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13. Feb 2020, Recht & Steuern | Auskunftsrechte der Erben

Das Bankkonto in der Schweiz nach dem Tod - Wie weit gehen die Auskunftsrechte der Erben?

Nach dem Tod eines Erblassers ist die Feststellung des Nachlassvermögens ein zentrales Anliegen der Erben. Entsprechend oft sind Banken und andere Beauftragte des Erblassers mit Auskunftsbegehren von Erben konfrontiert. Ein neuer Entscheid des Bundesgerichts schränkt die Informationsrechte der Erben aus Vertrag erheblich ein. Für betroffene Beauftragte dürfte dies im Ergebnis zu Zusatzaufwand führen, für betroffene Erben zu einer Einschränkung von Auskünften.

Gesetzliche und vertragliche Auskunftsrechte nach Schweizer Recht

Erben sind die Rechtsnachfolger des Erblassers. Sie erben nicht nur sein Vermögen, sondern auch seine Verbindlichkeiten. Entsprechend gross ist ihr Bedürfnis nach Informationen über das Vermögen des Erblassers. Insbesondere Erben von ausländischen Erblassern, die ein Konto in der Schweiz besassen, haben häufig ein grosses Informationsdefizit.

Gerade bei nicht deklarierten Konten dürften sich im Nachlass kaum Unterlagen zum Konto in der Schweiz finden. Die Erben wissen bestenfalls, dass ein Konto existiert und bei welcher Bank. Über Kontostände, geschweige denn Kontobewegungen, ist ihnen hingegen nichts bekannt. In dieser Situation sind die Auskunftsrechte von Erben von zentraler Bedeutung. Erbenverfügen über verschiedene Instrumente, um von Dritten Auskunft über die (finanziellen) Angelegenheiten des Erblassers zu erhalten. In diesem Beitrag wird der Einfachheit halber jeweils von Banken gesprochen. In einer ähnlichen Situation sind aber auch Vermögensverwalter, Treuhänder oder Steuerberater.

Einerseits steht den Erben ein erbrechtliches Auskunftsrecht aus Gesetz zu. Dieses erbrechtliche Auskunftsrecht bemisst sich nach dem anwendbaren Erbrecht und kann sich deshalb je nach Rechtsordnung stark unterscheiden. Aus Schweizer Optik ist in aller Regel das Erbrecht am letzten Wohnsitz des Erblassers anwendbar. Ebenso sind für erbrechtliche Auskunftsklagen üblicherweise die Gerichte am letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig. Wenn also z. B. ein deutscher Staatsangehöriger in Deutschland stirbt, sind die erbrechtlichen Auskunftsrechte auch im Hinblick auf ein Konto in der Schweiz nach deutschem Erbrecht zu beurteilen und unterstehender deutschen Gerichtsbarkeit.

Es ist im Einzelfall zu prüfen, welches Erbrecht Anwendung findet. Das gesetzliche Auskunftsrecht nach schweizerischem Erbrecht setzt voraus, dass die verlangte Auskunft zur Wahrung von erbrechtlichen Ansprüchen erforderlich ist (z. B. zur Berechnung der Pflichtteile). Ein erbrechtlicher Auskunftsanspruch kann beispielsweise bestehen, wenn die Bank Kenntnis über pflichtteilsverletzende Vermögensflüsse vom Erblasser an Dritte hat. Falls ein ausländisches Erbrecht anwendbar ist, müssen die Erben darlegen, welche Informationen ihnen gestützt auf dieses Recht zustehen. Die schweizerische Bank wiederum muss grundsätzlich kontrollieren, ob die Ausführungen der Erben korrekt sind. Andernfalls riskiert sie, durch eine Auskunft ohne ausreichende Rechtsgrundlage das Bankkundengeheimnis zu verletzen. Neben dem erbrechtlichen Auskunftsrecht steht den Erben zudem ein vertragliches Auskunftsrecht zu.

Die Grundlage dafür findet sich im Vertragsverhältnis zwischen dem Erblasser und der Bank (bzw. anderen Dienstleistern). Insbesondere in Auftragsverhältnissen hat der Auftraggeber ein umfassendes Auskunftsrecht, um die ordnungsgemässe Vertragserfüllung durch den Beauftragten zu kontrollieren. Da die Erben in die Vertragsposition des Erblassers nachrücken, gehen dessen vertragliche Rechte und Pflichten, darunter auch vertragliche Auskunftsrechte, grundsätzlich auf sie über. Im Gegensatz zum erbrechtlichen Auskunftsrecht, das primär am letzten Wohnsitz des Erblassers anknüpft, unterstehen das Vertragsverhältnis mit der Schweizer Bank und die daraus abgeleiteten Auskunftsrechte in aller Regel dem Schweizer Recht. Zudem sind regelmässig die Schweizer Gerichte am Sitz der Bank für die Beurteilung von Streitigkeiten aus diesem Verhältnis zuständig.

Aus Sicht der Bank ist dies bei Nachlässen, die ausländischem Erbrecht unterstehen, eine erhebliche Erleichterung: Bisher konnte sich die Bank vor einer Auskunftserteilung auf die Prüfung beschränken, ob es sich bei den Auskunftsersuchenden tatsächlich um Erben des Vertragspartners handelt. Abklärungen zum (ausländischen) Erbrecht waren nicht erforderlich. Der Nachweis der Erbenstellung ist insbesondere mittels behördlich ausgestellter Dokumente selbst im internationalen Verhältnis relativ leicht zu erbringen. Zu denken ist beispielsweise an einen deutschen Erbschein oder ein europäisches Nachlasszeugnis. Ein darüber hinausgehendesrechtliches Interesse der Erben an der Auskunft war bisher nichtvorausgesetzt. Eingeschränkt wurde das vertragliche Auskunftsrecht lediglich bei Informationen höchstpersönlicher Natur, z. B. Hinweisen auf eine mögliche Geliebte. Mit dem Nachweis der Erbenstellungerhielten Erben von Banken gestützt auf das auftragsrechtliche Auskunftsrecht bis anhin Kontoeröffnungsunterlagen, Kontoauszüge und Kontosaldierungsunterlagen. Auch Korrespondenz zwischen Erblasser und Bank (z. B. Zahlungsaufträge) konnte auf dieser Grundlage offengelegt werden.

Neuer Entscheid des Bundesgerichts

In einem neuen, einlässlich begründeten Entscheid hat das schweizerische Bundesgericht den Umfang des vertraglichen Auskunftsrechts der Erben nun aber erheblich eingeschränkt und an das erbrechtliche Auskunftsrecht angepasst (4A_522/2018 vom 18. Juli 2019). Der Entscheid dürfte Banken in der Praxis vorschwierige Abgrenzungsfragen stellen.

Konkret ging es im Entscheid um die Frage, ob die Bank den Erben die (ihr bekannte) Identität eines Empfängers einer grösseren Zahlung offenlegen muss, die der Erblasser zu Lebzeiten tätigte.

Das Bundesgericht hat diese Frage dahingehend entschieden, dass das geerbte vertragliche Auskunftsrecht der Erben nicht so weit geht wie das Auskunftsrecht des Erblassers. Die Erben können ein vertragliches Auskunftsrecht zu lebzeitigen Transaktionen des Erblassers demnach nur in zwei Situationen geltend machen: Erstens wenn ihre gesetzlichen Erbansprüche unter dem anwendbaren in- oder ausländischen Erbrecht (z. B Pflichtteil oder Recht auf Ausgleichung von lebzeitigen Zuwendungen an Miterben)verletzt sein könnten.

Zweitens sofern die Auskunftserteilung zur Überprüfung der korrekten Vertragserfüllung durch die Bank notwendig ist. Im Übrigen geht das Recht des Erblassers auf Wahrung seiner Privatsphäre vor, und zwar ungeachtet dessen, ob er die Bank ausdrücklich zur Geheimhaltung aufgefordert hat oder nicht.

Schwierige Umsetzung in der Praxis

In der Praxis kann dies eine Bank vorschwierige Fragen stellen: Wie kann sie beurteilen, ob die von den Erben auf Vertragsbasis verlangten Auskünfte von einer der beiden zulässigen Ausnahmen (Verletzung erbrechtlicher Ansprüche/Kontrolle der Vertragserfüllung) erfasst sind?

Dies ist namentlich im ersteren Fall anspruchsvoll und erfordert eine Einschätzung, ob erbrechtliche Ansprüche der Erbenverletzt sein könnten und ob die verlangten Auskünfte zu einer Heilung dieser Verletzung führen könnten. Muss die Bank selber prüfen, ob die auskunftsersuchenden Erben eine Herabsetzungsklage gegen Dritte vornehmen könnten oder ob das Testament einen Ausgleichungsdispensenthält? Gerade wenn ausländisches Erbrecht zur Anwendung gelangt, kann die Bank diese – gemeinhin durch Gerichte zu entscheidenden – Fragen nicht ohne erheblichen Aufwand beantworten. Die Einschränkung des vertraglichen Auskunftsanspruches (nach Schweizer Recht) durch zusätzliche Voraussetzungen des (ausländischen) Erbrechts verkompliziert die Situation gerade bei ausländischen Nachlässen erheblich.

Nachteile für Erben

Auch für Erben ist diese neue Rechtsprechung wenig erfreulich. Gerade ausländische Erben können nicht mehr darauf vertrauen, dass sie nach Nachweis der Erbenstellung anstandslos Auskünfte überfrühere Kontobewegungen erhalten werden, obwohl solche Informationen möglicherweise wertvolle Informationen auf weitere Bankverbindungen des Erblassers enthalten können. Vielmehr kann ihnen der (mühsame) Nachweis auferlegt werden, ihre Auskunftsberechtigung nach dem anwendbaren ausländischen Erbrecht zu belegen. In aller Regel dürfte dies nicht einfach mit einem Verweis auf einen Gesetzesartikel möglich sein: Gesetze sind selten derart klar formuliert, dass für eine ausländische Bank ohne Weiteres ersichtlich ist, in welchem Umfang sie den Erben Auskunft über Transaktionen des Erblassers in der Vergangenheit erteilen darf und muss. Gerade in strittigen Erbfällen werden Banken zudem von den Anwälten eines (vom Erblasser lebzeitig begünstigen) Erben häufig abgemahnt, dass Auskünfte an andere Erben das Bankgeheimnis verletzen würden. Es ist zu vermuten, dass Banken zur zurückhaltenden Auskunftserteilung tendieren werden.

Auch die zweite Kategorie zulässiger Auskünfte – Kontrolle der Vertragserfüllung – wirft viele Fragen auf: Wie sollen Erben kontrollieren können, ob die Bank ihren Auftrag korrekt erfüllt hat, wenn sie noch gar keine Informationen über Zahlungsflüsse oder Anlagetätigkeit haben? Offenbar ist das Bundesgericht der Meinung, dass für die Kontrolle der Auftragserfüllung nicht sämtliche dokumentierten Informationen notwendig sind, andernfalls macht die Einschränkung des vertraglichen Auskunftsrechts keinen Sinn. Müsste die Bank beispielsweise die Zahlungsaufträge und die Zahlungsbestätigungen offenlegen, aber den Namen des Empfängers schwärzen? So könnten die Erben anhand der Beträge und der Kontonummer des Zahlungsempfängers kontrollieren, ob die Zahlung korrekt ausgeführt wurde, erlangten aber keine Kenntnisse über die Identität des Zahlungsempfängers.

Fazit

Das Risiko, durch eine zu freigiebige Auskunft das Bankgeheimnis zu verletzen, dürfte mit dem neuen Entscheid des Bundesgerichts zugenommen haben. Im Gegensatz zu anderen Berufsgeheimnisträgern wie Anwälten oder Ärzten können sich Banken bei einer unklaren Auskunftsberechtigung nicht behördlich vom Bankgeheimnis entbinden lassen. Klarheit über die Auskunftsberechtigung des Erbenkann in Zweifelsfällen nur ein Gerichtsurteilschaffen. Dies ist weder für Banken noch für Erben befriedigend. Auskunftsersuchenden Erben sämtliche Bankauszüge und Korrespondenz ohne weiteres zugänglich zu machen, scheint vor dem Hintergrund dieses neuen Bundesgerichtsentscheides heikel. Soweit im Einzelfall möglich, sollte von Kunden lebzeitig eine Entbindungserklärung gegenüber den gesetzlichen Erben eingeholt werden.

Neben den Banken ist aber auch jeder potentielle Erblasser gut beraten, sich über die Auswirkungen des Entscheids Gedanken zu machen. Ein Erblasser, der eine einvernehmliche, transparente Erbteilung ermöglichen möchte, muss unter Umständen seine Bank lebzeitig expliziter mächtigen, seinen Erben umfassende Auskünfte zu erteilen.




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