4 Thesen, wie der 3D-Druck die Logistik verändern wird
22. Dez 2014, Wirtschaft | 3D-Druck

4 Thesen, wie der 3D-Druck die Logistik verändern wird

3D-Druck-Technologien entwickeln sich rasant. Immer mehr Industrien aus den unterschiedlichsten Branchen sind interessiert in den 3D-Druck zu investieren. Bereits heute prüfen Hersteller, welche Produkte sich in Zukunft mittels der 3D-Drucktechnologie herstellen lassen.

Die Entwicklung von 3D-Druck-Technologien ist rasant. Es ist anzunehmen, dass immer mehr Industrien in den 3D-Druck investieren werden. Hersteller der unterschiedlichsten Branchen lassen sich beraten und prüfen, welche Produkte sich in Zukunft mittels der 3D-Drucktechnologie herstellen lassen.

Laut dem von DHL herausgegebenen Logistics Trend Radar erwartet man eine jährliche Wachstumsrate der additiven Fertigung von 13,5 Prozent. Die Studie aus dem Jahr 2013 geht davon aus, dass der globale Markt von 1,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2012 auf 3,5 Milliarden Dollar im Jahr 2017 wachsen wird. Im Logistics Trend Radar von 2014 wird eine McKinsey-Studie zitiert, die für das Jahr 2025 einen Markt von 550 Milliarden US-Dollar prognostiziert.

Experten sind sich einig, dass der 3D-Druck die lokale und regionale Produktion fördert und dass sich in den nächsten 20 Jahren 3D-Druckzentren in der Nähe der Absatzmärkte etablieren werden.

These 1: 3D-Druck bietet Chancen für Mass-Customization und die dezentrale Produktion

Haben viele Firmen in der Vergangenheit ihre Produktion nach Asien verlagert, um Kosten zu sparen, bietet ihnen der 3D-Druck nun die Möglichkeit zum «Nearshoring», also die Rückholung der Produktion in hochpreisige Länder. Bekanntester Verfechter dieser These ist US-Präsident Barack Obama. Er sieht in der Ausbreitung der Technologie das Potenzial, die amerikanische Wirtschaft zu revolutionieren. 2013 hat die US-Regierung ein Forschungsprojekt zur additiven Fertigung mit 30 Millionen US-Dollar gefördert. Der Präsident bat im Kongress um Unterstützung für den Aufbau weiterer 3D-Technologiezentren.

Viele der heute in Masse produzierten Artikel werden auch weiterhin ihre Berechtigung haben. Manche Artikel, die heute sehr günstig mit herkömmlichen Verfahren hergestellt werden können, wären viel zu teuer, wenn man sie in grossen Mengen mittels 3D-Druck herstellen würde.

Sicher ist aber, dass sich der Trend zur Individualisierung weiter ausbreiten wird. Es wird also den Hobbytüftler und die kreative Studentin geben, die sich ihre Tassen, einen Schubladenknopf oder Handtuchhalter selbst designen und ausdrucken. Die «Fabberszene» wird weiter wachsen und für sie gilt: Produktionsort ist das eigene Zuhause. Doch nicht jeder wird gleich selbst zum Designer und zum eigenen Produzenten. Die grosse Mehrheit wird das Angebot von Herstellern annehmen, das Design ihren Wünschen entsprechend anzupassen. Der 3D-Druck macht es möglich, individuelle Kundenwünsche bei der Produktion zu berücksichtigen. Die Hersteller werden keine grossen Mengen an Standardprodukten mehr auf Lager halten, sondern auf eine flexiblere Fertigung nach dem Prinzip «made-to-order» umstellen können. Vorausgesetzt, es gibt in den nächsten Jahren Fortschritte bezüglich der Geschwindigkeit des 3D-Drucks.

Die Produktvielfalt wird grösser, die Fertigung noch massgeschneiderter, als wir es heute schon von der Automobilindustrie kennen. In Zukunft wird der Kunde das Modell eines Lampenschirms online verändern und dann auf den Bestellknopf drücken. Die stärker individualisierte Produktion wirkt sich auch auf die Logistik aus: Mit einem Rückgang der Massenproduktion in Fernost werden Transporte auf weite Entfernungen abnehmen, im Gegenzug könnten die individuellen Lieferverkehre auf der letzten Meile zunehmen.

These 2: Individuelle Lieferverkehre werden zunehmen

Die Vision, die man mit Hilfe der 3D-Drucktechnologie verwirklichen will, sieht so aus: Waren müssen nicht mehr um die halbe Welt transportiert werden, weil man sie nahe beim Verbraucher ausdrucken kann.

Das Szenario, dass in 35 Jahren nur noch Rohmaterialien und 3D-Drucker-Kartuschen transportiert werden, ist aber momentan noch genau das: ein Zukunftsszenario. Im Logistics Trend Radar, der 2014 zum zweiten Mal von DHL veröffentlicht wurde, wird die weiter voranschreitende Globalisierung als ein Megatrend der Zukunft bezeichnet. Die Verbreitung des 3D-Drucks könnte diesem Trend entgegenwirken.

Man weiss aber heute noch nicht, wie stark der Einfluss der 3D-Druck-Technologie sein wird – auch mit den Auswirkungen auf das Transportvolumen ist man vorsichtig. Laut Logistics Trend Radar zählt der 3D-Druck zu den Technologie-Trends, die erst in mehr als fünf Jahren ihre volle Wirkung entfalten. Das Potenzial wird nicht als «gross» eingestuft, sondern als «mittel». Diese Einschränkung bezieht sich auf die Unsicherheit, ob der 3D-Druck in der Lage sein wird, traditionelle Herstellungsverfahren zu ersetzen.

Wir können also heute noch nicht vorhersagen, ob und wie stark sich die Verbreitung der 3D-Drucktechnologie auf das globale Transportvolumen auswirken wird. Voraussichtlich werden sich Relationen verschieben – das heisst, es werden weniger fertige Produkte aus weiter Entfernung transportiert. Dafür wird die Bedeutung der lokalen Produktion vor Ort beziehungsweise in der Nähe des Verbrauchers steigen. Das würde zunächst bedeuten, dass individuelle Lieferverkehre «auf der letzten Meile» zunehmen. Diese Einschätzung beruht auf den Erfahrungen der letzten Jahre, in denen der Online-Handel stark gestiegen ist. Denn auch wenn man davon ausgeht, dass die Do-it-Yourself-Gemeinde wächst, ist es doch eher unwahrscheinlich, dass jeder Haushalt künftig seine Waren zuhause ausdruckt. Aber wenn Verbraucher verstärkt Produkte nachfragen, die sie persönlich mitgestaltet haben, werden die Hersteller diese Produkte «made-to-order» fertigen.

Das Volumen der Produktion massgeschneiderter Waren wird voraussichtlich steigen. Ob dadurch die Fahrten der Zustelldienstleister und damit die Umweltbelastung steigen werden, kann man aber nicht mit Sicherheit vorhersagen. Schon heute versucht man, durch die Bündelung von Sendungen sowie einer besseren Auslastung von LKW und Transportern das Transportaufkommen zu reduzieren. Diese Massnahmen müssen angesichts einer Zunahme von individualisierter Produktion und Distribution noch verstärkt werden, damit die Individual-Lieferverkehre eben nicht proportional zunehmen.

These 3: Ersatzteile werden als Datenmodell in virtuellen Lagern gespeichert und bei Bedarf ausgedruckt.

Die grössten Chancen bietet die additive Fertigung für das Ersatzteilgeschäft. Firmen sind verpflichtet, ihren Kunden Ersatzteile auch nach vielen Jahren zu liefern. Das Vorhalten dieser Ersatzteile bindet grosse Lagerflächen und damit Geld. Manche Ersatzteile sind unter Umständen nach einer langen Lagerung nicht mehr verwendbar und müssen entsorgt werden. Werden Maschinen und ihre Funktionalität verbessert, können ältere Ersatzteile für die neue Produktversion nicht mehr verwendet werden.

Für all diese Probleme bietet der 3D-Druck die Lösung:

  • Ein grosser Teil an Lagerfläche wird eingespart, wenn nur noch die Baupläne archiviert werden.
  • Selten gebrauchte Ersatzteile müssen nicht mehr physisch vorgehalten werden. 
  • Ersatzteile für Werkzeuge und Maschinen mit verbesserter Funktion können digital angepasst und erst dann ausgedruckt werden, wenn sie gebraucht werden. 
  • Lagerung ist damit material- und ressourcenschonend.

Aufgrund dieser Vorteile wird der 3D-Druck vom englischen, amerikanischen und chinesischen Militär bereits eingesetzt. Die US-Armee druckt direkt im Kriegsgebiet OP-Besteck und Schutzmasken aus. Frachtcontainer wurden zu mobilen 3D-Druckwerkstätten umgebaut, um die im Ausland stationierten Soldaten mit Ausrüstung und Ersatzteilen zu versorgen. Auch die NASA experimentiert mit den Möglichkeiten des 3D-Drucks. Sie hat die Produktion eines 3D-Druckers beauftragt, der für den Einsatz im Weltall geeignet ist. Der Wunschgedanke: Astronauten können ihre Werkzeuge und Ersatzteile selbst drucken und müssen sie nicht von der Erde mitnehmen. 2014 soll der Drucker für ein Experiment in Schwerelosigkeit zur Internationalen Raumstation ISS geflogen werden.

Auf der Erde sind es die Liebhaber alter Autos und Flugzeuge, die die neue Technologie schätzen. Mittels 3D-Druck können sie nicht mehr erhältliche Ersatzteile drucken oder auf Tauschbörsen damit handeln. Prominentester Fan des 3D-Drucks ist der US-amerikanische Entertainer und Showmaster Jay Leno, der eine ganze Halle voller Oldtimer besitzt. Auf youtube zeigt er, wie er für seinen 1907 gebauten White Steamer Ersatzteile mittels 3-Druck erstellt.

Chance für Logistikdienstleister?

Bereits heute übernehmen Logistikdienstleister häufig die Ersatzteillogistik als Dienstleistung. UPS und DHL haben Pilotprojekte ins Leben gerufen und untersuchen, inwieweit sich ihre Dienstleistungen auf das Geschäftsfeld 3D-Druck ausweiten lassen. Es wird sich zeigen, ob sich die Hersteller für die Speicherung und Lagerung ihrer Baupläne an ihre Logistikdienstleister wenden oder ob sich hier ein Geschäftsfeld für IT-Spezialisten auftut.

Logistikdienstleister werden nur dann die Lagerung der Datenmodelle und das Ausdrucken übernehmen können, wenn die Hersteller ihnen vertrauen und bereit sind, die 3D-Datenmodelle an sie zu übergeben.

Sicher ist, dass der «Wert» einer Ware in Zukunft in einer digitalen Datei stecken wird. Hersteller werden versuchen, ihr geistiges Eigentum zu schützen, indem sie Kopierschutzmechanismen einbauen und Lizenzrechte vergeben. Welche Rolle die Logistikdienstleister dabei übernehmen werden, ist noch nicht abzusehen.

These 4: Kontrollfunktion des Zolls wird ausgehebelt

Die Vorstellung, dass in den kommenden Jahren vermehrt Baupläne digital um die Welt geschickt werden und die Produkte in der Nähe des Verbrauchers ausgedruckt werden, wirft weitere Fragen auf. Wenn es kein physisches Überschreiten einer Grenze mehr gibt, bleibt auch der Zoll aussen vor. Der Wegfall von Importzöllen ist nur eine von mehreren Folgen. Wobei die Zollbehörden diesen Ausfall ihrer Einnahmequelle verschmerzen werden. 2013 betrugen die Einnahmen der EU aus Drittlandszöllen 4,2 Milliarden Euro. Das ist im Vergleich zu den Steuereinnahmen wie der Verbrauchsteuer (65,7 Milliarden) und der Einfuhrumsatzsteuer (48,5 Milliarden) eine vergleichsweise geringe Summe – siehe Zollbilanz 2013.

Dabei ist zu bedenken, dass der 3D-Druck nicht in der Lage sein wird, alles zu ersetzen, was heute aus fernen Ländern nach Europa importiert wird. Sicher ist, dass weiterhin Rohstoffe transportiert werden – zum Beispiel Textilien, Leder oder Produkte, die aus einem Mix an Materialien bestehen. Die Digitalisierung des Warenverkehrs wird aber andere Auswirkungen haben. Wenn Waren keine Grenzkontrollen mehr passieren, hat der Zoll auch keinen Zugriff mehr darauf.

Der Zoll verhindert heute, dass Fälschungen in Umlauf kommen. 2013 wurde beispielsweise die Einfuhr von über 3,9 Millionen gefälschten Waren im Wert von 134 Millionen Euro verhindert (siehe Zollbilanz 2013). Darüber hinaus prüft der Zoll, ob Verbraucherschutzmassnahmen und Exportkontrollvorschriften eingehalten werden. Damit sorgt er für die Sicherheit im internationalen Warenverkehr.

Die Ausbreitung des 3D-Drucks und die Übertragung von Waren in digitaler Form könnten diesen Sicherheitsaspekt aushebeln. Stattdessen werden andere Kontrollmechanismen greifen müssen, die beispielsweise heute schon im Exportkontrollrecht praktiziert werden. Hier liegt es zuallererst in der Verantwortung der Unternehmen selbst, die gesetzlich vorgeschriebenen Regelungen einzuhalten. Inwieweit sich der Gesetzgeber beziehungsweise die Zollbehörden «einmischen» werden und ob es bald neue Regelungen für die Herstellung mittels 3D-Druck sowie die digitale Übertragung von Waren geben wird, bleibt abzuwarten.

(Bildquelle: © mailfor/istockphoto.com)




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