Gesunde Führung: Schlagwort oder Chance?
12. Nov 2015, Wirtschaft | Stress am Arbeitsplatz

Gesunde Führung: Schlagwort oder Chance?

Das grösste Krankheitsrisiko am Arbeitsplatz ist der eigene Vorgesetzte. Schlechte Führung macht krank und verursacht Stress, Leidensdruck und hohe Kosten. Die gute Nachricht: Man kann daran arbeiten.

Das Thema «Gesunde Führung» wird immer relevanter – und das Bewusstsein für die Notwendigkeit steigt. Führungskräfte werden heute verstärkt als das wahrgenommen, was sie effektiv sind: Schlüsselpersonen. Leider vergessen wir allzu oft, dass auch Vorgesetzte nicht ausserhalb ihres Arbeitskontextes agieren können – oder vereinfacht gesagt: Eine schlechte Unternehmenskultur bringt meist auch eine dementsprechende Führungskräfte hervor.

Krankheitserreger Arbeitsplatz

Als Krankentaggeldversicherer sehen wir, dass viele psychisch bedingte Krankschreibungen deshalb erfolgen, weil Arbeitsprobleme nicht rechtzeitig erkannt und dementsprechend behandelt werden.

Die Anforderungen an Führungskräfte sind hoch – und sie werden bei steigender Komplexität in der Arbeitswelt noch weiter zunehmen. In vielen Unternehmen führen noch immer ungünstige Selektionsmechanismen dazu, dass wenig geeignete Menschen mit Führungsverantwortung betraut werden. Auch aufwändige und teure Assessments sind oft wirkungslos und kaum in der Lage, effektiv die «richtigen» Persönlichkeiten mit Führungsverantwortung zu betrauen.

Die Bedeutung von fachlichem Know-How wird oft überschätzt

Wer fachlich brilliert, empfiehlt sich schnell einmal für eine Führungsposition. Doch das fachliche Können sollte nicht das alleinige Kriterium sein. Ob sich jemand als Leiter oder als Leiterin eignet, hängt unter anderem vom Menschenbild und der Führungsmotivation dieser Person ab. Wer Menschen führt, sollte auch ein vitales Interesse an Menschen haben.

«Eine gute Führungskraft agiert nicht wie ein Egomane»

Wer lediglich sich selber verwirklichen will oder vor allem nach Macht und Prestige strebt, hat womöglich etwas Grundlegendes nicht verstanden: Gut führen hat mehr damit zu tun, anderen zu dienen als sich selber zu profilieren. Der Karriereberater und Buchautor Martin Wehrle bringt es bildhaft gesprochen treffend auf den Punkt: «Eine gute Führungskraft agiert nicht wie ein Egomane, sondern eher wie ein Gärtner. Sie legt ein Beet an, setzt jeden Mitarbeitenden an der richtigen Stelle ein und fördert sein Wachstum.»

Um erfolgreich zu führen reicht es nicht aus, nur fachlich zu überzeugen: Es geht darum, die Stärken und Schwächen seiner Mitarbeitenden zu erkennen und sie entsprechend zu fördern und fordern. Führen bedeutet nicht nur, Verantwortung für Entscheidungen und Budgets zu tragen, sondern auch, Mitarbeitende zu entwickeln. Letztlich muss jede Führungskraft ihren eigenen Stil finden. Nur so kann die oft geforderte Authentizität erreicht werden.

Glaubwürdigkeit ist das A und O. Wer nicht vorlebt, was er von anderen verlangt und wer nicht hält, was er verspricht, verliert schnell an Ansehen und Respekt.

Nicht jede gesunde Führung ist gut, aber gute Führung ist immer «gesund»

Grundlage gesunder Führung ist immer gute Führung. Aber was genau bedeutet eigentlich gesunde Führung? Zahlreiche Studien belegen, dass das Führungsverhalten einen grossen Einfluss auf die Gesundheit der Mitarbeitenden hat. Genau hier setzt gesunde Führung an! Warum nicht als Führungskraft mit positivem Beispiel vorangehen und zum Beispiel dem Erreichbarkeitswahn entgegenwirken? Das heisst: Pausen machen aktiv fördern und der eigenen Gesundheit Sorge tragen. 

«Vorgesetzte, die gesund führen, erkennen rechtzeitig, wenn Mitarbeitende auf eine Erschöpfung zusteuern und handeln entsprechend – zum Beispiel, indem gezielt Fachwissen und Fertigkeiten gefördert werden sowie soziale Unterstützung geboten wird», sagt Luise Deiters, Fachspezialistin für Betriebliches Gesundheitsmanagement bei vivit, dem Kompetenzzentrum der CSS für Gesundheit und Prävention.

Auch liegt es an den Führungskräften, unnötige Belastungen zu verringern – wie permanenten Zeitdruck oder unklare Anweisungen. Gesunde Führung berücksichtigt also explizit gesundheitliche Aspekte im Kontext psychischer Gesundheit. Es geht nicht darum, Mitarbeitende einfach zu mehr Bewegung oder gesunder Ernährung zu animieren. Ebenso soll nicht einem (neuen) Fanatismus das Wort geredet werden – welcher bei gesundheitlichen Diskursen allzu oft dominiert.

Allgemein gilt: Führungskräfte sollten in ihrem Arbeitsalltag die Gelegenheit haben, das eigene Wirken zu hinterfragen. Und sie brauchen Zeit für den regelmässigen Austausch mit ihren Mitarbeitenden. Das schafft Vertrauen. Gesunde Führung meint also auch, dass Unternehmen die Bedeutung und Relevanz erkennen, welche dem Thema Führung inhärent sind. Sie sollten entsprechend bereit sein, Zeit und Ressourcen dafür einzusetzen. 

Gute Führungskräfte sind ein sprichwörtliches Investment und in diesem Sinne ein Gebot, sich ökonomisch vernünftig zu verhalten. 

(Bildquelle: © Squaredpixels/iStockphoto)




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