zu 25 Prozent unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist oder als dritte Person sowohl auf den Steuerpflichtigen als auch auf eine nahestehende Person beherrschenden Einfluss ausüben kann.

In der Praxis

Derartige Geschäftsabläufe sind jedoch in der Praxis keine Ausnahme, da zum Beispiel der Einkauf aus Gründen der Effizienz (zentrale Logistik, Preisvorteile) oft zentral abgewickelt wird. Dadurch werden zwangsweise die Vertriebsgüter von der Muttergesellschaft an die Vertriebsgesellschaft in der Schweiz geliefert. Eine (schädliche) Konstellation ist auch dann gegeben, wenn die «deutschbeherrschte» Einkaufsgesellschaft in der Schweiz ansässig ist und diese ihre Vertriebsgüter an die deutsche Muttergesellschaft oder Anteilsinhaber liefern. In diesen Fällen stuft die deutsche HZB die Tätigkeit der Vertriebsgesellschaften in der Schweiz zunächst als «passiv» ein.

Diese Passivitätsunterstellung kann jedoch durch einen sogenannten «Aktivitätsnachweis» widerlegt werden. Dieser ist erfüllt, wenn die Schweizer Vertriebsgesellschaft tatsächlich die entscheidenden Handelsfunktionen selbst ausübt – ohne Mitwirken der inländischen beherrschenden Gesellschaft. Um diesen Nachweis führen zu können, sieht das Gesetz folgende, kumulativ zu erfüllenden Kriterien vor:

  • Unterhaltung eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs 
  • Teilnahme der ausländischen Gesellschaft am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr 
  • keine Mitwirkung der inländischen Anteilsinhaber bei der Handelstätigkeit (kein schädlicher Mitwirkungsgegenstand)

Während die ersten beiden Voraussetzungen im Regelfall erfüllt sein werden, bereitet das Vermeiden der schädlichen Mitwirkung in der Praxis oftmals Probleme. Als schädliche Tätigkeiten werden die zur Vorbereitung, dem Abschluss und der Ausführung der Handelsgeschäfte der ausländischen (Tochter-)Gesellschaft gehörenden Tätigkeiten definiert. Damit sind grundsätzlich sämtliche Funktionen des Handels erfasst, die zum Vermeiden einer schädlichen passiven Tätigkeit durch die ausländische Gesellschaft selbst ausgeübt werden müssen.

Jedoch ist es unschädlich, wenn andere Funktionen wie Kontrollfunktionen und allgemeine Funktionen der Geschäftsführung oder verwaltungsbezogene Unterstützungsleistungen – zum Beispiel EDV, Rechnungswesen, rechtliche und steuerliche Beratung – durch «schädliche» inländische Personen i.S.d. § 7 AStG übernommen werden.

Fazit

Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung stellten auch die Übernahmen von Produzenten-, Lieferanten- oder Abnehmerfunktionen sowie die Durchführung von allgemeinen Marketingtätigkeiten – die nicht mit einer Kontaktaufnahme mit dem Kunden verbunden sind – unschädliche Tätigkeiten dar. Diese können von den «schädlichen» inländischen Personen ausgeübt werden. Demgegenüber wird jedoch die Leitung des Vertretereinsatzes als schädlich angesehen – sowie die Übernahme von Finanzierungsaufgaben oder des Handelsrisikos. Fälle einzelner oder geringfügiger Mitwirkungen sollen allerdings unschädlich sein. Im Ergebnis sind für die Erfüllung des schädlichen Mitwirkungstatbestands die Ausübung von Kernfunktionen des Handels als massgeblich anzusehen.

In der Praxis führen diese hohen Hürden des Aktivitätskatalogs oft überraschend dazu, dass in der Schweiz ansässige Vertriebsgesellschaften der HZB unterworfen werden. Betroffen sind Gesellschaften, die mit einem aktiven und eigenständig agierenden Personal- und Managementapparat ausgestattet sind. Unternehmen können diese Gefahr reduzieren, indem sie Funktionen und Risiken im Prozess- und Organisationsaufbau differenziert der Mutter- und Tochtergesellschaft zuweisen.

Fallbeispiel 2: Grenzüberschreitende Tätigkeiten im Dienstleistungssektor

Grundsätzlich werden Dienstleistungen in dem Aktivitätskatalog des § 8 Abs. 1 AStG erfasst und lösen keine Hinzurechnungsbesteuerung bei ausländischen Beteiligungsgesellschaften im Dienstleistungssektor aus. Jedoch beinhaltet auch diese Vorschrift einschränkende Ausnahmetatbestände. Diese werden durch die nachfolgende Fallkonstellation verdeutlicht.

Die A-GmbH ist eine hochspezialisierte Planungsgesellschaft und erbringt Beratungsleistungen im Bereich der Sanierung der historischen und denkmalgeschützten Objekte an Bauträger in der Schweiz. Der Tätigkeitsbereich der A-GmbH besteht im Wesentlichen aus drei Phasen:

  1. Objektbesichtigung und Besprechung der Sanierungsmassnahmen 
  2. Anfertigung der Ausführungspläne 
  3. (daran anschliessend) Überwachung und Projektsteuerung der Umbauprozesse

Aufgrund der erstklassigen Qualität der Leistungen der A-GmbH haben sich die Auftragseingänge in einem Ausmass ausgeweitet, dass die Geschäftsleitung beschlossen hat, eine Tochtergesellschaft in Basel zu gründen. Da jedoch die Umzugsbereitschaft der erfahrenen und bei der A-GmbH langjährig tätigen Architekten nur eingeschränkt vorhanden war, hat die Geschäftsleitung entschieden, die Geschäftsabläufe zwischen der inländischen Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft wie folgt zu strukturieren:

  • Die Akquirierung und Besichtigung der neuen Objekte sowie die Besprechung und Abstimmung des Auftragsumfangs wird in der Schweiz durch die erfahrenen Architekten der A-GmbH für die S-AG übernommen. 
  • Die Anfertigung der Pläne und Projektkalkulationen sowie die Betreuung in der Bauphase übernehmen die bei der S-AG angestellten Mitarbeiter – unter Oberleitung der Architekten der Muttergesellschaft. 
  • Die Leistungen der Muttergesellschaft für die Tochtergesellschaft werden angemessen vergütet.
  • Die Aufträge werden gegenüber den Kunden in der Schweiz einheitlich durch die S-AG abgerechnet. 
  • Durch die Gründung der Tochtergesellschaft entstandene Synergiepotenziale sollen genutzt werden indem die Mitarbeiter der S-AG für die Aufträge der Muttergesellschaft in Deutschland technische Dienstleistungen übernehmen und dafür ebenfalls angemessen vergütet werden.

Beurteilung des Sachverhalts:

Als Beratungsunternehmen ist die A-GmbH im Dienstleistungsbereich tätig. Durch die Gründung der Tochtergesellschaft in einem Niedrigsteuerkanton in der Schweiz wird der Anwendungsbereich der HZB eröffnet – falls die S-AG eine «passive Tätigkeit» ausübt.

§ 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG listet Dienstleistungen grundsätzlich als aktive Einkünfte auf. Die von den ausländischen Gesellschaften erbrachten Dienstleistungen werden jedoch als passiv eingestuft, wenn:

  • der schädliche Bedienenstatbestand erfüllt wird. Das heisst die schädliche Mitwirkung der inländischen Gesellschaft an der ausländischen Gesellschaft die HZB auslöst 
  • der ebenfalls schädliche Erbringungstatbestand erfüllt. Das heisst, die Mitwirkung der ausländischen Gesellschaft bei der Leistungserbringung ihrer Inlandsbeteiligten oder ihr nahe stehenden Personen als passiv qualifiziert.

Während bei Handelstätigkeiten die «Mitwirkung» einer schädlichen Person die Passivität der Einkünfte der ausländischen Gesellschaft auslösen kann, führt bei Dienstleistungen bereits das «Bedienen» einer schädlichen Person zu passiven Einkünften. Bedienen setzt voraus, dass die ausländische Beteiligungsgesellschaft als Schuldner einer Dienstleistung für die Leistungserbringung sich gezielt der «schädlichen Person» bedient. Als Indiz dafür soll bereits ausreichend sein, dass der Auftrags- und Tätigkeitsumfang sowie die Details der Auftragsdurchführung von der schädlichen Person direkt mit dem Leistungsempfänger im Ausland abgestimmt werden.

Fazit

Unter Anwendung dieser Regelungen des §8 Abs. 1 Nr.5 AStG mit seinen Ausnahmen und Rückausnahmen ist der Sachverhalt der oben dargestellten Fallkonstellation wie folgt zu beurteilen: Das Leistungsspektrum der A-GmbH besteht aus drei wesentlichen Teilbereichen:

  1. Akquirierung und Besichtigung neuer Objekte
  2. Anfertigung der Ausführungspläne
  3. Projektsteuerung

Nach der Gründung der Tochtergesellschaften in der Schweiz soll der an die Bauträger erbrachte Leistungsumfang einheitlich durch die S-AG geschuldet werden. Zur Aufrechterhaltung der Qualität wird jedoch die Leistung im Innenverhältnis zwischen der A-GmbH und der S-AG aufgeteilt.

Durch diese grenzüberschreitende Strukturierung der Geschäftsabläufe wird zwangsweise der Bedienenstatbestand des § 8 Abs *1 Nr. 5a AStG erfüllt – da sich die S-AG bei der Leistungserbringung gegenüber ihren Auftraggebern der inländischen Muttergesellschaft bedient.

Dabei ist es unerheblich, dass die Leistungen der A-GmbH angemessen vergütet werden. Als Rechtsfolge dieser schädlichen Mitwirkung werden die Einkünfte der S-AG für die Architektendienstleistungen an die Bauträger in der Schweiz als passiv eingestuft und der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen.

Fallbeispiel 3: Doppelbesteuerung mangels Steueranrechnung

Der in Deutschland wohnhafte D gründet in 2001 als alleiniger Anteilseigner die S GmbH mit Sitz in Zug. Diese erbringt Dienstleistungen im Softwarebereich unter Mitwirkung von D. Im Gründungsjahr 2001 wird aufgrund eines Grossauftrags ein Gewinn vor Ertragsteuern in Höhe von 150.000 Schweizer Franken erzielt – 120.000 Euro nach deutschen Gewinnermittlungsvorschriften. Dieser unterliegt einer Schweizer Ertragsteuerbelastung von 16,67 Prozent. Das sind 25.000 Schweizer Franken (20.000 Euro), die vollumfänglich erst im Jahr 2002 bezahlt werden. Im Jahr 2002 beträgt der Gewinn aufgrund ausbleibender Aufträge nur noch 1.250 Schweizer Franken (1.000 Euro).

Die S GmbH unterliegt als Zwischengesellschaft der Hinzurechnungsbesteuerung, weil der schädliche Bedientatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG erfüllt ist. Der Gewinn der S GmbH in Höhe von 120.000 Euro unterliegt bei D im Feststellungsjahr 2002 als fiktive Dividende der Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen ohne Tarifbegünstigung mit einer ESt von 42 Prozent (50.400 Euro).

Die Schweizer Ertragsteuern sind mangels Zahlung im Jahr 2001 erst im Feststellungsjahr 2003 auf die fiktive Dividende des Wirtschaftsjahres 2002 anrechenbar – in Höhe von 1.000 Euro. Damit läuft die Anrechnung weitgehend ins Leere. Ein Antrag auf billigkeitshalber Anrechnung der Schweizer Ertragsteuern im Feststellungsjahr 2002 gemäss § 163 S. 2 AO13 wird vom Finanzamt abgelehnt, sodass sich die Gesamtbelastung des Gewinns der S GmbH auf 70.400 Euro beläuft und damit auf 58,6 Prozent.

(Bildquelle: © BernardaSv/iStockphoto)




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