1. Besonderheit: Ablaufhemmung
Bei einer Verjährungshemmung aufgrund von Verhandlungen sieht das Gesetz vor, dass die Verjährung frühestens drei Monate nach Ende der Hemmung eintritt (sogenannte Ablaufhemmung).
- Sind bei Ende der Verhandlungen noch mehr als drei Monate Verjährungsfrist «übrig», kommt die Ablaufhemmung nicht zum Tragen.
- Werden zum Beispiel zwei Tage vor Verjährungseintritt Verhandlungen aufgenommen, kann die Verjährung auf diese Weise um fast drei Monate verlängert werden.
Der potentielle Gläubiger erhält also nicht nur während der Verhandlungszeit einen zusätzlichen Puffer, sondern auch für die drei Monate danach. Innerhalb dieser Frist kann durch weitere Massnahmen – zum Beispiel Erhebung einer Klage – erneut eine Verjährungshemmung herbeigeführt werden.
2. Abgrenzung: keine verjährungshemmenden Verhandlungen
Reagiert der Schuldner nicht auf ein Anspruchsschreiben oder ein Verhandlungsangebot, liegen keine verjährungshemmenden Verhandlungen vor. Verhandlungen sollten daher nicht zu knapp vor dem Ende der Verjährungsfrist eingeleitet werden. Denn in diesem Fall ist nicht absehbar, ob der Anspruchsgegner vor Eintritt der Verjährung reagieren wird – oder diese möglicherweise durch blosses Nichtstun herbeiführt.
Die bestehenden Risiken – aufgrund der Unsicherheit eines Nichtreagierens – können bereits bei der Vertragsgestaltung beseitigt werden. So besteht die Möglichkeit, im Vertrag eine Pflicht zur Verhandlung oder Mediation bei Streitigkeiten vorzusehen. In diesem Fall führt schon eine Aufforderung zur Verhandlung beziehungsweise Mediation die Verjährungshemmung herbei.
Auch liegen keine verjährungshemmenden Verhandlungen vor, wenn der Schuldner unmissverständlich mitteilt, dass er den behaupteten Anspruch nicht anerkenne und weitere Gespräche von vornherein ablehnt. In solch einer Situation muss sich ein Anspruchsteller zügig Alternativen zur Verjährungshemmung überlegen, um eine Verjährung seines Anspruchs zu vermeiden – zum Beispiel die Einleitung prozessualer Massnahmen.
3. Problem I: Standardisierte Antwortschreiben
Problematisch ist in der Praxis die Beurteilung von Fällen, in denen der potentielle Gläubiger einen Anspruch behauptet und der vermeintliche Schuldner daraufhin zwar reagiert, aber dem Anspruchsteller weder eine konkrete Zusage noch Absage erteilt.
Häufig wird der Höflichkeit halber der Eingang des Anspruchsschreibens bestätigt und formal darauf hingewiesen, dass man den Sachverhalt prüfen und danach wieder auf die Gegenseite zukommen werde. Selbst wenn in unmittelbarem Anschluss daran weitere Verhandlungen abgelehnt werden, ist streitig, ob in der Zwischenzeit – die für die Vermeidung der Verjährungsfolge durchaus relevant sein kann – eine Hemmung erfolgte.
Um Unsicherheiten in diesem Zusammenhang zu vermeiden, sollte der Anspruchsgegner stets kritisch prüfen, wie er auf Anspruchsschreiben reagiert. Im Zweifel sollte keine Reaktion erfolgen, bis die Marschrichtung für die Zukunft – Einlassen auf Verhandlungen oder nicht – feststeht.
Umgekehrt muss der Gläubiger bei vagen Antworten genau ermitteln, ob diese zur Einleitung von verjährungshemmenden Verhandlungen genügen und gegebenenfalls alternative Massnahmen zur Verjährungshemmung ergreifen.
4. Problem II: Bestimmung des Endes der Verhandlungen
Ein weiteres Problem kann sich bei der Bestimmung ergeben, wann die Verhandlungen und damit die Verjährungshemmung endet.
- Eindeutig ist die Lage, wenn eine Seite explizit weitere Verhandlungen verweigert.
- Schwierig wird es, wenn eine Seite nicht mehr reagiert und die Verhandlungen dadurch «einschlafen» lässt.
Die Rechtsprechung hat hierzu die Formel entwickelt, dass bei einem Einschlafen der Verhandlungen die Verjährungshemmung dann endet, wenn nach Treu und Glauben der nächste Schritt von der Gegenseite zu erwarten wäre. In der Regel sei dies nach etwa einem Monat anzunehmen. Das ist in etwa die benötigte Zeitspanne, um sich mit dem Inhalt eines Schreibens auseinanderzusetzen und sich eine Antwort zu überlegen.
Das Oberlandesgericht Hamm hat die bisherige Rechtsprechung in einem Urteil vom 24.02.2015 (Az. 24 U 94/13) dahingehend ergänzt, dass bei rein formalen Akten (hier ging es allein um die Übersendung von Unterlagen) eine Reaktion üblicherweise innerhalb von zwei Wochen erwartet werden könne. Nach Ablauf dieser Frist ende die Verjährungshemmung.
Anspruchsteller müssen bei laufenden Verhandlungen über streitige Ansprüche stets nachhalten, wann die letzte Korrespondenz erfolgte. Zudem muss genau geprüft werden, wann eine Reaktion der Gegenseite zu erwarten wäre. Wird die Pause zu gross – das heisst je nach Umfang der zu erwartenden Reaktion zwischen zwei Wochen und einem Monat–, sollten umgehend andere verjährungshemmende Massnahmen eingeleitet werden.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Verhandlungen nicht durch eine wiederholte, einseitige Aufforderung zu reagieren, am Leben erhalten werden können. Auch dies hat das Oberlandesgericht Hamm in seinem Urteil noch einmal bekräftigt.