Rückblick
Mit dem Urteil entschied der EuGH, dass die deutsche Wegzugsbesteuerung (§ 6 Aussensteuergesetz, hiernach AStG) gegen das Freizügigkeitsabkommen (FZA) und damit gegen die Grundfreiheiten zwischen der EU und der Schweiz verstösst. Der EuGH bestätigte somit unsere Einschätzung, dass Wegzügler in die Schweiz durch die bisher fehlende zinslose Stundung in ihrer Personenfreizügigkeit ungerechtfertigt benachteiligt werden.
Konkret ging es hierbei um die Stundung der Besteuerung auf dem fiktiven Gewinn aus dem Vermögenszuwachs beim Halten einer Beteiligung an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft von mindestens 1% im Falle des Wegzuges aus Deutschland in die Schweiz. Hierbei handelt es sich um eine Fiktion, da kein tatsächlicher Verkauf stattfindet. Somit muss der Steuerpflichtige trotz fehlenden Liquiditätszuflusses nach Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens 60% eines fiktiven Gewinns mit dem persönlichen Steuersatz besteuern. Bei einem Wegzug in einen EU / EWR-Staat besteht die Möglichkeit der zinslosen Stundung. Im Gegensatz hierzu besteht die Möglichkeit bei einem Wegzug in einen Drittstaat (bspw. die Schweiz) nicht.
Umsetzung der deutschen Finanzverwaltung
Die Reaktion des Gesetzgebers ist überraschend. Das Bundesministerium für Finanzen stellte in einem kurzen Schreiben am 13.11.2019 klar, dass abweichend zu den EU / EWR-Staaten nicht § 6 Absatz 5 AStG Anwendung findet, sondern vielmehr:
- Die Zahlung in 5 gleichen Jahresraten zu erfolgen hat und nach § 234 AO zu verzinsen ist.
- Ohne dass es auf eine erhebliche Härte bei alsbaldiger Einziehung ankommt und
- ohne Sicherheitsleistung, es sei denn, der Steueranspruch erscheint - zum Beispiel mangels Beitreibungshilfe - gefährdet.
Praxishinweis
Das bedeutet in der Praxis, dass die deutsche Finanzverwaltung wieder einmal versucht die Freizügigkeit für erwerbsbedingte Wegzügler in die Schweiz einzuschränken, um die Rechtsfolgen aus dem Urteil des EuGHs zu umgehen.
Für Wegzügler bedeutet dies konkret, da von der Schweiz keine Beitreibungshilfe geleistet wird, dass eine Sicherheitsleitung in Höhe der festgesetzten Steuer in 5 gleichen Jahresraten zu tilgen ist. Zusätzlich findet eine Verzinsung der sog. „Stundung“ statt. Im Grunde genommen entspricht dies somit lediglich einer unflexiblen Ratenzahlung der Steuer und es ist in keiner Weise der Wille einer Gleichbehandlung zu erkennen.
Aber es kommt noch schlimmer
Am 10.12.2019 hat der deutsche Gesetzgeber eine Verschärfung in Form eines Referentenentwurfs zur sog. ATAD -1- Richtlinie der EU (Anti-Tax Avoidance Directive) vorgelegt. Es kommt zur kompletten Überarbeitung des § 6 AStG. Anwendung finden, soll dieser Entwurf bereits ab 2021.
Die wichtigsten Änderungen in Kürze sind:
- Verkürzung der Voraussetzung der vorangehenden unbeschränkten Steuerpflicht von 10 Jahren auf nunmehr 7 innerhalb eines Betrachtungszeitraums von 12 Jahren
- Gewinnausschüttungen oder Einlagenrückzahlungen ab 25% des Wertes der Anteile des Steuerpflichtigen führen zur sofortigen Fälligkeit der Steuer
- Keine Differenzierung mehr zwischen Wegzügen in EU / EWR Staaten, CH und Drittstaaten und ferner
- Wegfall der zinslosen Stundung auch bei Wegzügen in EU / EWR Staaten
- Keine Berücksichtigung mehr von Wertminderungen auch bei Wegzügen in EU / EWR Staaten
- Sicherheitsleistungen für alle Wegzüge durch Zahlung der Wegzugssteuer in 7 gleichen Jahresbeträgen
Anstatt eine Gleichbehandlung der Wegzügler in EU / EWR- Staaten und Drittstaaten, wie der Schweiz, im Sinne des EuGH Urteils herbeizuführen, dreht die Finanzverwaltung den Spiess um und verschärft die Regelungen für alle Wegzüge.
Lediglich einen Lichtblick gibt es in Bezug auf den vorübergehenden Wegzug. Hier entfällt die Wegzugsteuer nunmehr zukünftig auch bei einer vorübergehenden Landesabwesenheit von 7 bzw. bei berufsbedingter Landesabwesenheit bei 12 Jahren. Zuvor belief sich der Zeitraum lediglich auf 5 Jahre.