AG oder GmbH – in Deutschland und in der Schweiz
Die Bundesstatistiken zu den gegründeten Rechtsformen im Überblick:
- GmbH
- Deutschland: 545.352
- Schweiz: 86.741
- AG
- Deutschland: 7.747
- Schweiz: 114.515
Deutsche GmbH
Die Tendenz in Deutschland neigt deutlich zur Rechtsform der GmbH. Am deutschen Wirtschaftsmarkt geniesst die GmbH einen guten bis sehr guten Ruf. Sie steht für Vertrauen und Seriosität. Der deutsche Mittelstand – grösster Anteil am deutschen Wirtschaftsleben – identifiziert sich mit der GmbH. Für die Auswahl dieser Rechtsform spielen folgende Faktoren eine Rolle:
- Der geringere Kapital- und Gründungsaufwand macht die GmbH für deutsche Investoren attraktiver. Der Kapitalbedarf bei der Gründung einer AG beträgt 50.000 Euro. Bei der GmbH wird nur halb so viel Stammkapital benötigt.
- Die AG besteht zwingend aus drei Organen, die GmbH nur aus zwei.
- Die Gesellschafterversammlung und Geschäftsführung als Organe der GmbH können stets aus ein und derselben Person bestehen. Die AG muss schon allein den Aufsichtsrat als Kontrollorgan mit drei Personen besetzen.
Schweizer AG
Der Schweizer Unternehmer wiederum identifiziert sich mit der Rechtsform der Aktiengesellschaft. Auf dem Schweizer Wirtschaftsmarkt hat die AG das bessere Image. Die Gründe dafür sind:
- Die komplette Anonymität der Inhaber (Aktionäre) und die vollständige Trennung zwischen Inhaber und Geschäftsleitung.
- Die hohe Flexibilität der Übertragung der Inhaberanteile (Aktien).
- Sofern genügend Kapital vorhanden, kann ein weiteres Kriterium für die AG das Mindestkapital von 100.000 Schweizer Franken sein. Denn in der Schweiz gilt: wer mehr Geld reinsteckt, zählt als «solider». Dem gegenüber steht die Schweizer GmbH mit einem Mindeststammkapital von 20.000 Schweizer Franken.
- Für den Unternehmer ist die Schweizer Aktiengesellschaft – gerade auch als Alleinstarter – eine attraktive und solide Option in den Markt einzusteigen.
Die Schweizer Aktiengesellschaft kennt drei Organe: den Verwaltungsrat, die Generalversammlung und die Revisionsstelle. Verwaltungsrat und die Generalversammlung kann mit ein und derselben Person besetzt sein. Eine separate Geschäftsführung neben dem Verwaltungsrat ist zwar kein zwingendes Organ, wird jedoch in der Praxis stets eingesetzt. Bei Aktiengesellschaften, die weniger als zehn Mitarbeiter beschäftigen, kann von der Generalversammlung bei Einstimmigkeit ein sogenanntes «Opting-Out» beschlossen werden – wonach auf eine Revisionsstelle verzichtet wird.
Ausländische Investoren
Nach deutschem Recht besteht keine besondere Erfordernis hinsichtlich Wohnsitz und Nationalität der Investoren. Auch bei der Bestellung eines ausländischen Geschäftsführers einer deutschen GmbH gibt es keine besonderen persönlichen Anforderungen. Der Wirksamkeit der Bestellung des Geschäftsführers steht nicht entgegen, dass dieser infolge der Staatsangehörigkeit seinen gesetzlichen Pflichten als Geschäftsführer nicht ohne weiteres nachkommen kann.
Nach Inkrafttreten des MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen) geht die deutsche Rechtsprechung davon aus, dass die Bestellung nicht von der jederzeitigen Möglichkeit zur Einreise nach Deutschland abhängig ist. Aus diesem Grund ist für ausländische Investoren die GmbH als Rechtsform durchaus praktikabel. Der deutsche Markteinstieg wird dadurch einfach und attraktiv zu gleich.
In der Schweiz wurden im Rahmen der Globalisierung die Nationalitätserfordernisse gelockert. Das schweizerische Aktienrecht kennt keine Anforderungen mehr an die Nationalität des Verwaltungsrats. Somit können sämtliche Mitglieder des Verwaltungsrats «Nicht-Schweizer» sein. Nur mindestens ein Verwaltungsrat muss den Hauptwohnsitz in der Schweiz haben und einzelzeichnungsberechtigt sein. Zudem ist eine Zusammensetzung möglich, bei der zwei Mitglieder des Verwaltungsrates jeweils eine Kollektivunterschrift haben. Vor allem bei einer internationalen Zusammensetzung des Verwaltungsrates kommt dieser Schweizer Vertretung ganz besondere Bedeutung zu. Dies ist immer dann der Fall, wenn Ansprüche aus der Organhaftung an den Gesamt-Verwaltungsrat gestellt werden.
Obliegenheiten
Der Geschäftsführer einer deutschen GmbH hat in erster Linie seinen Treue- und Sorgfaltspflichten gegenüber der Gesellschaft nachzukommen. Sorgfaltsmassstab für die Erfüllung seiner Aufgaben ist dabei gemäss § 43 GmbHG die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes. Er ist zudem verantwortlich für die ordnungsgemässe Führung der Bücher und hat gegenüber den Gesellschaftern eine Auskunfts- und Informationspflicht.
Der Verwaltungsrat in der Schweizer AG hat die Funktion der Geschäftsführung. Die unentziehbaren und unübertragbaren Aufgaben des Verwaltungsrats sind im Schweizer Obligationsrecht in Art. 716a geregelt. Der klare Wortlaut «unübertragbar» und «unentziehbar» bedeutet für den neu gewählten Verwaltungsrat, dass er das Geschäftsmodell kennen muss. Er muss aber auch die wichtigsten strategischen Gesichtspunkte und Verantwortungen selbst wahrnehmen. Eine Delegation dieser Oberaufsicht ist nicht möglich.
Die Pflichten und Aufgaben des Verwaltungsrats sind vergleichbar mit den Pflichten und Aufgaben der Geschäftsführung einer deutschen GmbH.
Haftungsrisiken
Der Geschäftsführer einer deutschen GmbH unterliegt zahlreichen Haftungsrisiken. Dies gilt gleichermassen im Aussen- als auch im Innenverhältnis.
Haftungsträchtige Bereiche sind:
- Die Pflicht zur Erhaltung des Stammkapitals. Der Geschäftsführer haftet persönlich für Auszahlungen an Gesellschafter, die das Stammkapital der GmbH ohne vollwertigen Gegenleistungsanspruch beeinträchtigen.
- Das «Kreditverbot» an den Geschäftsführer. Wird durch die Kreditgewährung das satzungsmässige Stammkapital gemindert, haftet der Geschäftsführer ebenfalls für den entstandenen Schaden.
- Der Geschäftsführer hat die Liquidität der Gesellschaft stets zu prüfen und hat Zahlungen zu vermeiden, die die GmbH in die Krise führen. Hinzu kommt die besondere Haftung während der Insolvenz der GmbH. Stellt der Geschäftsführer im Falle der Überschuldung nicht rechtzeitig den Insolvenzantrag, kann er gegenüber den Gläubigern der GmbH für entstandene Schäden haftbar gemacht werden.
- Das ständige Überwachen der finanziellen Situation der GmbH ist zwingend für den Geschäftsführer. Es existiert für ihn neben dem Haftungsrisiko gegenüber der Gesellschaft auch hohes Haftungspotential gegenüber dem Fiskus und den Sozialversicherungsträgern. Werden die steuerlichen Pflichten vom Geschäftsführer nicht erfüllt, steht ebenfalls eine persönliche Haftung im Raum. Diese ist beschränkt auf vorsätzliches und grob fahrlässiges Verhalten des Geschäftsführers. Zudem können strafrechtliche Konsequenzen auf den Geschäftsführer zukommen.
Das Haftungspotential des Schweizer Verwaltungsrats ist identisch mit der Haftung eines Geschäftsführers. Man spricht von einer «Organhaftung»:
- Mitglieder des Verwaltungsrates, mit der Geschäftsführung oder Revision befassten Personen (Organe) können für Schäden persönlich in Haftung genommen werden, die sie durch Verletzung ihrer Pflichten verursachen. Die sogenannte aktienrechtliche Verantwortung unterscheidet Haftungstypen, die in bestimmten Stadien des Unternehmens – beziehungsweise je nach Funktion des Haftenden – aktuell werden.
Fazit
Deutsche Unternehmer sollten sich bei Investitionen der Bedeutung der AG in der Schweiz bewusst sein. Zu beachten ist, dass sich sämtliche Aufgaben des deutschen Vorstands und Aufsichtsrats im Organ des Schweizer Verwaltungsrats vereinen.
Schweizer Unternehmer können hingegen bei Investitionen in Deutschland auf den guten Ruf der GmbH vertrauen. Hierbei st zu beachten, dass dem Verwaltungsrat keine vergleichbare Bedeutung zukommt. Haftungsrisiken spielen sich vielmehr in der Geschäftsführung einer GmbH – beziehungsweise im Vorstand einer AG – ab.