Erben sind die Rechtsnachfolger des Erblassers. Sie erben nicht nur sein Vermögen, sondern auch seine Verbindlichkeiten. Entsprechend gross ist ihr Bedürfnis nach Informationen über das Vermögen des Erblassers. Insbesondere Erben von ausländischen Erblassern, die ein Konto in der Schweiz besassen, haben häufig ein grosses Informationsdefizit.
Gerade bei nicht deklarierten Konten dürften sich im Nachlass kaum Unterlagen zum Konto in der Schweiz finden. Die Erben wissen bestenfalls, dass ein Konto existiert und bei welcher Bank. Über Kontostände, geschweige denn Kontobewegungen, ist ihnen hingegen nichts bekannt. In dieser Situation sind die Auskunftsrechte von Erben von zentraler Bedeutung. Erbenverfügen über verschiedene Instrumente, um von Dritten Auskunft über die (finanziellen) Angelegenheiten des Erblassers zu erhalten. In diesem Beitrag wird der Einfachheit halber jeweils von Banken gesprochen. In einer ähnlichen Situation sind aber auch Vermögensverwalter, Treuhänder oder Steuerberater.
Einerseits steht den Erben ein erbrechtliches Auskunftsrecht aus Gesetz zu. Dieses erbrechtliche Auskunftsrecht bemisst sich nach dem anwendbaren Erbrecht und kann sich deshalb je nach Rechtsordnung stark unterscheiden. Aus Schweizer Optik ist in aller Regel das Erbrecht am letzten Wohnsitz des Erblassers anwendbar. Ebenso sind für erbrechtliche Auskunftsklagen üblicherweise die Gerichte am letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig. Wenn also z. B. ein deutscher Staatsangehöriger in Deutschland stirbt, sind die erbrechtlichen Auskunftsrechte auch im Hinblick auf ein Konto in der Schweiz nach deutschem Erbrecht zu beurteilen und unterstehender deutschen Gerichtsbarkeit.
Es ist im Einzelfall zu prüfen, welches Erbrecht Anwendung findet. Das gesetzliche Auskunftsrecht nach schweizerischem Erbrecht setzt voraus, dass die verlangte Auskunft zur Wahrung von erbrechtlichen Ansprüchen erforderlich ist (z. B. zur Berechnung der Pflichtteile). Ein erbrechtlicher Auskunftsanspruch kann beispielsweise bestehen, wenn die Bank Kenntnis über pflichtteilsverletzende Vermögensflüsse vom Erblasser an Dritte hat. Falls ein ausländisches Erbrecht anwendbar ist, müssen die Erben darlegen, welche Informationen ihnen gestützt auf dieses Recht zustehen. Die schweizerische Bank wiederum muss grundsätzlich kontrollieren, ob die Ausführungen der Erben korrekt sind. Andernfalls riskiert sie, durch eine Auskunft ohne ausreichende Rechtsgrundlage das Bankkundengeheimnis zu verletzen. Neben dem erbrechtlichen Auskunftsrecht steht den Erben zudem ein vertragliches Auskunftsrecht zu.
Die Grundlage dafür findet sich im Vertragsverhältnis zwischen dem Erblasser und der Bank (bzw. anderen Dienstleistern). Insbesondere in Auftragsverhältnissen hat der Auftraggeber ein umfassendes Auskunftsrecht, um die ordnungsgemässe Vertragserfüllung durch den Beauftragten zu kontrollieren. Da die Erben in die Vertragsposition des Erblassers nachrücken, gehen dessen vertragliche Rechte und Pflichten, darunter auch vertragliche Auskunftsrechte, grundsätzlich auf sie über. Im Gegensatz zum erbrechtlichen Auskunftsrecht, das primär am letzten Wohnsitz des Erblassers anknüpft, unterstehen das Vertragsverhältnis mit der Schweizer Bank und die daraus abgeleiteten Auskunftsrechte in aller Regel dem Schweizer Recht. Zudem sind regelmässig die Schweizer Gerichte am Sitz der Bank für die Beurteilung von Streitigkeiten aus diesem Verhältnis zuständig.
Aus Sicht der Bank ist dies bei Nachlässen, die ausländischem Erbrecht unterstehen, eine erhebliche Erleichterung: Bisher konnte sich die Bank vor einer Auskunftserteilung auf die Prüfung beschränken, ob es sich bei den Auskunftsersuchenden tatsächlich um Erben des Vertragspartners handelt. Abklärungen zum (ausländischen) Erbrecht waren nicht erforderlich. Der Nachweis der Erbenstellung ist insbesondere mittels behördlich ausgestellter Dokumente selbst im internationalen Verhältnis relativ leicht zu erbringen. Zu denken ist beispielsweise an einen deutschen Erbschein oder ein europäisches Nachlasszeugnis. Ein darüber hinausgehendesrechtliches Interesse der Erben an der Auskunft war bisher nichtvorausgesetzt. Eingeschränkt wurde das vertragliche Auskunftsrecht lediglich bei Informationen höchstpersönlicher Natur, z. B. Hinweisen auf eine mögliche Geliebte. Mit dem Nachweis der Erbenstellungerhielten Erben von Banken gestützt auf das auftragsrechtliche Auskunftsrecht bis anhin Kontoeröffnungsunterlagen, Kontoauszüge und Kontosaldierungsunterlagen. Auch Korrespondenz zwischen Erblasser und Bank (z. B. Zahlungsaufträge) konnte auf dieser Grundlage offengelegt werden.