Die nachstehenden Ausführungen zeigen, dass auch reine Innerschweizer Transportleistungen – oder Leistungen in einem Warenlager in der Schweiz – in bestimmten Konstellationen nicht der schweizerischen Mehrwertsteuer (MWST) unterliegen. Im gegenteiligen Fall kann die Schweizer MWST auf ausländischen Transport- und Lagerleistungen geschuldet sein. Steuerrisiken infolge einer nicht abgerechneten MWST oder Verweigerung des Vorsteuerabzugs bei fehlerhaft ausgewiesener Steuer sind nicht zu unterschätzen. Aus EU-Sicht gelten diese Aspekte spiegelbildlich.
Mehrwertsteuer bei der internationalen Spedition und Logistik – Teil 1
Seit dem Inkrafttreten des MWSTG per 1. Januar 2010 bestimmt sich der Ort der Besteuerung von Güterbeförderungsleistungen und dazugehörigen Nebenleistungen nach dem Empfängerortprinzip – wie zum Beispiel Lagerung und Umschlag. Um zu beurteilen, wo eine solche Transportleistung der MWST zu unterwerfen ist, ist der Sitz des Leistungsempfängers oder seiner Betriebsstätte zu klären, für welche die Leistung erbracht wird. Leistungsempfänger im mehrwertsteuerlichen Sinn ist grundsätzlich derjenige, in dessen Auftrag die Leistung ausgeführt wird.
Erst in einem zweiten Schritt ist der Transportweg von Relevanz. Nämlich für die Frage, ob eine an einen Leistungsempfänger mit Sitz in der Schweiz erbrachte Transportleistung von der schweizerischen MWST befreit ist. Die Transportleistung ist befreit, wenn sie im Zusammenhang mit einer Einfuhr (Art. 23 Abs. 2 Ziff. 5 MWSTG) oder einer Ausfuhr (Art. 23 Abs. 2 Ziff. 6 MWSTG) von Gegenständen steht.
Einen weiteren Befreiungstatbestand sieht das MWSTG für Beförderungsleistungen und Nebentätigkeiten des Logistikgewerbes vor – wenn der Transport im Ausland stattfindet oder Gegenstände transportiert werden, die unter Zollüberwachung stehen. Unter Zollüberwachung stehen Gegenstände
- im Transitverfahren
- im Zolllagerverfahren
- im Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung
- im Zollverfahren der aktiven Veredelung
- bei Lagerung in einem Zollfreilager
Auch im deutschen Umsatzsteuergesetz (UStG) wurde mit dem MWST-Paket 2010 für die Bestimmung des Leistungsortes von Güter-Transportleistungen gegenüber Unternehmern (B2B) das Empfängerortprinzip in § 3a Abs. 2 UStG zugrunde gelegt. Dieses gilt sowohl für die Güterbeförderung als solche als auch für das Beladen, Entladen, Umschlagen und ähnlichen, mit einer Güterbeförderung stehenden selbstständigen Leistungen.
Das deutsche UStG kennt ebenfalls die Befreiung von grenzüberschreitenden Beförderungen. So sind nach § 4 Nr. 3 lit. a UStG grenzüberschreitende Güter-Beförderungen für Gegenstände der Ausfuhr oder Gegenstände der Einfuhr von der Umsatzsteuer befreit. Das heisst nur die EU-Aussengrenzen überschreitenden Güterbeförderungen fallen unter die Befreiung – grenzüberschreitende B2B-Beförderungsleistungen innerhalb der EU hingegen nicht.
Auffallend ist, dass reine Drittlands-Beförderungen für einen deutschen Auftraggeber nicht unter die Befreiungsvorschriften des § 4 Nr. 3 UStG fallen, wie zum Beispiel Beförderungen innerhalb der Schweiz. Mit Bezug auf diese Leistungen wurde per 1. Januar 2011 eine besondere Regelung zur Bestimmung des Leistungsortes in § 3a Abs. 8 UStG eingeführt. Demnach gilt eine Leistung – ausnahmsweise abweichend vom Empfängerortprinzip – als im Drittlandgebiet ausgeführt, wenn die Leistung dort genutzt oder ausgewertet wird.
Diese Vorschrift findet nur Anwendung für Beförderungsleistungen, deren Leistungsort nach dem Empfängerortprinzip in Deutschland liegen würde und die ausschliesslich im Drittland erbracht werden. Deutschland wendet damit wahlweise die Bestimmung über die tatsächliche Nutzung oder Auswertung gemäss Art. 59a lit. a MwStSystRL an. Auf die Besteuerung dieser reinen Drittlands-Transporte wird verzichtet – und so eine Doppelbesteuerung im Verhältnis zum Drittland vermieden. In Kombination mit den Regelungen in der Schweiz ergeben sich aber sogar Fälle der Nicht-Besteuerung.
Im Folgenden werden die MWST-Konsequenzen der wichtigsten Fallkonstellationen gegenübergestellt. In einem ersten Schritt ist stets der Sitz (der wirtschaftlichen Tätigkeit) des Leistungsempfängers beziehungsweise Auftraggebers zu prüfen. Erst in einem zweiten Schritt ist die Beförderungsstrecke zur Prüfung der folgenden Aspekte relevant:
- Anwendung einer vom Empfängerortprinzip abweichenden Vorschrift zur Bestimmung des Leistungsortes nach den Grundsätzen der Auswertung und Verwendung.
- Anwendbarkeit einer Befreiungsvorschrift im Sitzstaat des Leistungsempfängers.
Beauftragt ein Unternehmer mit Sitz in der Schweiz den Transport, liegt aus MWST-Sicht der Ort der Transport- oder Beförderungsleistung in der Schweiz (Empfängerortprinzip). Die Transportleistung unterliegt damit der Schweizer MWST in Höhe von 8 Prozent – es sei denn, die Leistung ist von der MWST befreit.
Eine Befreiung der Leistung tritt bei grenzüberschreitenden Transporten im Zusammenhang mit Einfuhren in oder Ausfuhren aus der Schweiz ein, sowie bei Transporten ausserhalb der Schweiz. Bei Ein- und Ausfuhren fliesst die Transportleistung grundsätzlich in die Bemessungsgrundlage der Einfuhrsteuer für die transportierten Güter im Empfangsstaat ein. Also erfolgt bei grenzüberschreitenden Transporten in die oder aus der Schweiz letztlich eine Besteuerung der Transportleistung im Einfuhrstaat. Es sei denn, die Einfuhr fällt dort ebenfalls unter eine Befreiungsvorschrift.
Liegt aus schweizerischer Sicht ein reiner Auslandtransport vor, ist aufgrund der Befreiungsvorschrift des Art. 23 Abs. 2 Ziff. 7 MWSTG eine Nullbesteuerung denkbar. Innerhalb der EU kann es nämlich nur dann zu einer Besteuerung im EU-Transportland kommen, wenn dieses Land den Besteuerungsort ausnahmsweise nicht nach dem Empfängerort, sondern nach dem Ort der Nutzung und Auswertung der Güterbeförderung bestimmt. Das deutsche UStG kennt keine solche (Sonder-)Regelung für innerdeutsche Transporte. Bei einem innerdeutschen Transport für einen Auftraggeber in der Schweiz ist daher tatsächlich eine Nullbesteuerung gegeben.
Beauftragt ein Unternehmer mit Sitz in Deutschland den Transport, befindet sich sowohl aus Sicht des MWSTG als auch des UStG der Ort der Leistung in Deutschland. Die Transportleistung unterliegt damit der deutschen Umsatzsteuer von 19 Prozent. Ausnahmen bestehen nur, wenn eine Befreiungsvorschrift des deutschen UStG angewendet werden kann oder sich für reine Drittlandstransporte der Besteuerungsort nach der Transportstrecke bestimmt.
Die Befreiung von der deutschen Umsatzsteuer tritt für die Beförderung von Gegenständen der Ein- oder Ausfuhr nach oder von Deutschland ein – das heisst bei Beförderung über die EU-Aussengrenze. Eine Beförderung von Deutschland in die Schweiz im Auftrag eines Unternehmens mit Sitz in Deutschland unterliegt damit weder der schweizerischen MWST noch der deutschen Umsatzsteuer. Es ist jedoch zu beachten, dass die Transportleistung in die Bemessungsgrundlage zur Bestimmung der schweizerischen Einfuhrsteuer einfliesst. So erfolgt letztlich eine Besteuerung mit 8 Prozent Einfuhrsteuer. Eine Nichtbesteuerung der Transportleistung resultiert, wenn die Einfuhr ebenfalls nach Art. 53 MWSTG steuerbefreit ist. Das ist zum Beispiel bei Umzugsgut oder Kunstwerken von Urhebern der Fall.
Eine Nicht-Besteuerung tritt zudem bei folgender Konstellation ein: Ein Unternehmer mit Sitz in Deutschland beauftragt einen Spediteur mit einem Transport innerhalb der Schweiz von Basel nach Zürich. Das deutsche UStG (§ 3a Abs. 8) nimmt im Fall der reinen Drittlandsbeförderung ausnahmsweise den Leistungsort am Ort der Nutzung und Auswertung in der Schweiz an. Die Transportleistung ist in Deutschland dann nicht steuerbar. Wie gewohnt bestimmt das schweizerische MWSTG den Ort der Leistung nach dem Empfängerortprinzip. Diese Leistung ist dann in der Schweiz ebenfalls nicht steuerbar.
Unterliegt die Transportleistung mangels Anwendbarkeit einer Befreiungsvorschrift einer Besteuerung im Sitzstaat des Leistungsempfängers, stellt sich die Frage, durch welchen Unternehmer die Steuer zu entrichten ist. Sind Leistungserbringer und Leistungsempfänger im gleichen Staat ansässig, schuldet der Leistungserbringer die MWST beziehungsweise Umsatzsteuer gegenüber den Finanzbehörden.
Die Steuerschuld geht hingegen auf den Leistungsempfänger über und somit auf den Kunden (Anwendung des so genannten reverse charge mechanism beziehungsweise der Bezugsteuerpflicht in der Schweiz):
- bei B2B-Leistungen (nach schweizerischem Recht auch in B2C-Fällen)
- deren Leistungsort sich nach dem Empfängerort bestimmt (nur nach schweizerischem Recht)
- in denen der Leistungserbringer nicht im Land des Leistungsempfängers oder am Besteuerungsort für Umsatzsteuerzwecke ansässig ist
- und dieser ausländische Leistungserbringer auch nicht aufgrund anderer Leistungen im Lande des Leistungsempfängers MWST-pflichtig ist (nur nach schweizerischem Recht).
Die Anwendbarkeit des reverse charge mechanism vermeidet eine Registrierungspflicht des Spediteurs oder Frachtführers im Sitzstaat des Leistungsempfängers beziehungsweise an einem ausländischen Besteuerungsort.
Lesen Sie auch Teil 2 – mit Fokus auf den Grundsätzen der mehrwertsteuerlichen Beurteilung in der Schweiz in Bezug auf die Lagerleistung. >> zum Artikel
(Bildquelle: © savas keskiner/iStockphoto)