Aktueller Vorlagebeschluss des BFH an den EuGH
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob die Regelungen der (Hinzurechnungsbesteuerung (HZB) für Kapitalanlagegesellschaften im Drittstaatenfall mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar sind. Dieser Streitfall betrifft die Regelungen für Kapitalanlagegesellschaften mit einer Mindestbeteiligungsquote von nur 1 %. Somit dürften die Hürden für die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit deutlich niedriger liegen. Gleichwohl sollte die Entscheidung des EuGH für die klassischen Handels- und Dienstleistungsfälle auch Erkenntnisse in Bezug auf die Anwendung der «Stand-Still»-Regelung bringen – sowie zur Auslegung der wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne der Rechtsprechung «Cadbury Schweppes»..
Zumindest verneint der BFH in seinem Vorlagebeschluss die Verdrängung der Kapitalverkehrsfreiheit durch die Niederlassungsfreiheit und die Anwendung der «Stand-Still»-Regelung. Ob mit der EuGH-Entscheidung allerdings alle o.g. Rechtsfragen zu den klassischen HZB-Fällen geklärt werden, ist unklar. Jedenfalls dürfte die in Kürze zu erwartende Entscheidung des EuGH für die Frage der Unionrechtswidrigkeit der HZB im Verhältnis zur Schweiz wegweisend sein.
Alternativer Verstoss gegen das Freizügigkeitsabkommen (FZA)?
Sofern die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft von einer natürlichen Person gehalten wird, eröffnet sich für die Anwendung des Motivtests zusätzlich der Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit. Das passiert aufgrund des zwischen der EU und der Schweiz bestehenden Freizügigkeitsabkommens (FZA). Der EuGH hat mit den Urteilen in den Rechtsprechungen «Ettwein» und «Radgen» entschieden, dass das Gleichbehandlungsgebot des FZA auch im Steuerrecht anzuwenden ist. Damit wird der Spielraum des Gesetzgebers, mögliche Verletzungen des FZA zu rechtfertigen, deutlich eingeschränkt. Im Ergebnis haben auch natürliche Personen mit Beteiligungen an CH-Kapitalgesellschaften die Möglichkeit, die Anwendung der HZB unter Berufung auf die Niederlassungsfreiheit zu vermeiden. Sofern der Nachweis der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit erbracht werden kann.
Reform der HZB aufgrund der Anti-Tax-Avoidance-Directive der EU (ATAD)
Zur Umsetzung der Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) -Empfehlungen der OECD hat die EU in Form der Anti-Tax-Avoidance-Directive (ATAD) eine Richtlinie verabschiedet, mit der Steuervermeidungspraktiken in der EU wirksamer begegnet werden soll. Diese sieht Mindeststandards etwa. für die HZB vor, deren Umsetzung in nationales Recht bis zum 1.1.2019 erfolgen muss. Zwar liegen diese Mindeststandards deutlich unter den Vorgaben der deutschen HZB. Gleichwohl ist aber davon auszugehen, dass zur Vermeidung von unerwünschten Wettbewerbsverzerrungen und uneinheitlichen Regelungen innerhalb der EU die überschiessende Wirkung der deutschen HZB auf das erforderliche Mass zurückzuführen ist, das zu einer wirksamen Missbrauchsbekämpfung notwendig ist.
Dies vor dem Hintergrund, dass die Definition der passiven Einkünfte ein Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert darstellt und die schädlichen Mitwirkungstatbestände besonders aus der Zeit gefallen sind.
Auch Vertreter der Finanzverwaltung halten eine Absenkung der Niedrigbesteuerungsgrenze sowie eine Überarbeitung des Aktivitätskatalogs für notwendig. Für die zur Umsetzung der ATAD erforderliche Reform der HZB hat das Bundesministerium für Finanzen (BMF) eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese hat sich dem Vernehmen nach bereits auf einen Reformentwurf verständigt. Es bleibt zu hoffen, dass dabei auch das für die Praxis besonders ärgerliche Problem der Doppelbesteuerung mit Belastungen von bis zu 65 Prozent beseitigt wird.
Fazit und Ausblick
Die vom EuGH erzwungene Einführung des Motivtests gilt nicht im Verhältnis zu Drittstaaten. Das hat zur Folge, dass wirtschaftliche Tätigkeiten in der Schweiz durch die HZB diskriminiert werden. Es sprechen jedoch gute Gründe dafür, dass diese Diskriminierung über die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit als unionsrechtswidrig auch im Verhältnis zu Drittstaaten wie der Schweiz anzusehen ist. Natürliche Personen können sich zudem auf das (Freizügigkeitsabkommen (FZA) berufen.
Eine weitere Entschärfung ist durch die anstehende Reform der HZB im Rahmen der Umsetzung der ATAD zu erwarten. Diese soll zu einer Absenkung der Niedrigbesteuerungsquote und zur Behandlung von Handel und Dienstleistungen als (unschädliche) aktive Tätigkeiten führen. Im Übrigen dürfte die kurzfristig zu erwartende EuGH-Entscheidung zur Unionsrechtswidrigkeit der HZB in Bezug auf Kapitalanlagegesellschaften nicht ohne Einfluss auf die nationale Reform der HZB bleiben.