Der Schweizer Röstigraben
Die Schweiz ist bekannt für ihre Vielsprachigkeit und wird für das scheinbar mühelose Nebeneinander unterschiedlicher Kulturräume auf kleinstem Raum oftmals bewundert. Doch an der Sprachgrenze zur französisch-sprachigen Schweiz tut sich ein Graben auf: der so genannte Röstigraben.
Diese imaginäre Grenze soll nicht nur – wie der Name bereits erahnen lässt – die Verbreitungsdichte des urtypischen (Deutsch-)Schweizer Kartoffelgerichts verdeutlichen, sondern gilt vielmehr als feste Grösse in der Beurteilung von Abstimmungsergebnissen. Der Röstigraben kommt immer dann zum Einsatz, wenn das Stimmverhalten bei Volksabstimmungen in den Sprachregionen unterschiedlich ausfällt.
Gegenläufige Abstimmungsresultate lassen sich besonders bei Fragen der Aussen- und Sozialpolitik feststellen. Deutschschweizer und Tessiner stimmen häufiger wirtschaftsliberal und für eine restriktivere Migrations- und Ausländerpolitik als Westschweizer. Dies hat sich zuletzt deutlich bei mehrheitliche Ablehnung der Masseneinwanderungsinitiative in der Westschweiz gezeigt. Eine Analyse der Eidgenössische Technische Hochschule Lausanne über die Ergebnisse der letzten 245 eidgenössischen Volksabstimmungen hat gezeigt, dass sich die Beurteilung wichtiger politischer und sozialer Fragen beim Überqueren der Sprachgrenze tatsächlich massgeblich verändert.
Bei allen Unterschieden gibt es aber auch Gemeinsamkeiten – wie etwa die Rösti. Die bekommt man nämlich auch in der Westschweiz.
Deutschlands Weisswurstäquator
Auch Deutschland kennt eine solche Grenze: den Weisswurstäquator. Dieser trennt Süddeutschland respektive Bayern vom Rest des Landes, historisch gesehen vom übermächtigen Preussen. Auch hier lässt sich eine Sprachgrenze klar erkennen, nämlich die zwischen «Grüss Gott» und «Guten Tag».
Je nach Definition verläuft der Weisswurstäquator weiter im Süden oder Norden Deutschlands. Besonders populär sind folgende vier Einteilungsarten:
- 100 Kilometer Radius um München
- die Donaulinie
- der 49. Breitengrad
- die Mainlinie
Während die ersten beiden Einteilungsarten beachtliche Teile von Bayern ausschliessen, beinhalten die letzten beiden Auslegungen süddeutsche Gebiete ausserhalb von Bayern.
Kulinarisch gesehen zeigt der Weisswurstäquator übrigens auf, wo Würste mehrheitlich gebraten (Norden, Westen) und wo gebrüht (Süden, Osten) werden. Die gebrühte Weisswurst findet man vor allem in Altbayern – also in dem Teil des Freistaates, wo die Bajuwaren zu Hause sind und bairisch gesprochen wird. Ausgeschlossen sind damit Franken und Schwaben. So gesehen trifft der neunundvierzigste Breitengrad die imaginäre Grenze zumindest in Nord-Süd-Richtung am besten.
Tatsächlich wurde an der Grenzlinie im Bayrischen Wald bei Zwiesel nun sogar ein Denkmal für den Weisswurstäquator errichtet, inklusive der Möglichkeit zur Weisswurstverköstigung.
Regionale Gerichte als Kulturgut
Auch wenn diese Diskussion skurril erscheinen mag, so zeigt sie auch, dass Essen ein Kulturgut ist. Und letztlich verbindet es mehr, als dass es voneinander trennt.
(Bildquelle: © Meinzahn/iStockphoto)