Automatischen Informationsaustausch erfasst auch Lebensversicherungen
12. Jan 2016, Recht & Steuern | EU-Komission

Automatischer Informationsaustausch erfasst ab 2016 auch Lebensversicherungen

Der automatische Informationsaustausch zwischen der Schweiz und der EU wird umgesetzt. Ab 2016 werden die Daten gemeldet – technisch erfolgt die erste Meldung im September 2017. 

Was viele noch nicht wissen: Der automatische Informationsaustausch (AIA) erfasst prinzipiell auch Lebensversicherungen mit Steuerdomizil in einem AIA-Partnerstaat – wie die Schweiz, Liechtenstein oder Luxemburg. Gemeldet werden zum Beispiel auch deutsche Kunden mit einem entsprechenden Versicherungsvertrag. Dabei fallen unter anderem folgende Informationen an:

  • Kontosaldo
  • Barwert
  • Rückkaufwert
  • Auszahlungen

Sollten die Lebensversicherungen nicht den Anforderungen der deutschen Steuergesetze genügen, könnte dies weitreichende Konsequenzen für den Steuerpflichtigen haben.

1. Hintergrund

Mit der Einführung des AIA soll Steuertransparenz erreicht werden. Somit ist es für die Kunden – deren Daten von den teilnehmenden Staaten an die jeweiligen Finanzbehörden im Ausland weitergeleitet werden – ausschlaggebend, dass sie (zuvor) steuerehrlich sind. Ansonsten drohen mitunter strafrechtliche Konsequenzen mit Bussgeldern bis hin zu einer Haftstrafe.

Auch bei Versicherungen besteht das Risiko, dass die jeweiligen Policen nicht oder nur in Teilen den steuerlichen Anforderungen der deutschen Steuergesetze entsprechen. Daher sollten die Versicherungsverträge hinsichtlich entsprechenden steuerlichen Anforderungen zwingend geprüft werden.

2. Welche Versicherungskunden sind betroffen?

Vom AIA sind prinzipiell alle Lebensversicherungskunden mit Steuerdomizil in einem AIA-Partnerstaat betroffen – ausgenommen reine Risikolebensversicherungen. Dazu zählen in der Regel also auch deutsche Kunden, die einen Versicherungsvertrag mit einer Versicherungsgesellschaft in einem AIA-Partnerstaat von Deutschland abgeschlossen haben.

  • Ab 2016: EU (Ausnahme Österreich), Liechtenstein
  • Ab 2017: Schweiz, Österreich und weitere Staaten
3. Welche Beträge werden im Rahmen des AIA gemeldet?

Hinsichtlich bestehenden Versicherungsverträgen sind bestimmte Angaben zu melden – wie etwa die folgenden:

  • Kontosaldo
  • Barwert
  • Rückkaufwert
  • Auszahlungen (zum Beispiel Ausschüttungen)

Resultieren letztere zum Beispiel aus einer sogenannten «echten» Lebensversicherung, ist deren Meldung für den Kunden in der Regel mit keinen steuerlichen Konsequenzen verbunden. Bei einer «echten» Lebensversicherung handelt es sich um eine Versicherung, die die steuerlichen Anforderungen in Deutschland erfüllt. Allerdings könnte die deutsche Finanzverwaltung die Herkunft der Mittel beziehungsweise Vermögensherkunft (Vermögensstamm) prüfen – und hieraus etwaige Schlüsse ziehen und nachfragen. Die Verjährung ist zu prüfen.

Handelt es sich jedoch um Einkünfte aus sogenannten «unechten» Lebensversicherungen («Lebensversicherungsmantel»), kann eine Weitergabe der Daten mit strafrechtlichen Risiken für den Kunden verbunden sein. Um dies beurteilen zu können, ist eine steuerliche und rechtliche Würdigung der Versicherungspolicen des Kunden zwingend erforderlich.

4. Steuerliche und rechtliche Würdigung von Versicherungsverträgen

Wie Lebensversicherungen im Detail in Deutschland besteuert werden, hängt im Kern vom Abschluss des jeweiligen Versicherungsvertrags ab. Für eine entsprechende steuerliche Würdigung nach deutschem Steuerrecht, ist eine rechtliche Einordnung der jeweiligen Versicherung regelmässig notwendig.

So kann es zum Beispiel sein, dass der Kunde zwar eine Lebensversicherung nach ausländischem Recht besitzt, diese jedoch nicht die Voraussetzungen für das deutsche Steuerrecht erfüllt – und damit in Deutschland nicht als Lebensversicherung gilt. In einem solchen Fall könnte etwa ein sogenannter «Lebensversicherungsmantel» vorliegen. Das bedeutet, der wirtschaftlich Berechtigte hat seine Einkünfte im Rahmen der jährlichen Einkommensteuererklärung zu deklarieren und zu versteuern.

5. Mögliche Kriterien zur Einordnung einer Versicherung nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung
    1. Bei einem sogenannten «vermögensverwaltenden Versicherungsvertrag» handelt es sich um einen «Versicherungsmantel». Hierfür sprechen unter anderem folgende Kriterien:
      • gesonderte Verwaltung von Kapitalanlagen
      • keine Begrenzung auf öffentlich vertriebene Investmentfonds
      • Einflussmöglichkeiten des wirtschaftlich Berechtigten auf die Anlagepolitik – zum Beispiel wenn ein bereits vorhandenes Depot in einen Versicherungsvertrag eingebracht wird und bei der gleichen depotführenden Bank bzw. Vermögensverwalter verbleibt
      • Dies gilt für Verträge, die nach dem 31.12.2004 geschlossen wurden. Nach Auffassung der Finanzverwaltung könnten selbst «Altverträge» – mit Abschluss vor dem 1.1.2005 – unter Transparenzgesichtspunkten aufgegriffen werden.
    2. Es liegt kein Versicherungsvertrag vor, wenn der Vertrag – welcher zwischen dem 1.1.2005 und dem 31.3.2009 abgeschlossen wurde – keinen ausreichenden Risikoschutz enthält. Davon ist nach Auffassung der Finanzverwaltung insbesondere dann auszugehen, wenn bei Risikoeintritt nur eine Leistung der angesammelten und verzinsten Sparanteile zuzüglich einer Überschussbeteiligung vereinbart ist. Das bedeutet, wenn etwa der Auszahlungsbetrag 101 Prozent des Anlagevermögens zum Todeszeitpunkt betragen soll.
    3. Versicherungsverträgen mit Abschluss vor dem 1.1.2005 und nach dem 31.3.2009 muss ein Mindesttodesfallschutz im Rahmen der Police vorliegen.
      • Verträgen vor dem 1.1.2005: Todesfallschutz muss sich während der gesamten Laufzeit des Versicherungsvertrages auf mindestens 60 Prozent der Summe der nach dem Versicherungsvertrag für die gesamte Vertragsdauer zu zahlenden Beiträge belaufen.
      • Verträgen nach dem 31.3.2009: mindestens 50 Prozent der über die gesamte Laufzeit zu zahlenden Beiträge werden als Mindesttodesfallschutz vorausgesetzt.
    4. Selbst wenn kein sogenannter «Versicherungsmantel» vorliegt, kann bei Nicht-Erfüllung der zwingenden Voraussetzungen statt einer steuerlich begünstigten, eine steuerlich nicht begünstigte Versicherungsleistung vorliegen – zum Beispiel:
      • Vorliegen einer gegebenenfalls nicht begünstigen Versicherung bei Einmaleinzahlungen bei Vertragsbeginn – zum Beispiel Einbringung von Vermögen, welches zuvor auf einem Konto/Depot verwaltet wurde – beziehungsweise laufende Beitragszahlung über weniger als fünf Jahre, insofern der Vertragsabschluss vor dem 1.1.2005 erfolgte.
      • Die Mindestvertragslaufzeit der Versicherung von 12 Jahren muss gegeben sein.
6. Handlungsbedarf

Um auszuschliessen, dass – aktuell oder in der Vergangenheit – bereits steuerpflichtige Erträge trotz einer Versicherung realisiert und nicht versteuert wurden, sollte rechtzeitig eine entsprechende Überprüfung der Versicherungspolicen erfolgen. Liegen bereits steuerpflichtige Erträge vor, empfiehlt sich eine zeitnahe Rückkehr zur Steuerehrlichkeit – um Überraschungen aus dem AIA zu vermeiden. In Deutschland kann dies zum Beispiel mit dem Instrument der Selbstanzeige erwirkt werden.

(Bildquelle: © DNY59/iStockphoto)




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