7 aktuelle Trends im Wirtschaftsverkehr Deutschland-Schweiz
18. Apr 2016, Wirtschaft | Aussenhandel

7 aktuelle Trends im Wirtschaftsverkehr Deutschland-Schweiz

Erlebte der grenzüberschreitende Wirtschaftsverkehr Deutschland-Schweiz im Jahr 2015 einen ungewöhnlichen Rückgang, sind die Perspektiven für 2016 deutlich positiver. Diese sieben wesentlichen Entwicklungen im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr Deutschland-Schweiz sollten Sie im Auge behalten.

Der Aussenhandel Deutschland-Schweiz stand im Jahr 2015 im Zeichen des starken Schweizer Frankens und erlebte einen Rückgang, der in der Vergangenheit selten zu verzeichnen war.

  • Handelsvolumen sank gegenüber dem Vorjahr um 6,9 Prozent auf 83,7 Milliarden Schweizer Franken. 
  • Die Schweizer Exporte nach Deutschland nahmen um 5,1 Prozent (zwei Milliarden) auf 36,6 Milliarden Schweizer Franken ab. 
  • Die Importe sanken sogar um 8,2 Prozent (4,3 Milliarden) auf 47,0 Milliarden CHF.

Der Auftakt ins Jahr 2016 begann hingegen deutlich positiver. Es dürfte wieder mit einem spürbaren Anstieg des Handelsaustausches zu rechnen sein. Deutschland ist traditionell der bedeutendste Wirtschaftspartner der Schweiz und die Schweiz zählt zu den zehn wichtigsten Wirtschaftspartnern Deutschlands. In den vergangenen Jahren hat sich über das quantitativ beeindruckende Handelsvolumen auch qualitativ eine intensive und vertrauensvolle Zusammenarbeit der vielen Unternehmen ergeben – im Austausch von Waren, Dienstleistungen, Forschungs- und Entwicklungsleistungen sowie entsandte Beschäftigte über die Grenze.

Die Handelskammer Deutschland-Schweiz stellt – auch aufgrund ihrer täglichen Beratungspraxis – folgende wesentliche Entwicklungen zu Jahresbeginn 2016 fest, die den Wirtschaftsverkehr beider Länder tangieren.

1. Deutschland bleibt wichtigster Wirtschaftspartner der Schweiz – globale Warenströme verschieben sich

Deutschland bleibt auch 2015 der wichtigste Handelspartner im Austausch von Waren mit der Schweiz. Doch diese Position erodiert jährlich in kleinen Schritten. Über eine längere Zeitperiode wird die Veränderung deutlich:

  • Schweizer Importe aus Deutschland
    • 2008: 34,7 Prozent 
    • 2015: 28,3 Prozent Schweizer 
  • Exporte nach Deutschland
    • 2008: 20,3 Prozent 
    • 2015: 18,1 Prozent

Der relative Bedeutungsschwund von Deutschland im Aussenhandel der Schweiz ist im Spiegel der weltweiten Ausdifferenzierung von Wertschöpfungsketten und dem wirtschaftsgeographischen Bedeutungszuwachs von vielen Schwellen- und Transformationsländern zu sehen – darunter vor allem asiatischer Länder wie China.

2. Stetig wachsender Dienstleistungsverkehr

Meist unbeachtet steigt der Austausch von unternehmensnahen Dienstleistungen (ohne Reiseverkehr) stetig an. Dieser macht inzwischen ungefähr ein Drittel des Handelsvolumens aus.

Alleine der unternehmensnahe Dienstleistungsverkehr der Schweiz mit Deutschland ist heute so hoch wie der gesamte Warenaustausch der Schweiz mit Frankreich. Das hat primär zwei Gründe:

  • Einerseits erlauben die Rahmenbedingungen vermehrt die Zusammenarbeit in den Dienstleistungsbereichen und im Handwerk – seit Inkrafttreten der bilateralen Verträge. 
  • Andererseits sind viele Produkte – insbesondere Investitionsgüter – nur mit ergänzenden Dienstleistungen gemäss ihrem Verwendungszweck einsatzfähig.
3. Wechselkursrelation CHF/EUR

Die «Wechselkursvorzeichen» der Schweizer und der deutschen Wirtschaft sind im Moment völlig gegenläufig ausgerichtet. Die Schweizer Wirtschaft unternimmt zurzeit alle Anstrengungen, die Hürde des überbewerteten Schweizer Frankens – die eigentlich eine Hürde des schwachen Euros ist – im Wettbewerb auf den Euro-Exportmärkten zu überwinden. Sie ist einer «Innovations- und Effizienzsteigerungskur» unterworfen.

Dagegen kann die deutsche Wirtschaft momentan – zumindest auf den Drittmärkten ausserhalb der Eurozone – vom «Rückenwind» des schwachen Euros profitieren. Dadurch ist sie teilweise im Wettbewerb mit der Schweizer Wirtschaft.

4. Direktinvestitionen und Unternehmensgründungen Deutschland-Schweiz

Die Zielsetzung der Schweizer und der deutschen Investoren im jeweils anderen Land weist trendmässig eine umgekehrte Motivationslage im Vergleich zu früheren Jahren auf. In die Schweiz kommen heute zumeist deutsche Investoren, die den Schweizer Markt intensiver bearbeiten wollen.

Die Schweiz als Produktionsstandort zur Erschliessung anderer Märkte hat bei den deutschen Investoren relativ an Bedeutung verloren. Genau umgekehrt verläuft die Entwicklung bei Schweizer Investoren in Deutschland. Diese schauem sich neben der Stärkung Ihrer Marktposition auch nach günstigeren Standortbedingungen um. Hinzu kommt die Überwindung von logistischen Schwierigkeiten, da die Schweiz nicht Mitglied der EU-Zollunion ist. Eine Abwanderungswelle der Firmen aus der Schweiz kann die Handelskammer jedoch nicht feststellen.

5. Wirtschaftliche Verflechtung und fragmentierte Wertschöpfungsketten – internationale Arbeitsteilung nimmt zu

Die Verringerung der Fertigungstiefe und die Outsourcing-Aktivitäten der Industriefirmen nahmen in den vergangenen Jahren stetig zu. Das betrifft auch das Global Sourcing. Seit Jahren gilt es für die Grossindustrie und mittelgrosse Unternehmen als selbstverständlich und wird zunehmend auch von Kleinunternehmen praktiziert. Wertschöpfungsketten sind heute international fragmentiert. Deutsche und Schweizer KMUs kaufen ebenfalls immer mehr im Ausland ein. Diese Entwicklung wird durch «Industrie 4.0» noch stark befördert.

Die Transparenz auf den Weltmärkten, die Ausdifferenzierung der Wertschöpfungsketten und die Aufsplittung von Produktions- und Dienstleistungsprozessen wird sich im Rahmen der Digitalisierung weiterentwickeln.

6. Zunahme der Bedeutung des digitalen EU-Binnenmarktes

Die EU arbeitet an der Umsetzung eines digitalen EU Binnenmarktes. Hierfür werden:

  • Entsprechende Anpassungen des rechtlichen Rahmens und der gesetzlichen Vorschriften geplant – um Diskriminierung und Hindernisse abzubauen 
  • Breitbandnetze werden ausgebaut 
  • Datenschutzregeln vereinheitlicht 
  • Der Einsatz digitaler Technologien gefördert

Zudem soll der freie Datenfluss, die Nutzung von Cloud-Diensten, Big Data und das «Internet der Dinge» gefördert werden. Für die Schweizer Wirtschaft ist auch der Zugang zum digitalen EU-Binnenmarkt von grösster Bedeutung. Eventuelle Rechtsungleichheiten oder etwaige Zugangsbeschränkungen wirken sich direkt auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Unternehmen aus. Diese setzen auf eine intensive Zusammenarbeit mit Unternehmen im EU-Raum – das heisst auch in Deutschland.

7. Schweiz-EU

Vor dem Hintergrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Deutschland und der Schweiz hat die Wirtschaft auch zwei Jahre nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative keine Planungssicherheit. Es steht nach wie vor die Gefahr der Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der EU im Raum und damit der gesamten bilateralen Abkommen I. Der Schaden für den Wirtschaftsaustausch wäre beträchtlich.

Für die Umsetzung der Initiative besteht noch knapp ein Jahr Frist. Aufgrund des hohen Verflechtungsgrades zwischen der Schweiz und der EU bleibt zu hoffen, dass innerhalb der noch kurzen Zeit eine einvernehmliche Lösung gefunden wird, die eine gemeinsame wirtschaftsfreundliche Basis für beide Seiten (Schweiz-EU) gewährleistet.

Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen von Exportnationen – wie die Schweiz und Deutschland – zielen auf:

  • die Offenheit der Märkte 
  • den freien Wettbewerb von Gütern, Dienstleistungen 
  • den freien Personenverkehr

Diese freiheitliche wirtschaftspolitische Grundausrichtung darf weder durch eine überbordende Regulierung noch durch sonstige Wirtschaftshemmnisse unterlaufen werden.

(Bildquelle: © edhar/iStockphoto)




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