Ausgangslage
Die unterschiedliche steuerpolitische Ausrichtung der Staaten Deutschland und Schweiz macht sich besonders im Steuergefälle bemerkbar: Deutsche Unternehmer werden wegen ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten in der Schweiz mit der Hinzurechnungsbesteuerung (HZB) konfrontiert. Die daraus resultierende zusätzliche Steuerbelastung ist oft überraschend.
Deren potentielle Unionsrechtswidrigkeit – auch im Verhältnis zur Schweiz – könnte diese massiven Probleme beseitigen. Zudem sollte die in Kürze zu erwartende Reform zu einer deutlichen Entschärfung, vor allem für Handels- und Dienstleistungsgesellschaften, führen.
Anwendungsbereich und Systematik der deutschen HZB
Der Anwendungsbereich der Hinzurechnungsbesteuerung (HZB) wird unter folgenden, kumulativ zu erfüllenden, Voraussetzungen eröffnet:
- «Deutschbeherrschung» einer ausländischen Kapitalgesellschaft zu mehr als fünfzig Prozent durch in Deutschland ansässige unbeschränkt steuerpflichtige Personen (oder ein Prozent bei Beteiligungen an Kapitalanlagegesellschaften),
- Niedrige Ertragssteuerbelastung der ausländischen Gesellschaft mit weniger als fünfundzwanzig Prozent sowie
- Ausübung einer sogenannten «passiven Tätigkeit»
Die Voraussetzung der «Niedrigbesteuerung» wird aktuell in allen Kantonen der Schweiz erfüllt. Im internationalen Vergleich ist die deutsche Niedrigbesteuerungsquote von fünfundzwanzig Prozent entschieden zu hoch. Es besteht ein dringender Anpassungsbedarf.
Der nach deutschen Grundsätzen zu ermittelnde Gewinn gilt unmittelbar nach Ablauf des Wirtschaftsjahres als fiktive Dividende zugeflossen und unterliegt der vollumfänglichen Ertragssteuerpflicht (einschließlich Gewerbesteuer) Für «normale» Dividenden wird eine Steuerfreistellung gewährt. Die bei der ausländischen Gesellschaft bereits entstandene Ertragsteuer kann nur im Wirtschaftsjahr der Zahlung (unabhängig von der Festsetzung) auf die deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer angerechnet werden – nicht aber auf die Gewerbesteuer.
Vermeidung der HZB durch Nachweis einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit («Motivtest»)
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in der Rechtssprechung (Rs.) «Cadbury Schweppes» entschieden, dass die – mit der deutschen vergleichbaren – britische HZB als europarechtswidrig einzustufen ist. Insoweit als sie keinen Gegenbeweis in Form einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit mit Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen ermöglicht. Dabei muss das Personal so qualifiziert sein, dass es die Aufgaben der Gesellschaft eigenverantwortlich und selbständig erfüllen kann.
Der deutsche Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung durch die Einführung des sogenannten «Motivtests» in § 8 Abs. 2 AStG in nationales Recht umgesetzt. Allerdings ist davon auszugehen, dass diese Regelung nicht vollumfänglich im Einklang mit EU-Recht steht. Unter anderem, weil zu hohe Anforderungen an die wirtschaftliche Tätigkeit gestellt werden. Entgegen der ursprünglichen Intention wurde die Anwendung des Motivtests auf EU-/EWR-Staaten begrenzt. Zudem wurde dieser an die Voraussetzung der Auskunftserteilung im Wege der Amtshilfe geknüpft.
Anwendung des Motivtests auch im Verhältnis zum Drittstaat Schweiz über die Kapitalverkehrsfreiheit?
Nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH wird in der herrschenden Literatur die Auffassung vertreten, dass HZB- Fälle mit Drittstaaten dem Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit unterfallen, die nicht von der Niederlassungsfreiheit verdrängt wird. Der Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit steht auch nicht der Bestandsschutz für Regelungen, die bereits 1993 bestanden, entgegen (sogenannte «Stand-Still»-Regelung). Das kommt daher, weil die HZB 2001 grundlegend neu konzipiert wurde. Ebenso wenig scheitert die Anwendung des Motivtests im Verhältnis zur Schweiz an der Amtshilfeklausel des § 8 Abs. 2 S. 2 AStG. Denn die Schweiz erteilt seit 2011 Auskünfte im Rahmen der grossen Auskunftsklausel. Aber auch für Zeiträume davor verhindert das Amtshilfeerfordernis nicht die Anwendung des Motivtests, sofern der Steuerpflichtige selbst Beweismittel für die tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit vorlegt.
Im Einklang mit dieser Auffassung hat das FG Baden-Württemberg Zweifel an der Vereinbarkeit des Motivtests mit der Kapitalverkehrsfreiheit geäussert. Es hält eine höchstrichterliche Klärung der Unionsrechtswidrigkeit der HZB auch im Verhältnis zu Drittstaaten durch den EuGH für geboten. Abweichend hierzu hatte das FG Münster einen Verstoss gegen die Kapitalverkehrsfreiheit für einen CH- Urteilsfall verneint. Allerdings hatte sich das FG mit der herrschenden Literaturauffassung nicht weiter auseinandergesetzt und lediglich auf die fehlende Amtshilfe mit der Schweiz verwiesen. Der BFH wird im Revisionsverfahren Gelegenheit zur Klärung dieser Rechtsfragen haben.