1. Was verstehen Sie als Versicherungsexperte unter dem Begriff Nachhaltigkeit?
MOSER: Unter Nachhaltigkeit verstehe ich persönlich eine langfristige ökonomische Wertschöpfung – verbunden mit dem vorausschauenden Konzept einer guten Unternehmensführung sowie ökologischer und sozialer Verantwortung.
Nachhaltigkeit ist eine strategisch geschäftliche Herausforderung, die einem stetigen Wandel unterliegt. Deshalb passen wir unsere Organisations- und Governance-Strukturen sowie den Umgang mit Nachhaltigkeitsthemen im Laufe der Zeit immer wieder an. Die Allianz hat 2012 als eines der ersten Unternehmen der weltweit ersten Unternehmen ein ESG-Board auf Geschäftsleitungsebene ins Leben gerufen (ESG: Environmental, Social and Governance). Das Gremium soll für die stärkere Einbindung von ökologischen und sozialen Aspekten in die Geschäftstätigkeit der Allianz sorgen.
2. In Bezug auf Nachhaltigkeit gelten Versicherungsunternehmen allgemein nicht unbedingt als Trendsetter. Wie erklären Sie sich das?
MOSER: Das kann ich so nicht bestätigen. Die Allianz zählt bereits seit vielen Jahren zu den führenden Versicherungsgesellschaften in diesem Bereich – und wurde erst kürzlich bereits zum 15. Mal in Folge zu den Top-Unternehmen im Dow Jones Nachhaltigkeitsranking gezählt. Das zeigt, wie tief das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen bereits verankert ist. Ich kann jetzt nicht für die gesamte Branche sprechen, aber vielleicht entspricht es dem Naturell eines Versicherers, zurückhaltend aufzutreten. Hier haben wir sicherlich noch Potenzial, denn unsere Branche tut sehr viel für eine nachhaltige Entwicklung.
Bild: Allianz Suisse Standort Wallisellen
3. Wird sich der Trend in der Versicherungswirtschaft weiter verstärken?
MOSER: Davon gehe ich stark aus. Das Thema Nachhaltigkeit hat in den vergangenen Jahren massiv an Bedeutung gewonnen – Tendenz stark steigend. Wichtige Anspruchsgruppen wie Kunden, Mitarbeitende oder Aktionäre wollen zu Recht von einem Unternehmen erfahren, welchen Mehrwert es über das reine Kerngeschäft hinaus für die Gesellschaft und die Umwelt leistet. Diesen Ansprüchen wollen wir mit unseren Partnerschaften gerecht werden – wie beispielsweise dem Schweizerischen Roten Kreuz, dem Swiss Economic Forum oder Swiss Paralympics hier in der Schweiz.
Besonders wichtig ist es aber auch, dass die Mitarbeitenden diese Engagements durch aktives Mitmachen mit Leben füllen – das ist bei uns der Fall.
4. Warum engagieren Sie sich in Bezug auf Nachhaltigkeit? Passt das zu Ihrem Geschäftsmodell?
MOSER: Nachhaltigkeit ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Tätigkeit als Versicherer und langfristig orientierter Investor. Deshalb charakterisieren aus meiner Sicht eine langfristige Planung und ein weiter Entscheidungshorizont das Konzept der Nachhaltigkeit.
Als Versicherer und Investor haben wir naturgemäss eine langfristige Perspektive, um Versprechen, die wir unseren Kunden heute geben, in Zukunft erfüllen zu können. Ein weiterer Aspekt für uns als Versicherungsunternehmen ist es, die langfristigen Risiken – die sich aus Megatrends wie dem Klimawandel oder dem demografischen Wandel ergeben – zu analysieren und entsprechende Rückschlüsse daraus zu ziehen.
5. Ergeben sich für Sie auch Chancen durch das nachhaltige Engagement?
MOSER: Auf jeden Fall! Es ist zunächst einmal unser Kerngeschäft, Schäden zu versichern und zu bezahlen, die beispielsweise durch den Klimawandel entstehen. Gleichzeitig versuchen wir auch, die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels von seiner versicherungstechnischen Seite zu verstehen und nach Möglichkeit für uns zu nutzen. Sei es bei der Ausgestaltung von innovativen Versicherungsprodukten oder bei klimabezogenen Investitionen – zum Beispiel in erneuerbare Energien. Ein anderes Beispiel sind Mikroversicherungen, wie sie die Allianz in Entwicklungsländern für Familien mit geringem Einkommen anbietet und damit einen wertvollen Beitrag zur Armutsbekämpfung in den Ländern leistet.
Mikroversicherungen sind wirtschaftlich gesehen vielleicht kein grosses Geschäft – aber sie sind für die Versicherungsnehmer nachhaltig. Und sie ebnen den Weg für künftige Geschäftsaktivitäten.
6. Inwieweit spielt Nachhaltigkeit für Ihre Kunden eine Rolle?
MOSER: Dieser Aspekt spielt eine sehr grosse Rolle. Ich denke, dass es sich künftig wohl kein Unternehmen mehr leisten kann, das Thema Nachhaltigkeit völlig aussen vor zu lassen.
Die Zielgruppen werden – unterstützt durch den technologischen Fortschritt – stärker denn je darauf achten, von welchem Unternehmen sie Produkte oder Dienstleistungen beziehen und ob diese auch unter nachhaltigen Gesichtspunkten hergestellt und entwickelt wurden.
Das wird alle Bereiche der Wirtschaft betreffen – vom produzierenden Gewerbe bis hin zum Anbieter von Finanzdienstleistungen. Wer sich erst heute damit beschäftigt, hat den Anschluss bereits verloren.
(Bildquelle: Allianz Suisse; Bildtitel: Allianz Suisse, Standort Wallisellen)