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28. Apr 2015, Wirtschaft | Wirtschaftsaustausch

6 Herausforderungen im schweizerisch-deutschen Aussenhandel 2015

Stand und Perspektiven des Wirtschaftsaustausches Deutschland-Schweiz 2015. Ein Ausblick von Ralf Bopp, Direktor der Handelskammer Deutschland-Schweiz.

Der Wirtschaftsaustausch zwischen Deutschland und der Schweiz funktioniert seit Jahren ausgezeichnet und bewegt sich auf eindrücklichem Niveau. Das Handelsvolumen erreichte 2014 89,9 Milliarden Schweizer Franken. Das bedeutet, Waren im Wert von circa 240 Millionen Schweizer Franken fliessen täglich über die Grenze unserer Länder.

Doch Umfeldbedingungen im weltweiten Exportgeschäft ändern sich stetig und die künftigen Herausforderungen für die Unternehmen im schweizerisch – deutschen Aussenhandel sind nicht kleiner geworden.

1. Deutschland ist wichtigster Wirtschaftspartner der Schweiz – doch mit relativem Bedeutungsschwund

Deutschland blieb auch 2014 unangefochten der wichtigste Handelspartner im Austausch von Waren mit der Schweiz. Doch diese Position erodiert jährlich leicht, aber kontinuierlich. Der Vergleich über mehrere Jahre lässt die Veränderung deutlich werden: Während der Anteil Deutschlands an den Schweizer Importen 2008 noch 34,7 Prozent betrug, fiel dieser kontinuierlich bis auf 28,8 Prozent im Jahr 2014 zurück. Abgeschwächt verlief die Entwicklung bei den Exporten nach Deutschland – die von 20,3 Prozent im Jahr 2008 auf einen Anteil von 18,3 Prozent im Jahr 2014 zurückgingen.

Der relative Bedeutungsschwund von Deutschland im Aussenhandel der Schweiz ist im Spiegel der weltweiten Ausdifferenzierung von Wertschöpfungsketten und dem wirtschaftsgeographischen Bedeutungszuwachs von vielen Schwellen- und Transformationsländern zu sehen, darunter vor allem asiatischer Länder wie China.

2. Wachsender Dienstleistungsverkehr

Meist unbeachtet steigt der Austausch von unternehmensnahen Dienstleistungen (ohne Reiseverkehr) stetig an, welcher inzwischen ungefähr ein Drittel des Handelsvolumens ausmacht. Alleine der unternehmensnahe Dienstleistungsverkehr der Schweiz mit Deutschland ist heute so hoch wie der gesamte Warenaustausch der Schweiz mit Frankreich. Einerseits erlauben die Rahmenbedingungen die Zusammenarbeit in den Dienstleistungsbereichen und im Handwerk seit Inkrafttreten der bilateralen Verträge. Andererseits sind viele Produkte, insbesondere Investitionsgüter, nur mit ergänzenden Dienstleistungen gemäss ihrem Verwendungszweck einsatzfähig.

3. Wirtschaftliche Verflechtung nimmt zu

Die Verringerung der Fertigungstiefe und die Outsourcing-Aktivitäten der Industriefirmen nahmen in den vergangenen Jahren stetig zu. Das gilt auch für das Global Sourcing. Was seit Jahren für die Grossindustrie und mittelgrosse Unternehmen als selbstverständlich gilt, wird zunehmend auch von Kleinunternehmen praktiziert.

Wertschöpfungsketten sind heute international fragmentiert. Deutsche und Schweizer KMUs kaufen ebenfalls immer mehr im Ausland ein. Davon profitiert der Wirtschaftsaustausch zwischen Deutschland und der Schweiz. Die Qualität der Wirtschaftsbeziehungen gilt als ausgezeichnet. Über die Jahrzehnte des florierenden Handels ist ein hoch geschätztes Vertrauen der Wirtschaftspartner zueinander entstanden. Zwischen deutschen und schweizerischen Unternehmen existiert heute ein ausgezeichnetes und enges Beziehungsnetz zwischen Herstellern, Zuliefer- und Handelsunternehmen.

4. Wechselkurs

Die Belastung der Schweizer Exportwirtschaft durch die Überbewertung des Schweizer Frankens zum Euro hat sich zu Beginn des Jahres 2015 mit der Aufhebung der Euro-Kurs Untergrenze durch die Schweizer Nationalbank noch deutlich vergrössert. Experten halten gemäss Kaufkraftparität den Franken schon bei 1,20 zum Euro überbewertet.

Die Währungssituation vor 2011 und nach Aufgabe der Untergrenze zeigt jedoch, dass der Franken stark von Kapitalströmen getrieben ist, die das realwirtschaftlichen Austauschverhältnis nicht abbilden, sondern mit der Absicherung von Risiken der Finanzmärkte zu tun haben (save heaven Funktion).

Die Gefahr ist dabei gross, dass dieser stark verzerrte Wechselkurs auch länger anhalten kann und sowohl die konjunkturelle als auch die strukturelle Situation der Schweizer Wirtschaft und damit den Aussenhandel mit Deutschland stark beeinträchtigen kann. Die Aussenhandelsergebnisse zwischen Deutschland und der Schweiz sind zu Jahresbeginn 2015 spürbar rückläufig.

5. Schweiz-EU

Vor dem Hintergrund der engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Deutschland und der Schweiz hat die Wirtschaft auch ein Jahr nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative keine Planungssicherheit. Es steht nach wie vor die Gefahr der Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens zwischen der Schweiz und der EU und damit der gesamten bilateralen Abkommen I im Raum.

Der Schaden für den Wirtschaftsaustausch unserer Länder wäre beträchtlich. Aufgrund des hohen Verflechtungsgrades zwischen der Schweiz und der EU bleibt zu hoffen, dass innerhalb der noch kurzen Zeit von knapp zwei Jahren Frist für die Umsetzung der Initiative eine Lösung gefunden wird, die eine gemeinsame wirtschaftsfreundliche Basis für beide Seiten, Schweiz-EU, gewährleistet.

6. Bürokratie kennt nur eine Entwicklungsrichtung

Ob durch Entsenderichtlinien, Zollverschriften, Mindestlöhne, MWST-Regelungen oder Verordnungen zur Sozialversicherung und leider vieles mehr, die Regelungsdichte, die administrativen Aufwendungen und damit verbundene Beleg- und Beweisführungspflichten für die Unternehmen haben in den letzten Jahren in beiden Ländern für die Unternehmen deutlich zugenommen. Davon sind grenzüberschreitende Geschäftsvorgänge ebenfalls betroffen. Für kleinere Unternehmen und für kleinere Aufträge wird das Geschäft über die Grenze mit jedem Jahr relativ kostenintensiver.

Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen unserer Exportnationen zielen auf die Offenheit der Märkte, den freien Wettbewerb, von Gütern, Dienstleistungen und den freien Personenverkehr. Diese freiheitliche wirtschaftspolitische Grundausrichtung unserer Länder darf weder durch eine überbordende Regulierung noch durch sonstige Wirtschaftshemmnisse unterlaufen werden. Insbesondere für kleine und mittelständische Exporteure von Waren und Dienstleistungen fallen auf die naheliegenden Märkte auch in Zukunft der Hauptteil ihrer internationalen Aktivitäten.

(Bildquelle: © mediaphotos/iStockphoto)




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