Regelmässig kommt es bei Betriebsprüfungen deutscher Gruppengesellschaften, schweizerisch beherrschten Konzernen zu Aufrechnungen aufgrund der Anpassung der gruppeninternen Verrechnungspreise. Häufig betreffen diese Lizenzzahlungen für von der schweizerischen Konzernobergesellschaft gehaltene Markenrechte und/oder Patente bzw. Technologien; vielfach sind auch Zahlungen im Bereich Management Services oder sonstiger gruppeninterner Dienstleistungen an die diesbezüglichen Leistungserbringer in der Schweiz betroffen.
Als Resultat ergibt sich eine Doppelbesteuerung zumindest eines Teils der von deutschen Gruppengesellschaften an die schweizerischen Empfängergesellschaften geleisteten Zahlungen, für welche sowohl dem deutschen Steuerpflichtigen als auch der schweizerischen Empfängergesellschaft auf Basis des geltenden Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) grundsätzlich das Recht auf deren Beseitigung qua Verständigungs- und ggf. Schiedsverfahren zusteht.
Ungeachtet dessen lassen sich viele deutsche Steuerpflichtige auf Absprachen mit ihren zuständigen Betriebsprüfern ein, wonach sie erklären, auf mögliche Rechtsmittel (Einspruch und Klage) als auch auf die Führung eines Verständigungs- und Schiedsverfahrens zu verzichten, um einerseits die zumeist langwierigen und kostspieligen Betriebsprüfungen zu einem Abschluss bringen zu können und andererseits das gute Verhältnis zum Betriebsprüfer im Hinblick auf die bereits absehbare Prüfung der Folgejahre nicht zu trüben.
Unsere nachstehenden Ausführungen befassen sich mit der Frage, welche Möglichkeiten den betroffenen Unternehmen dennoch für eine Beseitigung der Doppelbesteuerung zur Verfügung stehen: Möglichkeiten zur Beseitigung der Doppelbesteuerung
Ordentliches Verständigungsverfahren
Ungeachtet einer eventuellen Erklärung seitens des deutschen Steuerpflichtigen, auf die Einleitung eines Verständigungsverfahrens zu verzichten, steht ein solches auf der Grundlage des dem unilateralen Recht übergeordneten Staatsvertragsrechts (d.h. des DBAs) weiterhin beiden von der Aufrechnung betroffenen Gesellschaften zu.
Dieser Weg beinhaltet das Einschalten des Staatssekretariats für Internationale Finanzfragen (SIF) bzw. des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) (Competent Authorities), die den Fall bilateral diskutieren und eine Einigung darüber anstreben, welcher Verrechnungspreis für den spezifischen Sachverhalt nach dem Fremdüblichkeitsprinzip korrekt ist, wobei dieser Prozess i.d.R. bis zu zwei Jahre benötigt. Die auf dem Verhandlungsweg erzielte Lösung kann, muss aber nicht mit der Position der deutschen Betriebsprüfung übereinstimmen und ist für die kantonalen Veranlagungsbehörden in der Schweiz bzw. die durch diese vorzunehmende Gegenkorrektur verbindlich. Kann keine Lösung erzielt werden, so wird der Fall durch ein Schiedsverfahren beigelegt und die Doppelbesteuerung auf diese Art zwingend beseitigt.
Da der deutsche Betriebsprüfer in jedem Fall über das Ergebnis des Verständigungsverfahrens informiert und vielfach auch bereits in ein solches einbezogen wird, lässt sich jedoch nicht vermeiden, dass dieser über die Nichteinhaltung der seitens des deutschen Steuerpflichtigen abgegebenen Erklärung – auf ein Verständigungsverfahren würde verzichtet – Kenntnis erlangt.
Unilaterale Korrektur qua Rektifikat oder Revisionsbegehren
Als mögliche Alternative zu einem Verständigungsverfahren bieten verschiedene Kantone (z.B. AG, BE, BL, FR, NW, SG, SH, TG, ZG) auch Hand für eine unilaterale Beseitigung der Doppelbesteuerung, sofern die durch die deutsche Betriebsprüfung vorgenommene Verrechnungspreiskorrektur seitens der kantonalen Behörde als gerechtfertigt anerkannt werden kann.
Je nach Veranlagungsstatus kann die schweizerische Empfängergesellschaft dazu ein Rektifikat zur Steuererklärung einreichen (noch nicht definitiv veranlagte Steuerperioden) oder ein Revisionsbegehren (definitiv veranlagte Steuerperioden) beantragen.
Da die diesbezügliche Praxis der Kantone stark voneinander abweicht, ist der schweizerischen Empfängergesellschaft in jedem Fall zu empfehlen, den konkreten Einzelfall vorgängig mit der zuständigen Steuerverwaltung aufzunehmen. Während die Möglichkeit zur Beseitigung internationaler Doppelbesteuerungskonflikte qua Revision auch für definitiv veranlagte Steuerperioden im Steuergesetz des Kantons St. Gallen explizit verankert ist (Art. 197 Abs. 1 Bst. d), kann eine in Deutschland erfolgte Aufrechnung gemäss Praxis bspw. der Kantone Basel-Stadt und Zürich auch in noch offenen Steuerperioden nur in Ausnahmefällen korrigiert, jedoch nie als Grund für eine Revision bereits definitiv veranlagter Steuerperioden anerkannt werden.
In Fällen, in denen die aus Deutschland vorgegebene Verrechnungspreiskorrektur nicht als offensichtlich angebracht anerkannt werden kann, verweisen sämtliche uns bekannte Kantone auf den offiziellen Weg, namentlich die Einleitung eines Verständigungsverfahrens über das SIF.
Abgekürztes Verständigungsverfahren ohne Verhandlung
Schliesslich besteht für die schweizerische Empfängergesellschaft auch noch die Möglichkeit, ein abgekürztes Verständigungsverfahren zu beantragen, wobei diesfalls bereits mit dem Antrag auf Verständigungsverfahren explizit der Wunsch nach einer Anerkennung des Ergebnisses der deutschen Betriebsprüfung ohne weitere Verhandlungen geäussert wird.
Diesfalls prüft das SIF den Sachverhalt bzw. die vorgenommene Verrechnungspreiskorrektur unilateral und lässt sich, unter der Voraussetzung, dass man sich dem Ergebnis der Betriebsprüfung anschliessen kann, die in diesem Fall ohne Verhandlung erzielte «Verständigungslösung» seitens des BZSt bestätigen. Da das BZSt auch in diesem Fall das zuständige Finanzamt über die Anerkennung des Betriebsprüfungsergebnisses qua Verständigungsverfahren informiert, ist dem deutschen Steuerpflichtigen im Hinblick auf eine weiterhin angenehme Zusammenarbeit mit deren Betriebsprüfer in jedem Fall zu empfehlen, letzteren über den Prozess des abgekürzten Verfahrens ohne Verhandlung bzw. den Wunsch nach unilateraler Anerkennung des Ergebnisses der Betriebsprüfung in Kenntnis zu setzen.
Sollte sich das SIF dem Ergebnis der Betriebsprüfung nicht anschliessen, die betroffenen Unternehmen jedoch eine Verhandlung weiterhin ablehnen, kann das SIF den anwendbaren Verrechnungspreis unilateral feststellen und dem zuständigen Kanton auf diesem Weg die Möglichkeit einer zumindest partiellen Beseitigung der Doppelbesteuerung bieten. Während diverse Kantone einer entsprechenden Gegenkorrektur auch in derlei Fällen ohne Weiteres zustimmen, beurteilen einzelne Kantone den Anspruch auf Gegenkorrektur bei nur partieller Beseitigung der Doppelbesteuerung mangels Verhandlung als kritisch.
Empfehlungen
Die Fallzahlen von Betriebsprüfungen mit Verrechnungspreisbezug steigen seit vielen Jahren kontinuierlich. Aufgrund der erhöhten Komplexität der Leistungsbeziehungen in multinationalen Unternehmensgruppen setzt sich dieser Trend unverändert fort. Folglich muss auch in der Schweiz mit einer wachsenden Zahl entsprechender Doppelbesteuerungsfälle gerechnet werden. Deshalb ist es aus Sicht der schweizerischen Empfängergesellschaften umso relevanter, eine unternehmensweite Weisung für den Umgang mit Vorschlägen bezüglich unilateraler Absprachen mit der Betriebsprüfung zu erlassen, die Konsequenzen aus der resultierenden Doppelbesteuerung aufgrund der nicht von beiden Staaten anerkannten Einigung zu kennen und ihre Handlungsalternativen zu evaluieren.
Angesichts der stark divergierenden Praxis der Kantone sowie der Tatsache, dass die konkreten Sachverhalte in aller Regel nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar sind, muss jeder Einzelfall separat mit Blick auf ein optimales Gesamtergebnis beurteilt werden. Dabei umfassen die in die Überlegungen einzubeziehenden Aspekte neben den betroffenen Beträgen und die darauf möglicherweise verbleibende Doppelbesteuerung sowohl eine zeitliche Komponente als auch strategische Überlegungen betreffend zukünftiger Betriebsprüfungsperioden.