Homeoffice wegen Corona
26. Jan 2021, Recht & Steuern | Grenzgänger

Covid-19 Pandemiezeitraum

Konsultationsvereinbarung vom 11.06.2020 für Grenzgänger und Arbeitnehmer, die unter die 60-Tage-Regelung fallen. Erläuterungen zur proportionalen Kürzung der 60-Tage-Regelung.

Arbeitnehmer mit Wohnsitz in Deutschland und Anstellungsverhältnis bei einem schweizerischen Arbeitgeber haben in den letzten Wochen verstärkt Post von ihrem örtlich zuständigen Wohnsitzfinanzamt erhalten. Im Rahmen der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen muss bereits noch in diesem Jahr geklärt werden, welche Auswirkungen die Corona-Pandemie und die damit verbundene Grenzschliessung sowie die Lockdown-Phasen in den Unternehmen auf die Grenzgängereigenschaft des Mitarbeiters haben. Besonders aufpassen müssen Mitarbeiter, die bisher von der 60-Tage-Regelung Gebrauch gemacht haben, um sich aus der Grenzgängereigenschaft zu befreien. Diesbezüglich liegt ein Schwerpunkt der Dokumentations- und Nachweispflichten bei der zuständigen Personalabteilung oder dem jeweils zuständigen Schweizerischen Steuerexperten oder Treuhänder; dies jeweils in Zusammenarbeit mit dem für die deutsche Seite zuständigen Steuerberater.

Um die Auswirkungen der Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für diesen Personenkreis möglichst gering zu halten, haben Deutschland und die Schweiz am 11. Juni 2020 eine Konsultationsvereinbarung abgeschlossen.

Da die COVID-19-Pandemie derzeit sowohl Unternehmen als auch deren Mitarbeiter sehr stark fordert, ist die Konsultationsvereinbarung glücklicherweise von dem Anliegen geleitet, das Ausmass der persönlichen Belastungen für alle grenzüberschreitend tätigen Arbeitskräfte möglichst gering zu halten. Über die Inhalte und das Regelwerk der Konsultationsvereinbarung möchten wir nachfol- gend einen Überblick verschaffen.

1. Keine Auswirkungen für Grenzgänger

Pandemiebedingte Homeoffice- bzw. Freistellungstage werden im Rahmen einer Fiktion als Arbeitstage am Arbeitsplatz beim Schweizer Arbeitgeber qualifiziert. Das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates bleibt somit für Deutschland erhalten. Diese Tage führen nicht zu sogenannten «Nichtrückkehrtagen». Die Quellensteuer in Höhe von 4,5% wird weiterhin vom Arbeitgeber einbehalten. Für Arbeitstage, die unabhängig von diesen Massnahmen am Wohnsitz verbracht worden wären oder arbeitsfrei gewesen wären, gelten diese Regelungen grundsätzlich nicht.

2. Übernachtungen in der Schweiz

Verbleibt eine Arbeitskraft auf Grund der Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie in dem Vertragsstaat, in dem sich ihr Arbeitsort befindet, und trägt der Arbeitgeber in diesem Zusammenhang Wohn- oder Übernachtungskosten, führt dies nicht zu Tagen, an denen die Arbeitskraft aufgrund der Arbeitsausübung nicht an den Wohnsitz zurückkehrt. Da somit im Rahmen dieser Fiktion keine «beruflich bedingten Nichtrückkehrtage» vorliegen, bleibt die (ggf. nachteilige) Grenzgängereigenschaft erhalten.

3. 60-Tage Regelung – proportionale Kürzung

Die Grenzgängereigenschaft entfällt, wenn die Arbeitskraft bei einer Beschäftigung während des gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund der Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt. Praktiker sprechen bei diesem Personenkreis von Wochenaufenthaltern, unechten Grenzgängern bzw. 60-Tage-Reglern. In der Konsultationsvereinbarung wurde für diese Gruppe geregelt, dass der Zeitraum, in dem eine Arbeitskraft von Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie betroffen ist, bei der Prüfung der Grenzgängereigenschaft nicht berücksichtigt wird. Daher ist eine proportionale Kürzung der Grenze von 60 Arbeitstagen um 60/366 (bzw. 0,1639) für diese Arbeitstage für den übrigen Zeitraum des Kalenderjahres vorzunehmen. In der Praxis ist in der Regel der Zeitraum, in dem pandemiebedingt im Homeoffice gearbeitet wurde und coronabedingte Freistellungstagevorliegen,hierfürmassgeblich. Vom Arbeitgeber muss im Besteuerungsverfahren ein Nachweis der COVID-19-bedingten Kalendertage durch eine gestempelte und unterschriebene Bestätigung erbracht werden. Für das Jahr 2020 wird bei der proportionalen Kürzungsmethode aufgrund des Schaltjahres von 366 Kalendertagen (nicht Arbeitstagen) ausgegangen.

Beispiel 1:
Betragen die von den Massnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie betroffen Kalendertage im Jahr 2020 insgesamt 183 Tage (somit ein halbes Jahr), kürzt sich die 60-Tage-Regelung auf 30 Tage herunter. Der Rechenweg stellt sich wie folgt dar:

  • 183 multipliziert mit 60/366 ergeben 30 zu kürzende Arbeitstage
  • Die 60 Tage kürzen sich auf 30 Tage.
  • Der Arbeitnehmer benötigt lediglich mehr als 30 Nichtrückkehrtage, um sich aus der Grenzgängereigenschaft zu befreien.

Beispiel 2:
Arbeitnehmer Tüchtig ist bei der Firma X AG in der Schweiz beschäftigt und wohnt in Deutschland. In den Vorjahren war er immer Grenzgänger. Folgende Arbeitsorte haben sich ergeben:

  • vom 11.03.–31.03.2020 wegen COVID-19 auf Anweisung des Arbeitgebers im Homeoffice
  • vom 01.04.–15.04.2020 tatsächlich auf Dienstreise in Polen
  • vom 16.04.–30.04.2020 regulär im Büro in der Schweiz tätig
  • vom 01.05.–30.06.2020 wegen COVID-19 auf Anweisung des Arbeitgebers (wegen Grenzschliessung) im Homeoffice

Der persönliche COVID-19 Zeitraum war vom 11.03–31.03.2020 (21 Kalendertage) und vom 01.05–30.06.2020 (61 Kalendertage) somit insgesamt 82 Kalendertage.

Lösung:
Die 60-Tage-Grenze des Art. 15a Abs. 2 DBA ist für das Kalenderjahr 2020 um 14 Tage zu kürzen (82 Tage multipliziert mit 60/366 ergibt 13,44 zu kürzende Arbeitstage; eine Kürzung kann jedoch nur für volle Arbeitstage erfolgen, daher sind diese auf 14 Arbeitstage aufzurunden). Herr Tüchtig benötigt somit mehr als 46 Nichtrückkehrtage um sich aus der Grenzgängereigenschaft zu befreien.

Beispiel 3:
Arbeitnehmer Fleissig ist bei der Firma X AG in der Schweiz beschäftigt. In den Vorjahren war er immer Grenzgänger. Obwohl er die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstrecke mehr als 100 km beträgt und er diese Strecke regelmässig mit seinem Privatwagen zurücklegt, pendelt Herr Fleissig arbeitstäglich. Um seine Familie in Deutschland zu schützen, beschliesst er, vom 16.03.2020 bis 15.06.2020 in der Nähe seines Arbeitgebers ein Hotel in der Schweiz auf eigene Kosten zu beziehen. Von dort aus sucht er regelmässig seinen Arbeitgeber auf. In dieser Zeit kehrt er nicht an seinen deutschen Wohnsitz zurück. Ab dem 16.06.2020 bis zum Jahresende pendelt Fleissig wieder regelmässig von seinem Wohnort in Deutschland zu seinem Arbeitsort in der Schweiz. Bis zum 31.12.2020 unternimmt er noch diverse Dienstreisen in Deutschland und Frankreich, wodurch 36 Nichtrückkehrtage (40 Arbeitstage) entstehen.

Lösung:
Da Herr Fleissig pandemiebedingt vom 16.03.2020 bis 15.06.2020 nicht von seinem Arbeitsort an seinen Wohnsitz zurückkehrt, entspricht dieser Zeitraum auch dem Pandemiezeitraum. Dieser umfasst somit 92 Kalendertage. Folglich ist die 60-Tage-Grenze des Art. 15a Abs. 2 DBA für das Kalenderjahr 2020 um 16 Tage zu kürzen (92 Tage multipliziert mit 60/366 ergibt 15,08 zu kürzende Arbeitstage; eine Kürzung kann jedoch nur für volle Arbeitstage erfolgen, daher sind diese auf 16 Arbeitstage aufzurunden). Da die tatsächlichen Nichtrückkehrtage i.H. von 36 die gekürzte Grenze von 44 Nichtrückkehrtagen (60 NRT abzüglich 16 NRT) nicht übersteigen, ist die Grenzgängereigenschaft bei Herrn Fleissig zu bejahen. Der private Verbleib aus pandemiebedingten Gründen am Arbeitsort führt nach Tz. 1 Abs. 3 Satz 5 KonsV zu keinen NRT.

Bei Wochenaufenthaltern, die ihre Tätigkeit grundsätzlich am Firmensitz des Arbeitgebers in der Schweiz ausüben, bleiben Corona bedingte Homeoffice-Tage (in Deutschland) hingegen ohne negative Steuerfolgen in Deutschland. Diese Tage werden im Rahmen einer Fiktion so behandelt, als hätte die Tätigkeit an der vertraglich vereinbarten Tätigkeitsstätte in der Schweiz stattgefunden. Die Schweizer Besteuerung bleibt somit erhalten. Ein deutsches Besteuerungsrecht auf die Homeoffice-Tage entsteht nicht.

4. Handlungsempfehlung für die schweizerischen Arbeitgeber und deutsche Steuerberater

Für die Personalverantwortlichen bei den schweizerischen Arbeitgebern besteht in diesem Jahr noch dringender Handlungsbedarf. Für ihre Mitarbeiter mit Wohnsitz in Deutschland, die bisher nicht nach dem Grenzgänger-Tarif in Höhe von 4,5% abgerechnet wurden (Wochenaufenthalter bzw. «60-Tage-Regler»), muss – im Idealfall bereits vor dem Jahresende – geprüft werden,ob die Nichtrückkehrtage für das Jahr 2020 – nach dem oben skizzierten Rechenweg der proportionalen Kürzungsmethode – erreicht werden. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste rückwirkend für das Jahr 2020 eine Anpassung vom ordentlichen Tarif auf den Grenzgänger-Quellensteuertarif vorgenommen werden. Die bisher zu viel einbehaltene Quellensteuer kann jedoch nur bei den «ordentlichen» Lohnzahlungen bzw. den laufenden Vergütungen auf den 4,5%igen-Tarif korrigiert und rückerstattet werden. Dem Arbeitgeber muss hierfür die Ansässigkeitsbescheinigung [Gre-1], die beim deutschen Wohnsitzfinanzamt beantragt werden muss, vorgelegt werden. Sollten Bonuszahlungen und Sondervergütungen im Jahr 2020 – für das Jahr 2019 – ausbezahlt worden sein, sind diese von der Korrektur ausgenommen. Die Besteuerung wird hier analog wie im Vorjahr 2019 tarifiert. Die Anpassung des Quellensteuertarifs (ordentlich vs. Grenzgänger) empfiehlt sich immer über den Arbeitgeber abzuwickeln, da die Bearbeitung beim Steueramt deutlich länger dauert.

Die Mitarbeiter bzw. deren deutsche Steuerberater sollten parallel dazu mit dem örtlich zuständigen Wohnsitzfinanzamt in Deutschland in Kontakt treten, damit rechtzeitig – im Idealfall bereits zum IV. Quartal per 10.12.2020 – die (gesetzlich) zwingend notwendige Anpassung und somit Erhöhung der Einkommensteuer-Vorauszahlung in die Wege geleitet werden kann. Auch hier ist darauf zu achten, dass – parallel zur Korrektur in der Schweiz – Sonderzahlungen, die das Jahr 2019 betreffen, aus der Bemessungsgrundlage für die Vorauszahlungen 2020 ausgeschieden werden.

5. Sozialversicherung

Bezüglich der Sozialversicherung konnten sich beide Länder für das Jahr 2020 auf eine für Arbeitnehmer praxisfreundliche Lösung einigen. Wird in Folge der Corona-Pandemie vorübergehend durch Homeoffice-Tätigkeiten die (bisher) massgebliche Grenze von 25 % der Gesamtarbeitszeit in Deutschland überschritten, ändert sich der sozialversicherungsrechtliche Status nicht. Die AHV- und Pensionskas-enpflicht in der Schweiz bleibt für Grenzgänger und Wochenaufenthalter erhalten.




Schliessen Button
Immer erstklassig informiert

Melden Sie sich für den Newsletter der Handelskammer Deutschland-Schweiz an.