Gründe für eine MWST-Kontrolle
Sogar wenn das Unternehmen nur steuerbare inländische Umsätze erwirtschaftet und Aufwendungen ohne MWST tätigt, könnten sich unbemerkte Fehler einschleichen. Deswegen sollte die Richtigkeit und Vollständigkeit der deklarierten MWST mindestens 1-mal im Jahr nachkontrolliert werden.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat das Recht, MWST-Kontrollen durchzuführen (Art. 78 Abs. 1-2 MWSTG). Im 2019 fanden insgesamt 9'334 Kontrollen durch die ESTV statt, die mit einem Steuerertrag von CHF 194'314 Mio. und einer Steuergutschrift von CHF 51'833 Mio. abgeschlossen haben. Im 2019 waren 390'350 Unternehmen als steuerpflichtige Personen im Schweizer MWST-Register eingetragen. Somit wurden 2.39 % von allen MWST-pflichtigen Unternehmen von der ESTV im 2019 kontrolliert. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Unternehmen eine MWST-Kontrolle erfolgt, ist statistisch betrachtet, relativ klein.
Nachfolgende Gründe fördern die Durchführung einer MWST-Kontrolle:
- Wesentliche Abweichungen der deklarierten MWST zur Branchenpauschale;
- Nicht nachvollziehbare, starke Schwankungen der deklarierten Umsatz- und Vorsteuer;
- Deklaration eines beträchtlichen Vorsteuerüberhangs;
- Branche mit vielen Besonderheiten, was ein vertieftes MWST-Fachwissen für die korrekte Deklaration der MWST voraussetzt.
Das Unternehmen hat auch das Recht, mittels begründeten Gesuchs eine Kontrolle zu verlangen (Art. 78 Abs. 4 MWSTG).
Verlauf einer MWST-Kontrolle
Die steuerpflichtige Person hat ihre Geschäftsbücher und Aufzeichnungen nach den handelsrechtlichen Grundsätzen zu führen (Art. 70 Abs. 1 MWSTG). Eine formell und materiell ordnungsgemäss geführte Buchhaltung ist eine wichtige Voraussetzung für die korrekte Erfassung der MWST. Die MWST erfordert eine Anpassung der Buchhaltung, indem zusätzliche Konten oder Codes für die MWST geschaffen werden.
Jede Kontrolle beginnt mit der Überprüfung der Buchhaltung. Es wird kontrolliert, ob die Einnahmen- und Ausgabenrechnung vollständig und lückenlos geführt wurde und wahrheitsgetreu ist, ob die Erfassung der Geschäftsfälle systematisch erfolgt ist und der Belegnachweis für die einzelnen Buchungsvorgänge vorhanden ist (Art. 957a Abs. 2 Ziff. 1-5 OR). Dabei muss die Nachprüfbarkeit, d.h. die Verfolgung der Geschäftsvorfälle sowohl vom Einzelbeleg über die Einnahmen- und Ausgabenrechnung bis zur MWST-Abrechnung als auch in umgekehrter Richtung, jederzeit gewährleistet sein. Zugleich werden die Aufzeichnungen zur fortlaufenden Feststellung der einzelnen Vermögensteile nachgeprüft.
Liegen keine oder nur unvollständige Aufzeichnungen vor oder stimmen die ausgewiesenen Ergebnisse mit dem wirklichen Sachverhalt offensichtlich nicht überein, so schätzt die ESTV die Steuerforderung nach pflichtgemässem Ermessen ein (Art. 79 Abs. 1 MWSTG).
Die verbuchten Umsätze resp. Umsatzsteuer werden mit den deklarierten Umsätzen resp. Umsatzsteuer und die verbuchte Vorsteuer mit der deklarierten Vorsteuer betragsmässig und inhaltlich abgestimmt. Ungeachtet der Beweismittelfreiheit gilt der Grundsatz, dass die Beweispflicht für steuermindernde Tatsachen ertragsseitig und für steuererhöhende Tatsachen aufwandseitig der steuerpflichtigen Person obliegt.
Die freiwillige wie auch die unfreiwillige MWST-Kontrolle schliessen mit einer Einschätzungsmitteilung ab (Art. 78 Abs. 5 MWSTG) und haben die gleichen Steuerfolgen für die steuerpflichtigen Personen:
- Unterbrechung der Festsetzungsverjährung (Art. 42 MWSTG);
- Nachbelastung der geschuldeten MWST inkl. 4% Verzugszins (Art. 57 und 87 MWSTG);
- Gutschrift ohne Vergütungszinsen.
Gemäss Art. 2 der COVID-19-Verordnung ist auf verspäteten Zahlungen der MWST für die Zeit vom 20. März 2020 bis zum 31. Dezember 2020 kein Verzugszins geschuldet.
Vorbereitung auf die MWST-Kontrolle
Eine effektive Massnahme ist die Erstellung einer Umsatz- und Vorsteuerabstimmung (Art. 128 MWSTV) im Rahmen der sog. Finalisierung. Die steuerpflichtige Person hat 180 Tage Zeit seit Ende des betreffenden Geschäftsjahres den definitiven Jahresabschluss zu erstellen. Die festgestellten Differenzen zwischen dem definitiven Jahresabschluss und den eingereichten MWST-Abrechnungen muss das Unternehmen spätestens in der MWST-Abrechnung über jene Abrechnungsperiode korrigieren, in die der 180. Tag fällt (Art. 72 MWSTG).
Bei einfachen Verhältnissen genügt u. U. die sog. quantitative Umsatz- und Vorsteuerabstimmung. Dabei werden die deklarierte Umsatz- und Vorsteuer mit der Umsatz- und Vorsteuer gemäss dem MWST-Bericht des Buchhaltungsprogramms abgestimmt.
Im Normalfall sind die quantitative Umsatz- und Vorsteuerabstimmung ein guter Einstieg in die qualitative Umsatz- und Vorsteuerabstimmung.
Qualitative Umsatzabstimmung
Gegenstand der Umsatzabstimmung ist die Inlandsteuer. Der Inlandsteuer unterliegen die im Inland durch steuerpflichtige Personen gegen Entgelt erbrachten Leistungen. Sie sind steuerbar soweit keine Ausnahme im MWST-Gesetz vorgesehen wird (Art. 18 Abs. 1 MWSTG). Daher empfiehlt sich die folgende Checkliste:
- der in der Jahresrechnung ausgewiesene Betriebsumsatz;
- die auf Aufwandkonten verbuchten Erträge;
- die nicht im Betriebsumsatz enthaltenen konzerninternen Verrechnungen;
- die Verkäufe von Betriebsmitteln;
- die Vorauszahlungen;
- die im ausgewiesenen Betriebsumsatz nicht enthaltenen Zahlungseingänge;
- die geldwerten Leistungen;
- die Erlösminderungen;
- die Debitorenverluste;
- die nicht umsatzrelevanten Abschlussbuchungen (zeitliche Abgrenzungen, Rückstellungen und interne Umbuchungen).
Die deklarierten Umsätze werden mit den Erlösen gemäss den Ertragskonten des definitiven Jahresabschlusses betragsmässig und inhaltlich überprüft. Daraus wird die geschuldete Umsatzsteuer eruiert.
Es wird auch kontrolliert, ob
- das Entgelt für Leistungen an eng verbundene Personen (Art. 3 Bst. h MWSTG) dem Wert unter unabhängigen Dritten entspricht (Art. 24 Abs. 2 MWSTG);
- die MWST auf den entgeltlichen Leistungen an das Personal vom tatsächlich empfangenen Entgelt berechnet wurde und diese Leistungen im Lohnausweis deklariert wurden. Dabei können die Pauschalen, die bei den direkten Steuern für die Ermittlung von Lohnanteilen zulässig sind, für die Bemessung der MWST angewendet werden.
Qualitative Vorsteuerabstimmung
Gemäss Art. 28 Abs. 1 MWSTG kann die steuerpflichtige Person im Rahmen ihrer unternehmerischen Tätigkeit, unter Vorbehalt der Art. 29 und 33 MWSTG, folgende Vorsteuern abziehen:
- die ihr in Rechnung gestellte Inlandsteuer;
- die von ihr deklarierte Bezugsteuer (Art. 45–49 MWSTG);
- die von ihr entrichtete oder zu entrichtende Einfuhrsteuer, die mit unbedingter Forderung veranlagt wurde oder die mit bedingter Forderung veranlagt wurde und fällig geworden ist, sowie die von ihr für die Einfuhr von Gegenständen deklarierte Steuer (Art. 52 und 63 MWSTG).
Somit bestehen folgende Einschränkungen für den Vorsteuerabzug:
- Die Vorsteuer auf die Aufwendung im nicht-unternehmerischen Bereich kann nicht abgezogen werden. Dieser Bereich umfasst den hoheitlichen Bereich und den Bereich, der nicht auf die nachhaltige Erzielung von Einnahmen aus Leistungen ausgerichtet ist (bei allen Unternehmen) sowie den privaten Bereich und den unselbständigen Bereich (nur bei Einzelunternehmen).
- Mangels Leistung gelten Subventionen als Nicht-Entgelte und unterliegen deshalb nicht der MWST (Art. 18 Abs. 2 Bst. a-c MWSTG). Beim Beitragsempfänger führt dies zu einer verhältnismässigen Vorsteuerkürzung (Art. 33 Abs. 2 MWSTG), mit Ausnahme der Subventionen, die einem Tätigkeitsbereich zuzuordnen sind, für den keine Vorsteuer anfällt oder für den kein Anspruch auf Vorsteuerabzug besteht.
- Aufgrund der Erzielung steuerausgenommener Umsätze ist u. U. eine Vorsteuerkorrektur vorzunehmen, die zu einem sachgerechten Ergebnis führt (Art. 30 MWSTG).
- Fallen die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs nachträglich weg (Eigenverbrauch), so ist der Vorsteuerabzug in demjenigen Zeitpunkt zu korrigieren, in welchem die Voraussetzungen hierfür weggefallen sind. Die früher in Abzug gebrachte Vorsteuer, einschliesslich ihrer als Einlageentsteuerung korrigierten Anteile, muss zurückerstattet werden (Art. 31 MWSTG).
Somit wird in einem ersten Schritt nachkontrolliert, ob der Beleg den unternehmerischen Bereich betrifft, für den die Vorsteuer gestattet ist. Wenn das der Fall ist, wird geprüft, ob der Beleg den Anforderungen gemäss Art. 26 MWSTG entspricht. Besondere Aufmerksamkeit ist der Einlageentsteuerung zu schenken. Es geht um das nachträgliche Eintreten der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug für die früher nicht in Abzug gebrachte Vorsteuer, einschliesslich ihrer als Eigenverbrauch korrigierten Anteile (Art. 32 Abs. 1 MWSTG).
Firmenspezifische MWST-Schulung
Die Schweizer Grenze stoppt das MWST-Risiko nicht. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellen die Abklärung der MWST- und Zoll-Qualifikation jedes Geschäftsfalls im Hinblick auf die MWST- und Zoll-Gesetze der betreffenden Staaten sowie die korrekten MWST-Einstellungen des Buchhaltungsprogramms eine Grundvoraussetzung für die Abwicklung der MWST dar.
Die Richtigkeit und Vollständigkeit der MWST muss von der Produkteentwicklung und/oder -Herstellung über den Vertragsabschluss bis hin zum Verkauf auf jeder Stufe der unternehmerischen Prozesskette unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen MWST-Gesetzesänderungen sichergestellt sein. Sogar ein Flüchtigkeitsfehler in der Prozesskette kann zu einem MWST-Risiko führen.
Bei intensiven grenzüberschreitenden Geschäften bringt eine firmenspezifische MWST-Schulung einen grossen Nutzen.
Firmenspezifisches MWST-Handbuch
Rückstellungen können grundsätzlich nur für hängige MWST-Verfahren und für eindeutig definierte MWST-Risiken gebildet werden. Durch das Erarbeiten und regelmässige Aktualisieren eines firmenspezifischen MWST-Handbuches als Arbeitsmittel für den alltäglichen Gebrauch wird das MWST-Risiko erheblich minimiert.
Fazit:
Die qualitative Umsatz- und Vorsteuerabstimmung ist das A und O der Vorbereitung auf die MWST-Kontrolle.
Bei ordnungsgemässer Buchhaltung ist die Umsatz- und Vorsteuerabstimmung eines KMU durch eine MWST-Fachperson mit einem Aufwand von einem halben Tag durchaus möglich.