Seit dem 01.01.2015 gilt flächendeckend ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn für Arbeitnehmer in Höhe von Euro 8,50 brutto je Zeitstunde. Das Gesetz ist durch Artikel 1 des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie zum 16.08.2014 in Kraft getreten.
5 Fakten zum neuen Mindestlohngesetz in Deutschland
Anspruch auf den flächendeckenden Mindestlohn haben:
- alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
- Praktikanten
- Ausnahme besteht bei: Pflichtpraktika im Rahmen der Schulausbildung oder des Studiums, Orientierungspraktikum bis zu drei Monaten
- geringfügige Beschäftigte
- sogenannte Minijobber (ohne Ausnahme)
Keinen Anspruch haben:
- Auszubildende
- ehrenamtlich Tätige
- Selbständige und arbeitnehmerähnliche Personen
- Jugendliche unter 18 Jahren und ohne abgeschlossene Berufsausbildung
- Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten einer Beschäftigung
Die aktuelle Höhe des Mindestlohns beträgt 8,50 Euro pro Zeitstunde. Nach Auffassung des Gesetzgebers ist dieser Betrag geeignet, einen angemessenen Mindestentgeltschutz für Arbeitnehmer zu gewährleisten. Bei einer Vollzeitbeschäftigung wird ein Monatseinkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze erzielt – gilt als sogenanntes pauschaliertes Existenzminimum.
Ausnahmen bestehen aktuell noch im Bereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes und bei allgemeinverbindlichen Tarifverträgen. Darin enthaltene Stundensätze unterhalb der Mindestlohnhöhe müssen erst zum 01.01.2017 stufenweise angepasst werden. Auch für Zeitungszusteller gibt es noch eine Sonderregelung.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Entgeltbestandteile auf den Mindestlohn angerechnet werden können. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Entsenderichtlinie sind dies all diejenigen Vergütungsbestandteile, welche für die sogenannte Normalarbeitsleistung bezahlt werden. Da zum Mindestlohngesetz aktuell noch keine Rechtsprechung vorliegt, wird auf diese Entscheidungen zurückgegriffen. Provisionen, leistungsbezogene Boni und Tantieme sind zum Beispiel gesonderte Vergütungsbestandteile und sind im Wesentlichen nicht in den Mindestlohn hineinzurechnen. Auch Trinkgelder in der Gastronomie gehören nicht zum Mindestlohn. Erschwerniszulagen und – bei der Verpflichtung zur Schichtarbeit – auch Schichtzulagen können berücksichtigungsfähig sein.
Der Mindestlohn ist bis spätestens zum Ende des auf die Arbeitsleistung folgenden Kalendermonats zu bezahlen. Damit soll gewährleistet werden, dass tatsächlich geleistete Arbeitsstunden kurzfristig vergütet werden und das Existenzminimum monatlich erreicht wird. Dies kann zu Schwierigkeiten führen, wenn Sonderzahlungen in den Mindestlohn hineingerechnet werden, jedoch nur einmal jährlich zur Auszahlung kommen.
Beispiel:
Ein Arbeitgeber bezahlt seinen Mitarbeitern 1.300 Euro brutto für eine monatliche Arbeitszeit von 160 Stunden. Zusätzlich erhalten die Arbeitnehmer im Monat November ein 13. Monatsgehalt.
Problem: Bezogen auf das Jahresentgelt von insgesamt 16.900 Euro brutto beträgt der Stundenlohn 8,80 Euro und liegt somit über der gesetzlichen Grenze. Aufgrund der im Mindestlohngesetz enthaltenen Fälligkeitsregelung darf das 13. Monatsgehalt nur im Monat November berücksichtigt werden – nicht auch anteilig in Höhe von 1/12 in den weiteren Monaten. Damit liegt der Stundenlohn in elf Monaten des Jahres nur bei 8,125 Euro. Der Arbeitgeber verstösst während dieser Zeit gegen die Regelungen des Mindestlohngesetzes. Er ist jedoch verpflichtet, sicherzustellen, dass der Mindestlohn monatlich erreicht wird.
Lösung: Sofern der Arbeitgeber im angeführten Beispiel die Zahlung des 13. Monatsgehalts ratierlich in Höhe von 1/12 pro Monat veranlasst – der monatliche Betrag liegt dann bei 1.408,33 Euro – ist der vorgegebene Mindestlohn erreicht.
Neben der Regelung zur Höhe des Mindestlohns enthält das Gesetz weitere Regelungen mit Relevanz für Arbeitgeber, die grundsätzlich oberhalb der Entgeltgrenze von 8,50 Euro brutto pro Stunde liegen. Zunächst gilt für Arbeitgeber mit Sitz im Ausland eine Meldepflicht (§ 16 Abs. 1 MiLoG), wenn er Arbeitnehmer in den folgenden Wirtschaftsbereichen in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt (zurückzuführen auf § 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz):
- Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe Personenbeförderungsgewerbe
- Baugewerbe, Spedition und Logistik
- Schausteller
- Unternehmen der Forstwirtschaft und des Messebaus Gebäudereinigung und Fleischwirtschaft
Weiter ist in § 17 MiLoG eine Dokumentationspflicht bezüglich Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit geregelt. Unternehmen – welche in den genannten Bereichen des § 2 a Schwarzarbeitbekämpfungsgesetzes Mitarbeiter beschäftigen – sind verpflichtet diese Unterlagen spätestens am 7. Tag nach der erbrachten Arbeitsleistung vorweisen zu können und müssen sie über die Dauer von zwei Jahren aufbewahren. Die Dokumentationspflicht gilt auch für geringfügig Beschäftigte. Die Verpflichtung kann an die Mitarbeiter delegiert werden. Allerdings sollte jeder Arbeitgeber sicherstellen, die Unterlagen im Falle von Kontrollen vorweisen zu können.
Darüber hinaus enthält das Mindestlohngesetz in § 13 MiLoG eine Auftraggeberhaftung. Sofern Sub- oder Nachunternehmer für Werk- oder Dienstleistungen beauftragt werden, muss der Auftraggeber sicherstellen, dass auch diese die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes einhalten. Dabei haftet der Auftraggeber einmal gegenüber dem betroffenen Arbeitnehmer, welcher den Mindestlohn von seinem Arbeitgeber nicht erhalten hat. Weiter ergeben sich Bussgeldtatbestände, wenn die Einhaltung des Mindestlohns bei nachgeordneten Unternehmen nicht eingehalten wird.
Das Mindestlohngesetz kontrolliert auch die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen. So ist in § 14 MiLoG geregelt, dass die Behörden der Zollverwaltung für die Prüfung und Einhaltung der Pflichten eines Arbeitgebers aus dem Mindestlohngesetz zuständig sind. Für grenzüberschreitende Bereiche ist darüber hinaus § 18 MiLoG relevant – welcher eine Zusammenarbeit der in- und ausländischen Behörden normiert. Verstösse gegen die gesetzlichen Bestimmungen sind weitgehend ordnungswidrig und können hohe Bussgelder zur Folge haben.
Mit dem Mindestlohngesetz sind auf den ersten Blick kleine, insgesamt aber weitreichende Veränderungen im deutschen Arbeitsleben eingetreten. Ob der Mindestlohn allerdings – wie von vielen befürchtet – zu einem Rückgang auf dem Arbeitsmarkt führen wird, bleibt abzuwarten. Bislang haben sich noch keine grösseren Auswirkungen gezeigt.
Die Höhe des Mindestlohns bewegt sich im europäischen Vergleich im oberen Bereich.
- Frankreich: 9,53 Euro
- Luxemburg: 11,10 Euro
- Niederlanden: 9,11 Euro
- Irland: 8,65 Euro (auf deutschem Niveau)
- Grossbritannien: 7,43 Euro
- Spanien: 3,91 Euro
- Griechenland 3,35 Euro
- Portugal: 2,92 Euro
- Polen: 2,31 Eur
Wie sich der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland zukünftig entwickelt, ist aktuell nicht absehbar. Zwar regelt das Gesetz, dass eine ständige Mindestlohnkommission regelmässig über Anpassungen und Höhe entscheidet, eine erste Anpassung wird es jedoch frühestens zum 01.01.2017 geben.
In der Praxis werden in vielen Bereichen der Industrie bereits jetzt deutlich höhere Gehälter bezahlt. Für die Zukunft wird sowohl eine Lockerung als auch Verschärfung der aktuellen Regelungen diskutiert – unter anderem der Dokumentationspflicht. Auch hier liegen noch keine gesicherten Aussagen vor. Es bleibt daher spannend, wie sich das Thema Mindestlohngesetz entwickelt.
(Bildquelle: © webphotographeer/iStockphoto)