Ticino: Lugano
6. Nov 2013, Finanzen | Lugano

Ein Finanzplatz zwischen Tradition und Innovation

Lugano steht für Kompetenz, Internationalität, Leistung und Lebensqualität. Die kleinere Schwester von Zürich und Genf braucht damit den Vergleich nicht zu scheuen.

Seit vielen Jahren ist der Finanzsektor ein äusserst wichtiger Wirtschaftszweig im Kanton Tessin. Aktuell generiert er einen Bruttomehrwert von 2.3 Milliarden Franken bzw. 10% des kantonalen BIP. Mit mehr als 10.000 Fachkräften - ohne Berücksichtigung der branchennahen Angestellten - ist der Sektor auch wirtschaftlich mehr als relevant. Allein Lugano zählt über 60 Hauptsitze von Bankinstituten. Trotz langer Tradition erlebte der Tessiner Finanzplatz seinen grössten Aufschwung erst in den sechziger und siebziger Jahren. Ausschlaggebend waren in erster Linie italienische Private Banking-Kunden, die aufgrund der damaligen politischen Verhältnisse in ihrer Heimat ins Tessin kamen. Hierfür spielte zweifellos die geografische Nähe und die kulturelle Affinität zur benachbarten Halbinsel eine beträchtliche Rolle. Weit entscheidender waren aber jene Werte, die ohnehin traditionell mit der Schweiz in Verbindung gebracht werden. Dazu zählen solide politische Verhältnisse, stabile wirtschaftliche und monetäre Rahmenbedingungen sowie Rechtssicherheit. Nicht zuletzt überzeugte auch die Professionalität der Vermögensverwalter, deren Fertigkeiten sich parallel zum Wachstum des Finanzplatzes stetig weiter entwickelten. 

Damit lag der Motor für die sprunghafte Entwicklung in der Kombination der Private Banking-Leistungen für die zahlreich zuziehende italienische Kundschaft. Und Lugano wurde in kurzer Zeit zum drittgrössten Finanzplatz der Schweiz – nach Zürich und Genf. In den letzten Jahren hat sich diese Bindung jedoch stark gelockert, insbesondere seit zahlreiche neue Märkte zugänglich wurden, etwa in Osteuropa, Südamerika und im gesamten Mittelmeerraum. Zudem haben sich im Tessin seit der Jahrtausendwende ganz neue Finanzdienstleister angesiedelt, u.a. eine beachtenswerte Gemeinschaft von internationalen Asset Managern und eine kleine, aber bedeutende Gruppe von commodity trading-Gesellschaften.

Mehr als ein attraktiver Finanzplatz

Der Erfolg von Lugano und des gesamten Tessiner Finanzplatzes darf keineswegs nur den vorteilhaften, typisch schweizerischen Rahmenbedingungen zugeschrieben werden. Ausschlaggebend waren ausserdem: spezialisierte Rechtskanzleien, wettbewerbsfähige ICT-Infrastrukturen, generell hohe Sicherheitsstandards. Nicht zuletzt spielten auch die schlanke und effizient arbeitende Verwaltung sowie der einfache und persönliche Zugang zu Institutionen eine Rolle. Und schliesslich ist das Tessin auch dank seiner hohen Lebensqualität zu einem begehrten Lebensraum für Finanzspezialisten geworden - mit einem ausgezeichneten  Gesundheitswesen, guten öffentlichen Verkehrswegen, Sicherheit und exzellenten Ausbildungsmöglichkeiten. Zu all dem bietet das Tessin eine gewisse italienische Note mit einem angenehmen, vom Mittelmeer beeinflussten Klima. Nicht umsonst spricht man auch gerne von der «Sonnenstube der Schweiz».

In zentraler Lage

Der südlichste Kanton der Schweiz ist im wahrsten Sinn des Wortes Brücke zwischen Nord und Süd in Europa. Nur zwei Autostunden von Zürich entfernt, liegt das Tessin unmittelbar am Zugang zum grossen Wirtschaftsraum Lombardei. 

Mailand, die lombardische Hauptstadt, ist das wichtigste Zentrum der italienischen Wirtschaft. Die attraktive Weltstadt liegt nur 60 km entfernt vom Tessin. Der AlpTransit ist der längste Eisenbahntunnel der Welt und wird diese wichtige Nord-Süd-Verbindung noch stärken. 

Bereits heute profitiert der Kanton Tessin vom Flughafen in Lugano für nationale (Zürich und Genf) sowie internationale Destinationen, und ist auch gut an den Flughafen Milano Malpensa angebunden.

Die Zeichen stehen auf multinational

Die internationale Ausrichtung seines Finanzplatzes macht das Tessin zu einem Ort, der mit der ganzen Welt eng verbunden ist. So passiert es nicht selten, dass man während eines Spaziergangs mitten im Finanzzentrum des Kantons auf russische oder arabische Finanzspezialisten trifft. Sie sind fest in die städtische Gemeinschaft integriert und ihre Kinder besuchen internationale Schulen vor Ort. Zusätzlich ist die renommierte Universität der italienischen Schweiz (Università della Svizzera italiana, USI) oder das Centro di Studi Bancari eine attraktive Anlaufstelle für Studenten aus aller Welt. Sie alle tragen entscheidend dazu bei, neue Kompetenzen zu schmieden und eine permanente Aus- und Weiterbildung zu sichern - eine wichtige Grundlage für anhaltenden Wachstum.

Tessiner Finanzplatz bleibt zukünftig stark

Der gesamte Tessiner Finanzplatz verspricht lang anhaltend erfolgreich zu bleiben. Er setzt sich heutzutage nicht nur mit den Turbulenzen und epochalen Veränderungen auseinander, die alle Finanzmärkte betreffen, sondern arbeitet vielmehr intensiv daran, die eigenen Anforderungen an Spitzenleistungen zu halten, weiter zu entwickeln und auch breiter aufzustellen. Wenn das private banking auch in den kommenden Jahren unbestritten die treibende Zugkraft für den Platz ist und bleiben wird, so hat in den letzten 10–15 Jahren eine markante Diversifikation stattgefunden. Eine nicht geringe Anzahl von traditionellen und alternativen Vermögensverwaltern haben unterdessen den italienischsprachigen Kanton als Basis für ihre Tätigkeit gewählt - wie hedge fund und private equity. Ebenso entfalteten sich Dienstleistungen wie commodity trading und weitere Formen von trade finance. Sie bilden heute eine feine Nische. 

Zudem sind im Tessin rund siebzig Unternehmen im Bereich Rohstoffhandel tätig. Ursprünglich eine feste Domain des Genfer Platzes, haben sich die neuen Tessiner Händler weltweit eine markante Stellung im Handel erarbeitet - u.a. mit Stahl und anderen Metallen, Kohle oder auch mit so genannten soft commodities (Kaffee, Kakao, Zucker, Weizen usw.).

Um den Diversifikationsprozess zu unterstützen, riefen das kantonale Finanz- und Wirtschaftsdepartement, die Tessiner Bankiervereinigung sowie weitere «Seelen» des Finanzplatzes im Jahr 2011 den Verein Ticino for Finance ins Leben. Im Interesse von Tätigkeiten mit hohem Mehrwert will Ticino for Finance den Tessiner Finanzplatz sichtbarer und bekannter machen. In diesem Sinne berät der Verein gezielt Akteure, die gegebenenfalls ihre Tätigkeit im Tessin ausüben möchten, und wirkt als institutionelle Anlaufstelle zwischen den Interessenten und sämtlichen öffentlichen und privaten Partnern, die den Niederlassungsprozess operativ begleiten.

Konkret hält Ticino for Finance diverse Informationsunterlagen für die genannten Interessengruppen bereit, organisiert die nationale und internationale Medienarbeit, plant Events und Konferenzen in Form von passenden Plattformen für vielfältige und hochgradige one-to-one-Kontakte. Der persönliche Kontakt, die Begegnung und die Suche nach Lösungen, die die jeweils ganz spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse der Gesprächspartner erfüllen, stehen im Zentrum der Arbeitsweise von Ticino for Finance: Eine Strategie, die perfekt mit den Stärken des Finanzplatzes im Einklang steht. Die Nähe aller beteiligten Institutionen begünstigt den persönlichen Dialog und damit die rasche, einfache und individuelle Problemlösung. 

Tradition und Innovation, etablierte Geschäftsmodelle und Offenheit für neue Märkte – diese offensichtlich widersprüchlichen Aspekte miteinander in Einklang zu bringen, ist die zentrale Herausforderung, die der drittgrösste Finanzplatz der Schweiz in den nächsten Jahren zu meistern hat. Nur so wirkt der Finanzsektor weiterhin als Träger und Treiber für die gesamte Wirtschaft der Region.

Übersetzung: Daniel Heuer

Titelbild: Lugano mit Blick auf den verschneiten Monte Boglia

(Bildquelle: Copyright by Ticino Turismo Byline: swiss-image.ch/Enrico Boggia)




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