Die Vertraulichkeit von Schiedsverfahren wird als wesentlicher Vorteil der Schiedsgerichtsbarkeit gegenüber der staatlichen Gerichtsbarkeit gerühmt. Unter der Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens versteht man die Verp ichtung der Verfahrensbeteiligten, über das Verfahren, seine Einleitung, seinen Fortgang sowie seine Beendigung Stillschweigen zu bewahren.
Eng verknüpft mit der Vertraulichkeit des Schiedsverfahrens ist das Prinzip der Nichtöffentlichkeit. Damit ist das ausschliessliche Teilnahmerecht der Verfahrensbeteiligten und damit der Ausschluss aller Aussenstehenden gemeint. Anders als Verfahren vor staatlichen Gerichten sind Schiedsverfahren also parteiöffentlich – sprich: die Öffentlichkeit bleibt aussen vor. Dies hat den Vorteil, dass die Parteien ihre Auseinandersetzung nicht unter fremden Augen – etwa denen der Presse oder von Wettbewerbern – führen müssen und «heikle Themen» angesprochen werden können, ohne dass dies am nächsten Tag in der Presse zu lesen ist. Gerade im Wirtschaftsverkehr können sensible Daten und Informationen auf diese Weise geschützt werden.
Die Nichtöffentlichkeit ist notwendige Voraussetzung für das Prinzip der Vertraulichkeit. Können sich die Parteien jedoch darauf verlassen, dass ein Schiedsverfahren absolut vertraulich ist und nicht an die Öffentlichkeit gelangt?
Verschwiegenheitspflicht der Verfahrensbeteiligten im Schiedsverfahren
Unterwerfen sich die Parteien einer institutionellen Schiedsordnung, also den Schiedsregeln einer Schiedsinstitution, ergeben sich die Verschwiegenheitspflichten für die Verfahrensbeteiligten üblicherweise aus der jeweiligen Schiedsordnung.
Regeln der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS)
Vereinbaren die Parteien die Anwendung der DIS-Schiedsordnung (DIS-SchO), bestimmt sich die Verp ichtung zur Verschwiegenheit nach § 43.1 DIS-SchO. Danach haben Schiedsrichter, Parteien und in der DIS-Geschäftsstelle mit dem Verfahren befasste Personen über die Durchführung des Schiedsverfahrens und über die beteiligten Parteien, Zeugen, Sachverständigen und sonstigen Beweismittel Verschwiegenheit zu bewahren. Eine anonymisierte Veröffentlichung des Schiedsspruchs ist ohne Zustimmung der Parteien nicht zulässig (§ 42 DIS-SchO).
Die DIS-SchO regelt jedoch keine Verschwiegenheitspflicht für Zeugen. Auch kann ein Schiedsgericht einen Zeugen nicht einseitig zur Verschwiegenheit verpflichten. § 43 Abs. 1 S. 2 DIS-SchO sieht daher vor, dass Zeugen von den sie benennenden Parteien vertraglich zur Verschwiegenheit zu verpflichten sind. Eine Verschwiegenheitspflicht ist ohnehin gegeben, wenn sich diese bereits aus dem Rechtsverhältnis zwischen Zeuge und Partei ergibt. Das ist beispielsweise der Fall bei Arbeitnehmern, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ihres Arbeitgebers wahren müssen.
Swiss Rules of International Arbitration
Die Swiss Rules of International Arbitration (Swiss Rules) sind anwendbar, wenn die Schiedsvereinbarung auf sie oder auf die Schiedsordnung einer Industrie- und Handelskammer verweist, die sich der Geltung der Swiss Rules angeschlossen hat, wie beispielsweise Bern und Zürich (Art. 1 Swiss Rules).
Bei Vereinbarung der Swiss Rules ergibt sich die Verschwiegenheitspflicht aus Art. 44 Swiss Rules. Danach haben Parteien, Schiedsrichter, Sachverständige, Organe und Mitarbeiter der Swiss Chambers’ Arbitration Institution und der Sekretär des Schiedsgerichts über alle Schiedssprüche und Verfügungen sowie im Rahmen des Schiedsverfahrens eingereichte Unterlagen, die nicht zum Gemeingut gehören, Stillschweigen zu bewahren. Anders als die DIS-SchO erlauben die Swiss Rules ausdrücklich eine Offenlegung, wenn diese erforderlich ist um einer Rechtspflicht nachzukommen, einen Rechtsanspruch zu wahren oder durchzusetzen oder einen Schiedsspruch zu vollstrecken oder anzufechten. Wie auch nach den Regeln der DIS-SchO setzt eine anonymisierte Veröffentlichung des Schiedsspruchs das Einverständnis der Parteien voraus.
Die Swiss Rules regeln wie auch die DIS-SchO keine Verschwiegenheitspflicht für Zeugen. Auch in der Schweiz gilt, dass einem Zeugen nicht einseitig eine Verschwiegenheitspflicht auferlegt werden kann. Er kann sich jedoch vertraglich zur Geheimhaltung verpflichten und muss ihm bekannt gewordene Umstände über das Verfahren ohnehin vertraulich behandeln, wenn er Arbeitnehmer oder Organ der Partei ist.