Die Besteuerung internationaler Konzerne steht derzeit nicht nur im Verhältnis Deutschland–Schweiz im Fokus, sondern weltweit. Während in Grossbritannien das eher emotionale Thema der «Tax Morality» öffentlich diskutiert wird, versucht die OECD durch den am 19. Juli 2013 publizierten Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, kurz «BEPS», konkrete Massnahmen zu definieren, welche verhindern sollen, dass internationale Konzerne ihre Gewinne keiner oder nur geringer Besteuerung unterwerfen können. Dieser Action Plan wurde im Auftrag der G-20 ausgearbeitet.
Zusätzlich zu den weltweiten Bemühungen übt die Europäische Union seit längerem zunehmenden Druck auf die Unternehmensbesteuerung in der Schweiz aus. Als Reaktion auf die internationalen Entwicklungen arbeitet der Bund an einer Neugestaltung der schweizerischen Steuergesetzgebung: Im Mai 2013 publizierte der Bundesrat einen Zwischenbericht über die «Massnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des schweizerischen Steuersystems».
Diskutierte Änderungen
In den vergangenen Jahren stand das «Ring Fencing» – die Tatsache, dass Einkünfte aus Aktivitäten ausserhalb der Schweiz gegenüber solchen aus innerstaatlichen Aktivitäten privilegiert besteuert werden – im politischen und medialen Rampenlicht, insbesondere in der Europäischen Union. Um darauf zu reagieren schlug die Schweizer Bundesregierung vor, die Regelungen für Holdinggesellschaften, gemischte Gesellschaften sowie Verwaltungs- und Domizilgesellschaften in den nächsten fünf bis sieben Jahren durch eine Reihe von Massnahmen zu ersetzen. Diese Änderungen sollen die Attraktivität der Schweiz als Geschäftsstandort wahren und gleichzeitig die internationale Akzeptanz steigern.
Der Bund hält es für unumgänglich, dass eine allfällige Abschaffung bzw. Anpassung der kantonalen Steuerregimes mit gezielten Massnahmen kompensiert wird. Andernfalls droht ein Wegzug von heute privilegiert besteuerten Unternehmen, mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Arbeitsplätze.
- Steuerliche Anreize für innovationsorientierte Geschäftsaktivitäten wie Forschung, Entwicklung & Innovation und die Nutzung von geistigem Eigentum;
- Zinsbereinigte Gewinnsteuer;
- Mögliche Flexibilisierung des Grundsatzes, wonach die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse die steuerliche Besteuerungsgrundlage darstellen (Massgeblichkeitsprinzip);
- Allgemeine Senkung der ordentlichen Steuersätze.
Neue Sonderregelungen sollen allerdings nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn sie keine Elemente eines «Ring Fencing» enthalten, nicht auf eine internationale Nichtbesteuerung abzielen, sowie steuersystematisch begründbar sind oder nachweislich in mindestens einem EU-Mitgliedstaat angewendet werden.
Zusätzlich zu diesen Vorschlägen werden in verschiedenen Arbeitsgruppen, die sich aus Vertretern von Behörden, Politik und Wirtschaft zusammensetzen, auch andere Massnahmen eingehend diskutiert, so zum Beispiel:
- Die Eliminierung der Doppelbesteuerung auf ausländischen Erträgen durch eine Anpassung des Systems der pauschalen Steueranrechnung;
- Der Umbau der Verrechnungssteuer auf Zinserträgen in eine Zahlstellensteuer;
- Die Abschaffung der Stempelsteuer, sowohl bei der Ausgabe als auch bei der Erhöhung des Eigenkapitals;
- Die Möglichkeit für die Kantone, auf die Kapitalsteuer zu verzichten;
- Die Anpassung des Systems der Steuerbefreiungen, welche im Rahmen der Regionalpolitik gewährt werden.
Was bedeutet das für die Unternehmen?
Aus geschäftlicher Sicht sind die Botschaften klar und die Stossrichtung der Vorschläge erscheint angemessen und realistisch. Hauptziel der Regierung ist es, ein System zu schaffen, das mindestens genauso vorteilhaft ist wie das aktuelle.
Diese Reform ist jedoch ein kontinuierlicher Prozess, bei welchem zunächst die Details der diskutierten Vorschläge ausgearbeitet werden müssen. Unternehmen, die von den möglichen Änderungen betroffen sein könnten, sollten deshalb ihren derzeitigen Steuerstatus analysieren und klären, wie die möglichen Folgen einer Steuerreform aussehen, damit entsprechende Massnahmen getroffen werden können.
Ein Verwaltungsrat oder Audit Committee muss sich dabei zu den folgenden Themen Klarheit verschaffen:
Steuerstrategie: Steuerplanerische Massnahmen stehen immer im Spannungsfeld zwischen einer optimierten Konzernsteuerquote (Risikobelastung) und der Risikobereitschaft. Ein Unternehmen sollte daher eine klare, festgeschriebene Steuerstrategie («Tax Policy») haben, welche mit den geschäftlichen Zielen abgestimmt ist und sowohl gegen innen wie auch aussen kommuniziert werden kann. Dabei muss vor allem die Frage beantwortet werden, in welchem Umfang risikoreiche Steuerplanung zugelassen wird oder ob die Ausrichtung eher konservativ ist.
Steuerliches Risikomanagement: Die Minimierung von steuerlichen Risiken muss im Fokus der Steuerabteilung stehen. Neben eigenen Prozessen ist eine starke Verankerung der Steuerabteilung in das operative Geschäft erforderlich. Auch bezüglich der Reform des Steuersystems in der Schweiz sollte eine Chancen-/Risiken-Analyse erstellt werden. Dabei muss der derzeitige Steuerstatus und die Auswirkungen bei Verlust bestehender Steuervorabbescheide und bei Einführung neuer Steuermodelle analysiert werden.
Vorsorgliche Massnahmen: Aus der Chancen-/Risiken-Analyse sollte ein Aktionsplan erarbeitet werden, in welchem vorsorgliche Massnahmen definiert werden - um Risiken minimieren und Chancen wahrnehmen zu können. Entsprechende Re-Organisationen oder Umstrukturierungen sind zu prüfen und umzusetzen.
Tax Transparency: Die Steuerstrategie, der derzeitige Steuerstatus und eingeleitete Massnahmen müssen gegen innen wie auch aussen kommuniziert werden können. Daher ist es von grosser Wichtigkeit, dass entsprechende Informationen (z.B. wie viel Steuern und Sozialabgaben das Unternehmen in einem bestimmten Staat zahlt) intern zeitnah, verlässlich und mit hohem Detaillierungsgrad beschafft und auf- bereitet werden können. Entsprechende Prozesse und Verantwortlichkeiten müssen klar definiert sein. Schliesslich muss man sich auch mit der Frage beschäftigen, wie geplante Massnahmen die Wahrnehmung und Reputation des Unternehmens intern wie auch in der Öffentlichkeit beeinträchtigen könnten. Eine entsprechende Kommunikationsstrategie ist notwendig.
Weiteres Vorgehen
Im Laufe des Jahres 2013 wird die Regierung ihre Arbeit an der Reform der Schweizer Steuergesetzgebung fortsetzen. Die Diskussion über die endgültige Fassung wird für 2014 erwartet. Damit die Geschäftsstrategie gemäss den geänderten Rahmenbedingungen – wenn nötig – angepasst und die entsprechenden Fragen von der Öffentlichkeit und
den Aktionären beantwortet werden können, ist daher zeitnahes Handeln der betroffenen Unternehmen gefordert. Dasselbe gilt, wenn sich Unternehmen noch in den politischen Prozess einbringen wollen.
Fazit
Der Bund arbeitet derzeit an einer Neugestaltung der schweizerischen Steuergesetzgebung. Unternehmen sollten deshalb ihren derzeitigen Steuerstatus analysieren, die möglichen Folgen der Steuerreform klären und entsprechende Massnahmen treffen. Die dafür notwendigen Informationen müssen zeitnah, verlässlich und mit hohem Detaillierungsgrad beschafft und aufbereitet werden können.
Titelbild: KPMG Hauptsitz in Zürich
(Bildquelle: © 2013 KPMG Holding AG/SA)