Die 1912 gegründete Schweizerische Bankiervereinigung ist der Dachverband der schweizerischen Banken und Kreditinstitute. Ihre Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken (VSB) sind für alle Banken in der Schweiz verbindlich. Diese werden von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA als staatliche Aufsichtsbehörde genehmigt und durchgesetzt. Die revidierten Standesregeln wurden an internationale Vorgaben angepasst – nun gilt es einige Neuerungen zu beachten.
Neue Vereinbarung zur Sorgfaltspflicht der Banken (1/2)
Die VSB bestimmt einerseits die Sorgfaltspflichten der Banken im Umgang mit ihnen anvertrauten Vermögenswerten sowie die Modalitäten der Identifizierung ihrer Vertragspartner. Andererseits bildet sie die Grundlage zur Bestrafung der Banken im Falle von Verstössen gegen die Standesregeln. Das Hauptziel ist dabei im Wesentlichen die Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung. Ausserdem von Bedeutung ist die Aufdeckung von Steuerhinterziehung und -betrug.
Die VSB – welche erstmals 1977 veröffentlicht wurde – wird regelmässig revidiert. Am 1. Januar 2016 ist die neueste Version (VSB 16) in Kraft getreten. Diese ersetzt die bisher gültige Fassung von 2008 (VSB 08). Die Änderungen umfassen eine Anpassung an internationale Vorgaben – insbesondere die 2012 revidierten Empfehlungen der Financial Action Task Force (FATF) bezüglich Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorfinanzierung sowie eine Neugestaltung der Struktur.
Im Bereich der Identifizierung des Vertragspartners enthält die VSB 16 unter anderem folgende Neuerungen:
- Angaben, die im Rahmen der Identifizierung des Vertragspartners zu machen sind, wurden klarer definiert. Beispiel: Verpflichtende Angabe des effektiven Wohnsitzes bzw. die effektive Firmenadresse des Vertragspartners.
- Eine Echtheitsbestätigung der Identifikationsdokumente kann seit dem 1. Januar 2016 durch einen in der Schweiz zugelassenen Rechtsanwalt ausgestellt werden. Erfolgen kann diese auch durch eine von der Datenbank eines nach dem Bundesgesetz über die elektronische Signatur anerkannten Anbieters von Zertifizierungsdiensten eingeholte Ausweiskopie in Kombination mit der elektronischen Authentifizierung des Kunden.
- Identifizierung des Vertragspartners bei einfachen Gesellschaften: bei der Eröffnung der Geschäftsbeziehung muss die Bank entweder sämtliche Gesellschafter oder die ihr gegenüber zeichnungsberechtigte Person identifizieren, sowie mindestens einen der Gesellschafter.
Eine der wesentlichen Änderungen der VSB 16 betrifft die Einführung des Begriffs des sogenannten Kontrollinhabers. Demgemäss haben die Banken neu schriftlich festzustellen, wer die Kontrolle über eine operativ tätige juristische Person oder Personengesellschaft ausübt. Zweck ist dabei die Schaffung von Transparenz über die wirtschaftliche Berechtigung an Vermögenswerten.
- Operativ tätige Gesellschaften: Gesellschaften mit Tätigkeitsfeld im Dienstleistungs-, Handels- oder Produktionsgewerbe.
- Kontrollinhaber: Natürliche Person, die tatsächliche Kontrolle über die Gesellschaft ausübt und somit insbesondere die Unternehmenspolitik steuert – beziehungsweise die gesetzlichen Organe und Vertreter bestimmen kann. Dabei ist es unerheblich, ob die Kontrolle direkt oder indirekt mittels anderen Unternehmen ausgeübt wird.
Das neu in der VSB 16 enthaltene Konzept des Kontrollinhabers entspricht somit Artikel 2a Ziff. 3 GwG.
Die Abklärung zur Feststellung des Kontrollinhabers erfolgt in drei Stufen:
- Bestimmung, ob eine natürliche oder juristische Person über mindestens fünfundzwanzig Prozent Stimm- oder Kapitalbeteiligung an der operativ tätigen juristischen Person oder Personengesellschaft verfügt. Dieser Schwellenwert kann auch durch Absprache erreicht werden. Ist der Kontrollinhaber eine natürliche Person, so muss diese mittels Formular K festgestellt werden. Falls eine juristische Person über mindestens fünfundzwanzig Prozent der Stimm- oder Kapitalbeteiligung verfügt, ist festzustellen, welche natürliche/n Person/en schlussendlich die Kontrolle ausüben.
- Kann noch kein Kontrollinhaber identifiziert werden, muss festgestellt werden, welche natürliche Person auf andere erkennbare Weise die Kontrolle ausübt. Dies gilt beispielsweise für diejenige Person, die trotz einer Stimm- oder Kapitalbeteiligung von unter fünfundzwanzig Prozent faktisch die Kontrolle ausübt.
- Falls auch nach diesem Kriterium kein Kontrollinhaber festgestellt werden kann, so wird in einem dritten Schritt die geschäftsführende Person festgestellt.
Gemäss Artikel 4 GWG muss der Finanzintermediär die wirtschaftlich berechtigte Person mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt feststellen. Als wirtschaftlich berechtigt gilt gemäss Bundesgericht «derjenige, der über die Vermögenswerte faktisch bestimmen kann, dem sie mithin aus wirtschaftlicher Sicht gehören». Als wirtschaftlich Berechtigte kommen entsprechend den revidierten FATF-Empfehlungen ausschliesslich natürliche Personen infrage. Bisher durfte die Bank von der Vermutung ausgehen, dass der Vertragspartner mit dem wirtschaftlich Berechtigten der Vermögenswerte übereinstimmte.
Seit dem 1. Januar 2016 ist die Feststellung des wirtschaftlich Berechtigten bei natürlichen und bei juristischen Personen als Vertragspartner immer Pflicht. Die Bank ist nur dann von der Pflicht, eine Erklärung einzuholen befreit, wenn sie keine Zweifel daran hat, dass eine natürliche Person als Vertragspartner mit dem wirtschaftlich Berechtigten identisch ist. Dies muss aber schriftlich festgehalten werden.
Parallel zu den neuen Vorschriften der VSB 16 wurden auch bestehende Formulare zu Stiftungen und Trusts revidiert. Diese und weitere neue Regelungen lesen Sie in Teil 2 des Artikels «Revidierte Vereinbarung über die Standesregeln zur Sorgfaltspflicht der Banken».
>> der 2. Teil der Artikelreihe «Neue Vereinbarung zur Sorgfaltspflicht der Banken» folgt in Kürze
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