Zoll und Verrechnungspreise
21. Aug 2024, Recht & Steuern

Zoll und Verrechnungspreise

Rechtsprechung und Praxishinweise zu nachträglichen Verrechnungspreisanpassungen

Ausgangslage
Für die Bestimmung fremdüblicher Verrechnungspreise (VP) für Lieferungen Schweizer Unternehmen an ihre deutschen Vertriebsgesellschaften werden – im Einklang mit der internationalen Praxis – regelmässig gewinnorientierte VP-Methoden angewandt.1 Dabei erfolgt am Jahresende eine Anpassung des VP an den als fremdüblich identifizierten EBIT. Führt die Anpassung zu einem höheren VP gegenüber der Vertriebsgesellschaft stellt sich die – in der Praxis häufig nicht beachtete – Frage einer nachträglichen Erhöhung des Zollwerts.2 Diese Frage wird von der deutschen Zollverwaltung bejaht, was aber nicht im Einklang mit der aktuellen Finanzgerichts-Rechtsprechung steht. Nachfolgend wird der verrechnungspreistechnische Hintergrund und die hierzu ergangene Rechtsprechung erläutert.
 

Massgeblichkeit der OECD-Verrechnungspreis- Richtlinien
Die Bestimmung fremdüblicher VP im Verhältnis zu Vertriebsgesellschaften richtet sich nach dem international anerkannten Fremdvergleichsgrundsatz.3 Dessen Umsetzung erfolgt über international anerkannte VP-Methoden auf Basis von Fremdvergleichswerten. Massgeblich hierfür sind sowohl aus Sicht der deutschen4 als auch der Schweizer5 Finanzverwaltung die OECD-Verrechnungspreisleitlinien (VPRL), die auch ausführlich zur Anwendung der gewinnorientierten VP-Methoden Stellung nehmen.


Anwendung der Transactional Net Margin Method (TNMM) bei Vertriebsgesellschaften
Die in den VPRL geregelte TNMM vergleicht den Nettogewinn einzelner Transaktionen mit solchen vergleichbarer Dritter und stellt die in der internationalen Praxis am häufigsten verwendete Methode dar. Dabei wird der EBIT der Vertriebsgesellschaft auf Basis von Benchmarkingwerten vergleichbarer Vertriebsgesellschaften bestimmt.6 Die mit der TNMM verbundenen Year-End-Anpassungen hat die deutsche Finanzverwaltung nun erstmals anerkannt.7 Unklar bleiben aber – wie nachfolgend erläutert – die Folgen dieser Anpassungen auf die Zollwertermittlung. 

 

Profit Split Methode (PSM) als alternative wertschöpfungsorientierte Methode 
Nachdem die OECD die Anwendung der PSM auch für aufeinanderfolgend ausgeübte Funktionen als möglich erachtet hat, ist deren Anwendungsspielraum insbesondere für Liefergeschäfte und damit auch für Vertriebsgesellschaften gestiegen. Dabei erfolgt die Aufteilung eines gemeinsam erzielten Gewinns häufig auf Basis des Wertschöpfungsbeitrags der beteiligten verbundenen Unternehmen, womit die Funktions- und Risikoverteilung besser abgebildet wird. Nachteilig ist der Ermessensspielraum bezüglich des Gewinnaufteilungsschlüssels, der bei nicht ausreichender Dokumentation in Betriebsprüfungen (BP) beanstandet werden kann.8 Auch bei dieser VP Methode kann es zu Year-End-Anpassungen kommen, womit sich die Frage der damit verbundenen Folgen für die Zollwertermittlung hier in gleicher Weise stellt.9


Verrechnungspreise und Zollwert
Bei der Kalkulation der Verrechnungspreise für Lieferungen Schweizer Konzernunternehmen an deutsche konzernzugehörige Unternehmen ist zu beachten, dass nachträgliche pauschale VP-Anpassungen ggf. zu einer rückwirkenden Erhöhung der Einfuhrabgaben führen wird. Ob diese Praxis der deutschen Zollverwaltung vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung haltbar ist, steht derzeit beim BFH auf dem Prüfstand (anhängiges Verfahren VII R 36/22).10 
Festzuhalten ist, dass es bisher keine einheitliche Handhabe der Zollverwaltungen der EU-Mitgliedstaaten hierzu gibt.

 

Zollwert und Methoden der Zollwertermittlung
Der Zollwert ist der Wert einer Ware im Zeitpunkt des Verkaufs in die EU. Auf den Zollwert wird der Zolltarif angewandt. Damit beeinflusst der Zollwert unmittelbar die Höhe des zu zahlenden Zolls. Zollwert plus Zoll bilden dann die Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer. 
Der Unionszollkodex (UZK) sieht sechs Methoden der Zollwertermittlung vor, die in einem streng hierarchischen Verhältnis stehen: Vorrang geniesst die Transaktionswertmethode, die den Wert nach dem für die Ware tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis bestimmt, Art. 70 Abs. 1 UZK. Kommt diese Methode nicht in Betracht, weil z.B. kein Kaufgeschäft vorliegt oder der Transaktionswert etwa wegen der Verbundenheit der Unternehmen nicht den wahren Wert der Ware spiegelt, ist die Anwendbarkeit weiterer Methoden zu prüfen. In Betracht kommt dann die Ermittlung des Transaktionswerts gleicher oder hilfsweise vergleichbarer Waren, die deduktive Methode, die auf den Preis bei einem anschliessenden Weiterverkauf der Ware abstellt, schliesslich der errechnete Wert aufgrund der internen Kalkulationen des Unternehmens.
In dem hier vorgestellten Fall – also bei verbundenen Unternehmen und pauschaler Nachbelastung – gelangt die deutsche Zollverwaltung regelmässig zur Anwendung der nachrangigen sog. «Schlussmethode», die ihr die grösstmöglichen Freiheiten in der Festlegung des Zollwerts lässt. Die pauschale Nachbelastung kann dann auf die einzelnen Einfuhren umgelegt werden, mit der Folge eines erhöhten Zollwerts und der Nacherhebung von Einfuhrabgaben.


Schlussmethode nur bei Preisbeeinflussung durch Verbundenheit
Wäre die Zollverwaltung gezwungen, die vorrangige Transaktionswertmethode anzuwenden, wären nachträgliche pauschale Nachbelastungen nicht zollwerterhöhend zu berücksichtigen: Für die Transaktionswertmethode muss der letztlich zu zahlende Preis zum Zeitpunkt der Anmeldung sicher ermittelbar sein, d.h. etwaige spätere Ab- oder Zuschläge müssen bereits objektivierbar und quantifizierbar sein. Bei den nachträglichen pauschalen Anpassungen ist das nicht der Fall; sie blieben damit unberücksichtigt.11
Nach Ansicht der deutschen Zollverwaltung erlaubt aber die Schlussmethode die Berücksichtigung solcher nachträglichen pauschalen Ausgleichszahlungen. Allerdings darf diese Methode nicht immer im Fall verbundener Unternehmen angewandt werden, sondern nur, wenn diese Verbundenheit nachweislich den Preis beeinflusst hat. Hierfür muss die Zollverwaltung Anhaltspunkte darlegen, der Zollpflichtige kann dann durch die Offenlegung der internen Kalkulation der Preise etc. das Gegenteil nachweisen. Das geschieht zum Beispiel, indem der Anmelder aufzeigt, dass der Preis für die Deckung aller Kosten zuzüglich eines Gewinns ausreicht, der dem allgemeinen Gewinn des Unternehmens innerhalb eines repräsentativen Zeitraums bei Verkäufen von Waren der gleichen Gattung oder Art (an Dritte) entspricht. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung abzustellen. Es ist darzulegen, wie der unterjährig in Rechnung gestellte Preis gebildet und festgesetzt wurde und, dass auch nicht verbundene Dritte zu diesem Zeitpunkt diesen Preis so vereinbart hätten. 
Hier sollten die Unternehmen also Vorsorge treffen.12
 

Kritik an der Handhabe der deutschen Zollverwaltung
Derzeit ist unklar, ob diese Handhabe der deutschen Zollverwaltung im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH steht, dazu muss nun der BFH – erneut – entscheiden.
Zum Stand der Kritik:

  •  Unschlüssig ist in jedem Fall, dass die deutsche Zollverwaltung bei nachträglichen pauschalen Gutschriften nicht von
    einer Preisbeeinflussung ausgeht und daher im Ergebnis eine Einfuhrabgabenerstattung ablehnt.
  • Das FG München hat nun mehrfach entschieden, dass auch bei Anwendung der Schlussmethode nachträgliche pauschale Anpassungen (Gutschriften oder Nacherhebungen) den Zollwert nicht beeinflussen.13
  • Der BFH hat das bestätigt.14 Zu berücksichtigen seien pauschale Anpassungen nur, wenn bei Anmeldung bereits alle späteren Ab- oder Zuschläge konkret quantifizierbar sind.

    Im Ergebnis müssen die typischen VP-Anpassungen in deutsch-schweizer Konzernen für den Zollwert unberücksichtigt bleiben. Die deutsche Zollverwaltung verschliesst sich derzeit noch dieser klaren Erkenntnis der Rechtsprechung.


Vorsorge und Zollprüfungen
Ideal wäre nun bis auf Weiteres pauschale Nachbelastungen zu vermeiden. Sind pauschale Nachbelastungen zu erwarten, wäre die oben erwähnte Vorsorge zu treffen um später nachweisen zu können, dass die vereinbarten Preise nicht von der Verbundenheit der Unternehmen beeinflusst waren. Für diese Zwecke ist es empfehlenswert ein Transfer Pricing Agreement (TPA) zwischen den verbundenen Unternehmen abzuschliessen, in dem die Nachbelastungen von Vorneherein «ex ante» dokumentiert sind.15 
Kann die Finanzverwaltung die Beeinflussung durch die Verbundenheit der Unternehmen nicht feststellen, kommt die Transaktionswertmethode zur Anwendung, die eine nachträgliche Zollwertkorrektur verbietet. Um dies zu erreichen ist es empfehlenswert, die VP regelmässig unterjährig im Rahmen von Soll-Ist-Vergleichen zu überprüfen und bei Abweichungen von den identifizierten Benchmarkingwerten frühzeitig ex ante anzupassen.16 Damit kann nicht nur die Preisbeeinflussung durch die Verbundenheit widerlegt, sondern es können ggf. auch spätere Anpassungen vermieden werden. 
Im Rahmen von Zollprüfungen untersucht die Zollverwaltung die VP für die eingeführten Waren, wenn Anhaltspunkte für eine Preisbeeinflussung vorliegen.17 Ein solcher kann vorliegen, sofern die VP nachträglich erhöht werden oder die Preise an konzerninterne Käufer niedriger sind als an fremde Dritte. In diesem Fall muss der Einführer nachweisen, dass die VP trotz dieser Anhaltspunkte nicht durch die Konzernverbundenheit beeinflusst sind. Dies kann – sofern vorhanden – durch die Vorlage der VP-Dokumentation18 erfolgen, deren Erstellung im Übrigen auch von der Zollprüfung mit einer Frist von aktuell 60 Tagen verlangt werden kann.19 
Im Falle späterer pauschaler Gutschriften kann nicht mit einer Einfuhrabgabenerstattung gerechnet werden. Ob produkt- oder produktgruppenspezifische (also nicht «pauschale») Nachbelastungen eine Lösung sein können, wird unterschiedlich gesehen:20 Offenbar gibt es Fälle, in denen die Zollverwaltung nachträglich Erstattungsanträge bewilligt hat, wenn die spätere Preisänderung vor den jeweiligen Einfuhren vertraglich nach Grunde und Höhe vereinbart war. Und zwar so, dass feststand, nach welchen Kriterien die Anpassung ggf. erfolgen wird.21 Nimmt man allerdings die bisherige BFH-Rechtsprechung beim Wort, wäre auch gegen derartige Anpassungen einzuwenden, dass eine konkrete Quantifizierbarkeit zum Zeitpunkt der Anmeldung fehlt. Es liegt in der Natur der nachträglichen Anpassungen, dass deren Höhe von Faktoren abhängt, die erst nach der Anmeldung ermittelt werden können.


Einspruchsverfahren
Erhebt die Zollverwaltung Einfuhrabgaben aufgrund pauschaler Nachbelastungen nach, sollte unbedingt Einspruch eingelegt werden, um die Bestandskraft der Bescheide zu vermeiden. Die Handhabe der deutschen Zollverwaltung wird, wie oben dargestellt, von den deutschen Finanzgerichten nicht akzeptiert. 
Im Falle nachträglicher pauschaler Gutschriften, wird ein (Teil-)Erstattungsantrag der Einfuhrabgaben beim Zoll keinen Erfolg haben. Ob eine Klage vor dem Finanzgericht im Einzelfall Sinn macht, müsste individuell geprüft werden.


Nachmeldungen
Schwieriger als die Empfehlung, Rechtsbehelfe einzulegen, ist die Frage zu beantworten, ob derzeit bei nachträglichen Nachbelastungen eine Korrektur der Zollanmeldungen seitens der Anmelder erfolgen sollte.22 Trotz aller Umstände und Unsicherheiten, mit denen eine derartige Nachmeldung regelmässig verbunden ist, muss wohl grundsätzlich hierzu geraten werden: Die Sicht der Zollverwaltung ist klar und fordert diese Korrektur. Die Sicht der nationalen Rechtsprechung ist derzeit noch nicht derart gefestigt, dass man ein Untätigbleiben damit rechtfertigen könnte.


Fazit
Während die für Vertriebsgesellschaften bevorzugten gewinnorientierten VP-Methoden der fremdüblichen konzerninternen Einkommensverteilung dienen, sind Zollwerte transaktionsbezogen. Dieser Zielkonflikt führt insbesondere bei Anwendung der TNMM mit VP-Nachbelastungen zur potentiellen Zollnacherhebung. Da das FG München derartige Nacherhebungen ablehnt, sollten entsprechende Nacherhebungsbescheide bis zu einer höchstrichterlichen Klärung offen gehalten werden. Zudem sollten bei nachträglichen Anpassungen weiterhin korrigierte Zollanmeldungen eingereicht werden. Zur Vorsorge empfiehlt es sich, Nachbelastungen «ex ante» in einem TPA zu dokumentieren und die Lieferpreise regelmässig bereits unterjährig über Soll-Ist-Vergleiche anzupassen.

1 Vgl. hierzu Ruh, CH-D Wirtschaft 1/2023, 10.
2 Vgl. Scheller/Vonderbank, ISR 2024, 66.
3 Umsetzung im nationalen Recht in § 1 Abs. 1 S. 1 AStG.
4 Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise (VWGVP)
vom 03.06.2023, BStBl. I 2023, 1093; vgl. hierzu
Ruh, CH-D Wirtschaft 1/2023, 10.
5 vgl. zur Anwendung der VPRL in der Schweiz Tarolli,
CH-D Wirtschaft 1/2023, 14.
6 Vgl. zur Praxis der TNMM Vögele/Borstell/van der Ham,
Verrechnungspreise, 6. Auflage 2024, Kapitel 3, Tz. 401ff.
7 Tz. 3.42 der VWG-VP.
8 Vgl. zur Praxis der PSM Vögele/Borstell/van der Ham,
a.a.O., Kapitel 3, Tz. 466 ff. sowie Bonna/Burgstaller/
Faßbender/Frehner/Wolff-Seeger TPI 2021, 255.
9 Vgl. hierzu auch den Sachverhalt im nachfolgend erläuterten
EuGH-Urteilsfall (Hamamatsu).
10 Überblick zur aktuellen Rechtslage s. auch Burret,
Rechtsprechungsreport zum Zollrecht und Einfuhrumsatzsteuerrecht
2022, ZfZ 2023, 8, 230.
11 EuGH, Urt. v. 20.23.2017 – C- 259/16 (Hamamatsu),
ZfZ 2018, 68.
12 Vgl. Vonderbank, ZfZ 2023, S. 198ff., S. 207.
13 FG München, Urt. v. 15.11.2018 – 14 K 2028/18, ZfZ
2019, 88; v. 27.10.22 – 14 K 588/20, juris (Revision
beim BFH unter VII R 36/22).
14 BFH, Urt. v. 17.05.2022 – VII R 2/19, ZfZ 2022, 367;
ob der BFH seine Ansicht zu nachträglichen Gutschriften
auch auf Nachbelastungen übertragen
wird, wird teilweise bezweifelt vgl. Vögele/Borstell/
van der Ham, a.a.O., Kap. 33, Tz. 257.
15 Vgl. Vögele/Borstell/van der Ham, a.a.O., Kapitel 33
Tz. 259.
16 Vgl. Scheller/Vonderbank, ISR 2024, 66, 69.
17 Vgl. hierzu ausführlich Scheller/Vonderbank, ISR
2024, 66, 68f. sowie Eberhard, CH-D Wirtschaft
1/2022, 27.
18 Vgl. zu den Inhalten einer VP-Dokumentation Ruh,
CH-D Wirtschaft 1/2023, 10.
19 Diese Frist wird mit Wirkung ab 2025 auf 30 Tage
verkürzt.
20 So wohl auch Eder/Dehn, BB 2019, 1238, 1242;
Bärsch/Babu, IWB 2023, 321, 326.
21 Scheller/Vonderbank, ISR 2024, 68.
22 Zur entsprechenden Pflicht gemäss § 152 AO vgl.
Eder/Dehn, BB 2019, 1238, 1242.



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