Standortbestimmung als Instrument des Talent-Managements
10. Jun 2014, Wirtschaft | HR-Strategie

Standortbestimmung als Instrument des Talent-Managements

Eine berufliche Standortbestimmung kostet Zeit und Geld. Wieso sich eine Investition trotzdem lohnt und welchen Nutzen Unternehmen und berufstätige Personen haben, dass erfahren Sie hier.

Das Tempo des Strukturwandels in der globalen Wirtschaft und auf dem lokalen Arbeitsmarkt stellt immer komplexer werdende Anforderungen an das Unternehmen und an die Mitarbeitenden. Besonders die technologische Entwicklung treibt die Reaktionsgeschwindigkeit und die zu verarbeitenden Informationsmengen stetig voran. Gleichzeitig wird die Frage nach den richtigen Talenten für die Zukunftsgestaltung eines Unternehmens längst mit Begriffen wie «war for talents» oder Talent-Pipeline beschrieben.

Geeignete Kandidaten sind knapp, die lokale Verfügbarkeit ist limitiert – damit sind zum Beispiel auch Schweizer Unternehmen gezwungen im Ausland zu rekrutieren.

Natürlich gibt es Argumente, die dafür sprechen, eigene Talente heranzuziehen. Das gelingt aber nur dann, wenn sich ein Unternehmen zu einer derartigen Strategie bekennt und sich langfristig darauf vorbereitet. Eine berufliche Karriere ist weltweit ein zentrales Lebensthema geworden und nimmt einen immer grossen Umfang für das eigene Identitätsverständnis ein.

In Industrieländern stellt die enorme Vielzahl an Ausbildungen, Weiterbildungen und Berufsmöglichkeiten Berufstätige aller Altersgruppen vor Wahlentscheide, die ohne die Frage nach der beruflichen Zielrichtung und grundsätzlichen Lebensorientierung nicht richtig beantwortet werden können. Leider werden allzu oft Mittel verbraucht, ohne dass eine Zielsetzung festgelegt und der Nutzen für die Aufgabe oder die persönliche Weiterentwicklung überprüft wurde.

Aus Blickwinkel des Unternehmens und des Mitarbeiters gibt es ausreichend gute Gründe für eine berufliche Standortbestimmung im Verlauf einer beruflichen Laufbahn.

Standortbestimmung aus Unternehmenssicht

Die globalen, unternehmerischen Herausforderungen werfen in den Geschäftsleitungen und HR Abteilungen strategierelevante Fragen auf, wie:

  • Sind die Key Talents optimal aufgestellt, um die Unternehmensziele zu erreichen?
  • Sind die Mitarbeiter geeignet und zufrieden mit ihrer heutigen Tätigkeit? Können wir auf sie zählen?
  • Welche Entwicklungsmöglichkeiten haben die Mitarbeitenden?
  • Wie können die hochausgebildeten Mitarbeitenden an das Unternehmen gebunden werden?

Mittel- und langfristig hängt der Erfolg des Unternehmens mit davon ab, inwieweit es gelingt, das Potenzial der Mitarbeitenden für die oben geschilderten Herausforderungen optimal zu gewinnen, zu erschliessen und einzusetzen. Der Zeit- und Kosten-Aufwand in Ausbildung und Entwicklung der Mitarbeitenden ist ein relevanter Posten im Budget – der genau für diese unternehmerischen Ziele eingesetzt werden sollte.

Standortbestimmung aus Mitarbeitersicht

Immer häufiger nehmen berufstätige Personen die Verantwortung für Ihre berufliche und persönliche Entwicklung selber in die Hand und stellen sich tief gehende Fragen zur beruflichen Weiterentwicklung.

Optionen werden hin und her gewogen, um wieder verworfen zu werden. Der Beruf verlangt alles ab, fordert Leistung und viel Zeit. Dennoch bleibt zunehmend dieses diffuse, irritierende Gefühl zurück von «ist das alles?». Ist eine ausschliesslich berufliche Orientierung das Richtige im Leben?

  • Wo stehe ich, wo will ich hin?
  • Was will ich wirklich?
  • Was kann ich besonders gut, was fällt mir leicht?
  • Was macht mir Spass, was motiviert mich?
  •  Was bedeutet für mich Erfolg und Karriere?
  • Wogegen tausche ich «Geld» ein?
  • Was würde ich tun, wenn ich keine Angst hätte?

Diese Fragen kommen auf, wenn die gegenwärtige Aufgabe nicht mehr zufriedenstellend ist, sich das Unternehmen und die Arbeitskultur massiv verändern oder auch, wenn im Laufe einer Karriere ein Bruch entsteht und die Person sich unfreiwillig einer beruflichen Neuorientierung stellen muss.

Verschiedene Abwägungen zeigen dann schnell, dass Karriere ohne eine Zielrichtung und darauf ausgerichtete, fortwährende Weiterbildung immer weniger möglich ist. Beständiges Veränderungsbewusstsein und Offenheit gegenüber neuen Herausforderungen sind für ein erfolgreiches Karrieremanagement weitere Rahmenbedingungen, die es mit Geschick zu steuern gilt.

Andere Zeiten, andere Lebensumstände

Lernte man früher einen Beruf, war man diesem bis zur Pensionierung verpflichtet – und vertraute auch darauf. Die Familienunternehmung wurde weitergeführt, weil etwas anderes gar nicht denkbar war und dieser Beruf das Einkommen sicherte. Welche anderen Leidenschaften und unentdeckte Fähigkeiten eine Person hatte, war nicht von Interesse. Die Familie und deren wirtschaftliches Gedeihen standen im Zentrum.

Heute sieht das anders aus: Viele Optionen haben sich aufgetan – die Familie ist nur eine von mehreren. Heute dient eine Erwerbstätigkeit in der Regel nicht mehr nur der Erhaltung materieller Sicherheit und des notwendigen Lebensunterhaltes. Meist wird mehr verdient, als die Grundbedürfnisse es verlangen. Arbeit zielt in der Mehrheit darauf ab, über eine Karriereentwicklung den Lebensstandard zu verbessern – das heisst möglichst schnell mehr oder viel mehr Geld zu verdienen: Das erlaubt Konsum, erlaubt Status. Dabei kann Konsum bedeuten ein Haus oder eine Wohnung sein Eigen zu nennen, ein Auto zu besitzen oder Luxusgüter zu kaufen.

Der Vollständigkeit halber muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass diese Haltung natürlich auch das Wirtschaftssystem in Schwung hält. Es gibt viele Menschen, die nicht von Grund auf nur wegen des Geldes tätig sind.

Aber die Frage, wogegen das Tauschmittel Geld letztlich wirklich eingetauscht wird, kann oft nicht beantwortet werden. Dass bei einer sehr konsum- oder statusorientierten Arbeitshaltung häufig der Mensch, seine tieferen Bedürfnisse und Wünsche auf der Strecke bleiben, ist eine der Folgen mit oft gravierenden Auswirkungen für Arbeitnehmer und Unternehmen.

Eine zufriedenstellende Tätigkeit zahlt sich aus

Statistiken zur Arbeitnehmerzufriedenheit zeigen, dass viele mit der beruflichen Situation niemals wirklich glücklich sind – und damit oftmals auch nicht mit der privaten. Natürlich ist es schwer, sich auf dem heutigen Arbeitsmarkt gegenüber seinen Konkurrenten zu behaupten und die für die eigenen Bedürfnisse ideale Anstellung zu finden. Häufig ist man froh, wenn man eine gesicherte Stelle gefunden hat, ganz gleich, ob die Arbeitsbedingungen zusagen oder nicht. Arbeitszufriedenheit wird unter den Teppich gekehrt. Es ist auch nachvollziehbar, nicht jedes Risiko einzugehen und zum Beispiel ohne Alternativen eine sichere Anstellung zu kündigen.

Doch nur in einem unbefriedigenden Job zu verharren, bringt niemanden voran, sondern drückt auf die Leistung oder macht am Ende noch krank. Auf Dauer gelingt es nicht, die Zufriedenheit am Arbeitsplatz hinten anzustellen. Irgendwann drängt die Kernfrage in den Vordergrund: Was mache ich von Herzen wirklich gerne und gut –beziehungsweise was ist meine Passion? Egal, ob das eine künstlerische Ausdrucksweise oder finanzakrobatische Aufgaben sind, eine Tätigkeit, die mit tiefer Leidenschaft ausgeübt wird, fällt immer leicht und ist erfolgsversprechend.

Langfristig ist jemand in seinem Beruf nur dann erfolgreich und zufrieden, wenn das, was er tut, auch wirklich das ist, was er mag und wofür er bereit ist, täglich seine Energien und Kräfte einzusetzen. Damit soll nicht gesagt sein, dass man zum Beispiel seine Tätigkeit als Finanzexperte an den Nagel hängen soll, um nur noch Bergsteigen zu gehen. Aber man sollte sich klar sein, was man leidenschaftlich gerne macht, welche Fähigkeiten dafür vorhanden sind und wie man beides kombinieren kann, um eine Anstellung zu finden, die Freude bereitet – und auf diese Weise eine erfolgreiche Laufbahn oder Karriere verspricht.

Nutzen einer Standortbestimmung

Vor den dargelegten Hintergründen lassen sich mit einer individuellen beruflichen Standortbestimmung sowohl für den Mitarbeitenden als auch für das Unternehmen klare Nutzen erzielen. Sie ist dazu da, eine Bestandsaufnahme des bisherigen beruflichen Werdegangs und Lebensweges aufzuzeichnen, und um daraus Rückschlüsse für die berufliche Zukunft zu ziehen.

Nüchtern gesehen liegt der Nutzen einer beruflichen Standortbestimmung für ein Unternehmen und für ihre Leistungsträger vor allem in der erhöhten Planungssicherheit zu Nachfolgeregelungen, Einsatzmöglichkeiten von Mitarbeitenden oder auch zum Bedarf an Neubesetzungen. Damit kann der Arbeitgeber ein positives Signal setzen und so gezielt «Imagepflege» betreiben – sowohl intern als auch auf dem Bewerbermarkt.

  • Hinweise zu vorhandenen Potentialen und Entwicklungsbedürfnissen. 
  • Erkennen von Mitarbeitenden, die ihre Eigenverantwortung für ihre Zukunft einbringen und sich für das Unternehmen aussprechen. 
  • Fundierte Prüfung innerbetrieblicher Optionen, bevor es zu einer Kündigung kommen muss. 
  • Zielgerichteter Einsatz von Weiterbildungsinvestitionen.

Für den einzelnen Mitarbeitenden entsteht Klarheit und ein grösseres Bild des Zusammenhanges von beruflicher Zufriedenheit und den Lebensumständen.

  • Ein ganzheitliches Bild auf ihre Persönlichkeit und beruflichen Optionen.
  • Planung der berufliche Entwicklung, langfristig und nachhaltig.
  • Bestätigungen, Antworten oder neue Ideen.
  • Bewusstsein über die eigenen Neigungen, Bedürfnisse und Stärken – und darin zu investieren.
  • Verbinden der innere Stimme mit Entscheidungsoptionen und Handlungswillen.

Dazu gehört die eigene Vergangenheit zu durchleuchten, wiederkehrende Verhaltensmuster zu erkennen und sich Einsicht darüber zu verschaffen, welche dieser Muster auf dem bisherigen Weg hilfreich oder hinderlich waren. Anschliessend kann festgelegt werden auf welche Weise diese künftig genutzt oder vermieden werden können. Auch wenn dieser Schritt möglicherweise einen Blick in die «Augen des Drachen» erfordert, ist er unerlässlich, um sich über sich selbst, seine Ziele und sein Handeln bewusst zu werden.

Wenn die Einsicht und das Verständnis zu den eigenen Fähigkeiten und Zielen wachsen, ist die Chance sehr gross, dass eine bewusste, tragfähige Zukunftsentscheidung für Mitarbeiter und Unternehmen erfolgt. Der Rückfall in Sorgenfalten oder Sturmwolken über dem Arbeitsplatz wird sehr unwahrscheinlich.

(Bildquelle: © tobias machhaus/iStockphoto)




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