Herr Posch, Airbus ist der grösste Luft- und Raumfahrtkonzern in Europa. Sie sind der Geschäftsführer der Airbus DS Schweiz GmbH und haben Ihr Büro in Muri bei Bern. Was genau sind Ihre Aufgaben in der Schweiz?
Franz Posch (FP): Unser Büro in der Schweiz existiert bereits seit Jahren, und unsere Hauptaufgabe ist die des direkten Ansprechpartners vor Ort in der Schweiz für unsere Kunden und unsere Partner. Zum Beispiel für zahlreiche Aufträge und Projekte mit dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) oder als Dienstleister für die SWISS und edelweiss bei der Betreuung ihrer Airbus Flugzeuge. Es ist einfach so, dass durch eine dauerhafte Präsenz vor Ort unsere Kunden, die eidgenössische Industrie, Verbände, Institute und Hochschulen, die armasuisse und weitere relevante Stellen einen direkteren und leichteren Zugang zu Airbus haben. Das gilt natürlich auch für die Mitglieder der Handelskammer Deutschland-Schweiz.
Spielt das auch eine Rolle beim Beschaffungsprojekt Air2030?
FP: Natürlich nutzen wir diese Expertise auch bei der Erstellung unseres Angebots «Eurofighter für die Schweiz» und stehen unseren Ansprechpartnern für alle Fragen rund um den Eurofighter als europäische Lösung zur Verfügung.
Frau Brennberger, Ihre Rolle ist die des Head of Eurofighter Export Industrial Partnerships. Das tönt sehr vielversprechend für potenzielle Partner von Airbus und Eurofighter. Was verbirgt sich dahinter konkret?
Julia Brennberger (JB): Innerhalb Airbus Defence and Space haben wir eine dezidierte Organisation, die sich mit der Initiierung industrieller Kooperationen bei Exportvorhaben beschäftigt. Aktuell betreuen wir weltweit Partnerschaften in rund 30 Ländern. D.h. basierend auf der enormen Erfahrung von Airbus und dem umfassenden Portfolio innerhalb der Airbus Gruppe identifizieren wir Kooperationsmöglichkeiten für die jeweilige Industrie im Land des Kunden. Somit unterstützen wir diese bei der Etablierung von nachhaltigen Vorhaben. Das gilt auch für das Angebot «Eurofighter für die Schweiz». Dabei spielt natürlich auch die Airbus DS Schweiz GmbH mit ihrer langjährigen Inlandserfahrung eine wichtige Rolle.
Sie nannten beide bereits das Angebot «Eurofighter für die Schweiz». Die Offerten für das neue Kampfflugzeug wurden ja durch die vier Wettbewerber Ende letzten Jahres an die Schweiz übergeben. Was zeichnet dabei aus Ihrer jeweiligen Sicht das Eurofighter-Angebot aus?
FP: Der Eurofighter ist die passende Lösung für die Schweiz. Der Eurofighter sichert für die Schweiz die Luft- und Datenhoheit. Warum sagen wir das? Zum einen fliegt der Eurofighter schneller, höher und ist zuverlässiger und ist damit ideal geeignet für den Luftpolizeidienst. Dafür ist der Eurofighter im internationalen Vergleich der Beste und deshalb auch das meistgenutzte Flugzeug für den Luftpolizeidienst in Europa. Zum anderen bleiben mit dem Eurofighter Schweizer Daten in Schweizer Händen. Der Eurofighter ist somit der Garant für Luft- und Datenhoheit.
Auch Deutschland hat sich Ende letzten Jahres für die neueste Generation des Eurofighter, die sogenannte Tranche 4, entschieden. Somit ergibt sich für die Schweiz jetzt die einzigartige Möglichkeit, Eurofighter der neuesten Generation parallel mit Deutschland zu beschaffen. Das bedeutet für die Schweiz Synergien und Vorteile bei Anschaffung, Ausbildung und Betrieb.
JB: Für das Eurofighter Angebot haben wir ein durchdachtes und ausgereiftes Konzept für industrielle Partnerschaften mit Schweizer Unternehmen und Einrichtungen entwickelt. Das zentrale Element ist dabei die Endmontage der Eurofighter Flugzeuge in der Schweiz. Die Schweiz wird somit über Flugzeuge verfügen, die von eigener Industrie gefertigt, getestet und instandgehalten werden. Somit erhält die Schweizer Industrie Know-how und Daten des Eurofighter und es werden Arbeitsplätze in der Schweiz geschaffen...
FP: ...und natürlich sichert die Endmontage in der Schweiz, sowie der Know-how und Technologietransfer, die Autonomie der Schweiz beim Betrieb des Eurofighter in den nächsten Jahrzehnten.
Was bedeutet die Endmontage des Eurofighter in der Schweiz für die eidgenössische Industriebasis? Wie kann eine Eurofighter-Beschaffung Schweizer Unternehmen und Einrichtungen jenseits des direkten Beschaffungsprojekts helfen?
JB: Durch Projekte wie die Flugzeug-Endmontage werden direkt Fähigkeiten in der Schweiz etabliert, die über die Nutzung im Bereich der militärischen Luftfahrt hinaus in dual-use und kommerzielle Industriebereiche wirken. Die Technologien und Ergebnisse von Forschungs- und Weiterentwicklungsprogrammen mit militärischem Hintergrund finden auch Anwendung in anderen sicherheitsrelevanten Industrien und zivilen Bereichen. Auf diesem Wege profitieren weitere Industriesektoren von ursprünglich durch die Kampfflugzeug-Beschaffung induziertem Know-how. Man kann sagen, der Eurofighter ist ein Ticket für Fähigkeiten der Zukunft.
FP: Eine Beschaffung des Eurofighter eröffnet Schweizer Partnern nicht nur den Zugang zu Airbus. Hinter Eurofighter stehen Europas führende Luft- und Raumfahrt- und Verteidigungsunternehmen wie BAE Systems und Leonardo, sowie MTU Aero Engines, Rolls-Royce, ITP und GE Avio. Es gibt kaum einen breiteren Zugang zu Hochtechnologie und wirtschaftlicher Teilhabe im Bereich Luft- und Raumfahrt – und dieser Zugang ist nicht nur auf Projekte mit Eurofighter beschränkt. Mit den genannten Firmen gibt es nahezu unbegrenzte Möglichkeiten zur Zusammenarbeit. Also eigentlich nicht nur ein Ticket für Fähigkeiten der Zukunft, sondern eher ein Abo.
Das tönt sehr positiv – aber wenn Sie von «unbegrenzten Möglichkeiten» sprechen, in welchen Bereichen sind solche Kooperationen für die Schweiz möglich, und können Sie uns einen Eindruck geben, wie man solche Projekte gestaltet?
FP: Die Beschaffung des neuen Kampfflugzeuges ist eine einmalige Gelegenheit für die Zusammenarbeit mit Unternehmen in der Schweiz in allen Kantonen und in den unterschiedlichsten Technologiebereichen – auch ausserhalb der Verteidigung. Dazu gehören zum Beispiel Zukunftsthemen wie Urban Air Mobility und Drohnen, Cybersicherheit oder neue Hightech-Produktionsverfahren. Somit erschliesst sich die Schweizer Industrie langfristig den Zugang zu Schlüsseltechnologien. Und wie gesagt, diese Kooperationsangebote und Möglichkeiten bietet nicht nur Airbus, sondern auch die über 400 anderen Firmen die Teil des Eurofighter-Programms sind.
JB: Durch unser industrielles Konzept bieten wir transparent die Möglichkeit für Schweizer Unternehmen und Einrichtungen Kooperationsvorhaben aufzusetzen. Dies beinhaltet einen dedizierten Auswahlprozess, durch den Projektideen unterstützt und im Rahmen von Industriebeteiligungen umgesetzt werden können. Die Identifikation von Kooperationsmöglichkeiten und Investitionen in Kooperationsideen stärkt die Fähigkeiten der eidgenössischen Industrie und fördert kooperative Forschung und Entwicklung.
Können Sie einen Eindruck geben, wie weit Eurofighter bereits bei der Identifikation der Kooperations-Projekte für die Schweiz fortgeschritten ist?
JB: Im Rahmen des Angebots haben wir dem Schweizer Bundesamt für Rüstung unser ganzheitliches Konzept dargestellt. Wir haben hierfür bereits zentrale Projekte wie zum Beispiel die Endmontage der Flugzeuge in der Schweiz mit unseren Schweizer Partnern technisch ausgearbeitet und konkret angeboten.
FP: Die Schweiz profitiert dabei von der Erfahrung von Airbus aus zahlreichen, erfolgreichen Kooperations-Projekten weltweit. Auch in der Schweiz verfügen wir bereits über umfangreiche und erfolgreiche Kooperationserfahrungen im Rahmen bisheriger eidgenössischer Beschaffungsprojekte. Mit dieser Erfahrung haben wir konkrete Ideen und Möglichkeiten für mehr als 60 Projekte mit Schweizer Partnern identifiziert. Unter anderem in High-Tech-Bereichen wie künstlicher Intelligenz, Cyber-Sicherheit, Fertigungstechnologien, Komponenten & Services sowie Technologie & Innovation.
Ist damit die Identifikation der Projekte bereits abgeschlossen, oder sind Sie weiterhin interessiert an zusätzlichen Kooperationsmöglichkeiten?
JB: In der Tat sind wir weiterhin sehr stark interessiert an Ideen und Projekten für zukünftige Kooperation, und dabei reden wir nicht nur über die nahe Zukunft. Ein solches Beschaffungsprogramm sichert eine langfristige Partnerschaft, d.h. über Jahrzehnte hinweg. Die Schweizer Industrie unterstützt Airbus bereits sehr kompetent und professionell in vielen Programmen. Darauf wollen wir aufbauen und den industriellen Footprint im Rahmen der Kampfflugzeugbeschaffung in der Schweiz erweitern.
Was können unsere Mitglieder, Schweizer Unternehmen, Institute und Hochschulen ganz konkret unternehmen, um Teil dieses Vorhabens zu werden?
FP: Gerne stehen wir Ihnen unter den angegebenen Kontaktdaten zur Verfügung, um Ideen und Projekte zu diskutieren und deren Umsetzung zusammen mit unseren Experten im aktuellen Rahmen zu prüfen bzw. umzusetzen. Idealerweise haben Sie bereits eine konkrete Idee zur Zusammenarbeit in einem der genannten Technologie- und Industriebereiche – wir freuen uns auf jeden Fall auf Ihre Ideen und die Zusammenarbeit.
Kontakt
Franz Posch:
+41 31 95 17 990,
franz.posch@airbus.com,
www.eurofighter.ch
Julia Brennberger:
+49 (0) 170 8518588,
offset_ch@airbus.com