Änderungen des Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz
12. Jun 2024, Recht & Steuern

Änderungen des Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz

Bereits im Mai 2014 wurde mit den Verhandlungen zur Revision des Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Schweiz (hiernach DBA D-CH) begonnen. 

Nach mehr als 9 Jahren wurde am 21.8.2023 das Ratifizierungsprotokoll unterzeichnet. Bis das neue DBA D-CH angewendet werden kann, dauert es aber noch. Es muss nun noch in beiden Ländern das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen werden. Damit können die neuen Regelungen frühestens zum 1.1.2025, ggf. aber auch erst später in Kraft treten.
Wichtige, notwendige Erleichterungen wie die Abschaffung der einseitigen Benachteiligung der Schweiz betreffend die Regelungen in den Ansässigkeitsklauseln von Art. 4 Abs. 3, 4 und 9 DBA D-CH wurden nicht vereinbart. Zumindest eine Klarstellung einzelner Begriffe wie der ständigen Wohnstätte wäre für die Praxis essentiell gewesen, um in der Schweiz Ansässige nicht weiterhin steuerlichen Gefahren in Deutschland auszusetzen.

Nennenswert sind dagegen Klarstellungen im Protokoll zum DBA, die zumindest teilweise für mehr Rechtssicherheit sorgen dürften. Nachfolgend ein Überblick über ausgewählte Änderungen:


1. Selbständig Erwerbende
Die Sondernorm für Selbständige (Art. 14 DBA D-CH) soll ersatzlos gestrichen werden. Entsprechend der Vorlage des OECD-Musterabkommens sollen neu nunmehr die Bestimmungen gemäss Art. 7 (Unternehmensgewinne) angewandt werden. Als Folgewirkung wird auch Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 lit c DBA D-CH ersatzlos gestrichen. Diese Anpassungen sind zu begrüssen.


2. Unternehmen
Art. 7 Abs. 3 DBA D-CH sieht eine Gegenberichtigung von Gewinnkorrekturen bei verbundenen Unternehmen vor. Sofern ein Staat Einkünfte aufgrund des sog. Fremdvergleichsgrundsatzes (Art. 7 Abs. 2 DBA D-CH) nachversteuert, muss der andere Staat diese zur Beseitigung einer Doppelbesteuerung ausnehmen. Diese Regelung ist zu begrüssen, da in der Praxis aufwendige Verständigungsverfahren vermieden werden könnten.


3. Dividenden
Es erfolgen Klarstellungen hinsichtlich der Freistellung von Dividenden in beiden Staaten (Art. 10 DBA D-CH). Sind auch die anderen Voraussetzungen erfüllt, erfolgt eine Freistellung, sofern eine Mindesthaltedauer von 365 Tagen (zuvor mindestens 12 Monate) eingehalten wird. Besitzänderungen aufgrund von Fusionen, Spaltungen oder Umwandlungen sollen dabei keinen Neubeginn der Frist zur Folge haben. Dies ist zu begrüssen.


4. Arbeitnehmern
Hinsichtlich Art 15 DBA D-CH (Unselbständige Arbeit) und Art. 15a (Grenzgänger) erfolgen im Protokoll zum Abkommen diverse Klarstellungen, die für die Praxis und zur Vermeidung von möglichen Doppelbesteuerungen zu begrüssen sind:

  • Aufteilung des Arbeitslohns:
    Arbeitslohn ist anhand der tatsächlichen Arbeitstage aufzuteilen. Der Arbeitgeber muss Arbeitstage und Tätigkeitsorte bestätigen. Insbesondere in Zeiten des mobilen Arbeitens sollten Arbeitgeber prüfen, wie sie eine solche Bestätigung sicherstellen können (z.B. Führung sog. Travel-Kalender).
  • Lohnfortzahlung bei Freistellung von der Arbeitsausübung:
    Für das Besteuerungsrecht bei Freistellungen unter Lohnfortzahlung sind diejenigen Verhältnisse massgeblich, die anzuwenden wären, wenn keine Freistellung erfolgt wäre. Dies steht nicht im Einklang mit der in der Literatur und Rechtsprechung häufig vertretene Auffassung, dass das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat zustehe.
  • Abfindungszahlung:
    Abfindungen, die für das vorzeitige Ausscheiden gezahlt werden, sind nach dem sog. Erdienungszeitraum aufzuteilen. Zu beachten ist, dass für den Erdienungszeitraum maximal das laufende Jahr und die vorangehenden fünf Jahre betrachtet werden.
  • Grenzgänger:
    Grenzgänger (Art. 15a DBA D-CH) ist hiernach, wer sich an mindestens 20 % der vereinbarten Arbeitstage vom Wohnsitz an den Arbeitsort und zurück begibt. Diese Klarstellung ist einerseits, insbesondere aufgrund des mobilen Arbeitens hilfreich. Mitarbeitende, die beispielsweise einmal die Woche über die Grenze pendeln und an den übrigen 4 Tagen im Home-Office tätig sind, können hiernach grundsätzlich als Grenzgänger qualifizieren. Die Auslegung geht sehr weit und lehnt sich an die aktuelle Regelung für sog. geringfügige Arbeitsverhältnisse an. Andererseits erweitert dies vermutlich die Anwendungsfälle (Grenzgänger), was kritisch ist.


5. Öffentlicher Dienst
Es erfolgt im Protokoll zum Abkommen eine Klarstellung der Definition des öffentlichen Dienstes und damit zusammenhängende Besteuerung der Ruhegehälter (siehe Art. 19 DBA D-CH).

KPMG

6. Weitere Änderungen

  • Verhinderung von Abkommensmissbräuchen:
    Der Artikel 23 Absatz 3 DBA D-CH wird um die sog. OECD Missbrauchsklausel erweitert. Dies ist zu kritisieren. Durch die Neuregelung sind nun neben den nationalen deutschen Missbrauchsklauseln (diese sind mittels Art. 23 Absätze 1 und 2 faktisch anzuwenden) neu auch noch zusätzlich die OECD-Missbrauchsklausel anzuwenden.
  • Einführung einer neuen Anti-Global-Base- Erosion Regelung in Art. 24 Abs. 4 DBA D-CH
  • Diskriminierungsverbot / Gleichbehandlung (Art. 25 DBA D-CH):
    Die Regelungen gelten nun auch neu für Personen, die in keiner der beiden Staaten ansässig sind. Diese Klarstellung ist zu begrüssen.
  • Einleitung eines Verständigungsverfahrens:
    Es wird eine Frist von 3 Jahren für den Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens (Art. 26 Abs. 1 DBA D-CH) eingeführt. Die Frist beginnt ab der ersten Mitteilung der Massnahme, die zu einer dem Abkommen nicht entsprechenden Besteuerung führt. Die Fristen sind folglich zukünftig im Detail zu monitoren (etwa bei langjährigen Aussenprüfungen in Deutschland). Das sich an das Verständigungsverfahren anschliessende Schiedsverfahren soll zukünftig nur noch von der Person, die auch den Antrag auf Verständigungsverfahren gestellt hatte, beantragt werden können.

 

Zusammenfassung
Grundsätzlich sind insbesondere die Klarstellungen im Protokoll zu Art. 15 und Art. 15a DBA D-CH zu begrüssen, da nun zumindest Rechtssicherheit diesbezüglich herrscht. Die einseitigen massiven Benachteiligungen der Schweiz durch Deutschland werden weiterhin nicht eliminiert, was zu kritisieren ist: Hierunter zählen unter anderem:

1. Art. 4 Abs. 3 DBA D-CH (überdachende Besteuerung)
Als Minimalziel hätten die Kriterien der ständigen Wohnstätte eindeutiger definiert werden müssen.

2. Art. 4 Abs. 4 DBA D-CH (konkurrierende Besteuerung) bleibt unverändert bestehen.

3. Art. 4 Abs. 9 DBA D-CH (analog zu Art. 4 Abs. 3 DBA D-CH) bleibt unverändert bestehen.

4. Art 13 Abs. 4 DBA D-CH, welcher
Deutschland ein weitreichendes Besteuerungsrecht bei Veräusserungen von wesentlichen Beteiligungen gewährt, wird ebenso nicht geändert.




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