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21. Nov 2014, Recht & Steuern | Honorar-Anlageberatung

Neue Form der Anlageberatung in Deutschland

Seit dem 1. August 2014 gibt es in Deutschland eine neue Form der Anlageberatung: die sogenannte Honorar-Anlageberatung. Eine Vergütung ist dabei alleine durch den Kunden zulässig, Zuwendungen Dritter an die beratende Bank sind grundsätzlich unzulässig und müssen im Ausnahmefall an den Kunden weitergeben werden.

Die Honorar-Anlageberatung soll ein alternatives beziehungsweise komplementäres Angebot zur provisionsbasierten «klassischen» Anlageberatung darstellen und kann nur angeboten werden, wenn gewisse gesetzliche Voraussetzungen erfüllt werden. Die neue Regelung erfolgte auch vor dem Hintergrund der Unterscheidung von «unabhängiger» und «nicht-unabhängiger» Anlageberatung im Entwurf der MiFID II.

Das «Gesetz zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente» (kurz: Honoraranlageberatungsgesetz) wurde bereits im Juli 2013 verabschiedet, trat aber in seinen wesentlichen Teilen erst am 1. August 2014 in Kraft. Den Wertpapierdienstleistungsunternehmen blieb somit Zeit, sich auf die neue Rechtslage einzustellen. Zu diesen gehören insbesondere die Banken, welche im deutschen «Bankengesetz» als Kreditinstitute bezeichnet werden. Der Gesetzgeber hat bei seiner Neuerung die bestehenden Regelungen im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) ergänzt, und konnte somit auf die bestehenden allgemeinen Vorschriften zur «klassischen» Anlageberatung zurückgreifen. Eine Rechtsverordnung soll Detailfragen regeln.

I. Die Voraussetzungen im Einzelnen
1. Fokussierung oder Trennung

Die Erbringung der Honorar-Anlageberatung kann eine Bank nicht einfach «so nebenher» anbieten. Vielmehr ist entweder eine ausschliessliche Beschränkung auf diese Form der Anlageberatung erforderlich (§ 33 IIIa S. 1 1. Alt.) oder eine «organisatorische, funktionale und personelle» Trennung (§ 33 IIIa S. 1 2. Alt.) von der «herkömmlichen» Form der Anlagenberatung. Notwendig werden auch:

  • angepasste Vertriebsvorgaben
  • Hinweis auf der Internetseite der Bank zu dem auf die Honorar-Anlagenberatung spezialisierten Geschäftslokal
2. Information des Kunden

Die Bank muss den Kunden vor der Beratung in verständlicher Art und Weise darüber informieren, ob die Anlageberatung als Honorar-Anlageberatung erbracht wird oder nicht (§31 IVb). Dem Kunden soll eine bewusste Entscheidung für eine der beiden Anlageberatungsmodelle möglich sein. Falls das Institut keine Honorar-Anlageberatung erbringt, muss die Bank darüber informieren, ob im Zusammenhang mit der Anlageberatung Zuwendungen angenommen und behalten werden dürfen.

3. Bezeichnung und Registrierung

Eine Bank darf auf ihre Honorar-Anlageberater nur dann hinweisen, wenn die Bank im öffentlichen BaFin-Register «Honorar-Anlageberatungsregister» im Internet eingetragen ist (§§ 36c, 36d). Dafür ist unter anderem erforderlich, dass die Bank die unter Ziffer I.1. genannten Voraussetzungen erfüllt; bei genossenschaftlichen Instituten und bei Sparkassen wird dies durch deren Prüfungsstelle verifiziert.

4. Weitere Sachvoraussetzungen

Um eine Honorar-Anlageberatung erbringen zu dürfen, muss eine Bank neben administrativen und formellen Hürden auch inhaltliche Anforderungen erfüllen (§§ 31 IVc,d). 

  • eine «hinreichende Anzahl von ... auf dem Markt angebotenen Finanzinstrumenten» anbieten, welche «hinsichtlich ihrer Art und ihres Anbieters oder Emittenten hinreichend gestreut sind»
  • sich dabei nicht beschränken auf «Anbieter oder Emittenten, die in einer engen Verbindung zum Wertpapierdienstleistungsunternehmen stehen»
  • über einen Marktüberblick verfügen 
  • bei Empfehlungen einen ausreichend grossen Rahmen von Finanzinstrumenten zugrunde legen

Der Honorar-Anlageberater darf seine Tätigkeit allein durch den Kunden vergüten lassen – das ist das zweite essentielle Wesensmerkmal.

Aufgrund der Privatautonomie steht es den Parteien frei, die Art und Weise der Vergütung auszuhandeln. Möglich ist beispielsweise ein Stundenhonorar oder eine auf das Vermögen bezogene prozentuale Vergütung. Weil der Markt in Bezug auf derartige Finanzinstrumente offenbar noch nicht so weit ist, darf der Honorar-Anlageberater auch Finanzprodukte anbieten, die mit Zuwendungen im Zusammenhang stehen – allerdings nur dann, wenn es diese Finanzprodukte nicht auch in einer «zuwendungsfreien» Tranche gibt. In diesem Fall darf der Honorar-Anlageberater monetäre Zuwendungen annehmen, muss diese jedoch «unverzüglich nach Erhalt und ungemindert an den Kunden auskehren». Hier können sich einkommensteuerliche Fragen stellen.

Erbringt eine Bank die Honorar-Anlageberatung, so steht dem nicht entgegen, dass sie eigene Finanzinstrumente anbietet beziehungsweise emittiert. Allerdings muss sie den Kunden rechtzeitig vor der Empfehlung und in verständlicher Form darüber informieren, dass:

  1. die Bank selbst Anbieterin beziehungsweise Emittentin der Finanzinstrumente ist
  2. ein eigenes Gewinninteresse besteht

Beides gilt ebenfalls, wenn mit dem Anbieter oder Emittenten eine «enge Verbindung oder sonstige wirtschaftliche Verflechtung» besteht.

5. Sanktionierung von Verstössen

Mit der Erweiterung der Bussgeldvorschriften können auch Verstösse gegen die besonderen Pflichten der Honorar-Anlageberatung sanktioniert werden (§ 39). Im schlimmsten Fall droht ein Bussgeld von 100.000 Euro.

II. Honorar-Finanzanlagenberater

Neben der genannten Änderungen im Wertpapierhandelsgesetz wird in der Gewerbeordnung ein «Honorar-Finanzanlagenberater» normiert (§ 34 h Gewerbeordnung). Wer im Umfang der sogenannten Bereichsausnahme des § 2 IV Satz 1 Nr. 8 des Kreditwesensgesetzes gewerbsmässig zu Finanzanlagen eine Anlageberatung erbringen will, der kann dies neuerdings auch als Honorar-Finanzanlagenberater anbieten – sofern er dabei keine Zuwendungen vom Produktgeber erhält. Dabei geht es insbesondere um die (isolierte) Beratung bezüglich inländischer und bestimmter ausländischer Investmentfonds.

III. Verhältnis zur MiFID

Der Gesetzgeber in Deutschland muss bei neuen Gesetzen immer deren Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und mit völkerrechtlichen Verträgen prüfen. Wie bereits erwähnt orientiert sich das Honoraranlageberatungsgesetz an entsprechenden Regelungen in der kommenden MiFID II. Aber auch mit den bestehenden Regelungen ist eine Vereinbarkeit gegeben, da die (klassische) Anlageberatung weiterhin uneingeschränkt möglich ist.

Die neuen Regelungen betreffen einen von der MiFID nicht erfassten Bereich. Damit werden den grenzüberschreitenden Instituten beziehungsweise den Instituten mit einer Zweigniederlassung im Inland keine Anforderungen auferlegt, welche über die aktuelle MiFID hinausgehenden.

IV. Bewertung

Die Schaffung eines rechtlichen Rahmens für eine zusätzliche Form der Anlageberatung ist im Sinne einer besseren Transparenz für den Kunden ein interessanter Ansatz. Ob diesem das normale Anlageberatungsmodell allerdings tatsächlich so wenig bewusst ist, wie es die Gesetzesbegründung feststellt, erscheint zumindest fraglich. Denn die bestehenden gesetzlichen zivilrechtlichen und aufsichtsrechtlichen Offenlegungspflichten in Bezug auf Rückvergütungen beziehungsweise Zuwendungen sind mittlerweile weitreichend.

Interessierte Kunden können schon heute umfangreiche Informationen zu derartigen Zahlungsflüssen erhalten. Auch wird es interessant sein zu beobachten, was es Kunden wert sein wird gegen separates Honorar beraten zu werden. Zudem ist alleine der Umstand der Beratung gegen Honorar kein Hinweis auf eine hohe Qualität der Beratung. Vor allem aber sollte man sich vor der Annahme hüten, dass die klassische (provisionsgestützte) Anlageberatung mit einem Makel behaftet ist. Vielmehr hat sie in der Vergangenheit sehr häufig einen wertvollen Beitrag zur Vermögensbildung grosser Bevölkerungskreise geleistet – gegenteilige Ausnahmen bestätigen nur diese Regel.

V. Auswirkungen in der Schweiz

In § 31 X WpHG ist normiert, dass gewisse Paragraphen dieses Gesetzes unter bestimmten Voraussetzungen auch für Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat gelten sollen. Der neue § 31 IVb WpHG wäre ein solcher Paragraph.

Sicherlich ist die Erstreckung von deutschen Regelungen auf Geschäftsbeziehungen im Ausland zumindest fragwürdig und wäre im Einzelfall konkret zu prüfen. Sind jedoch die Voraussetzungen erfüllt (vereinfacht gesagt: Kunde wohnt in Deutschland und Dienstleistung wird nicht nur in der Schweiz erbracht), so erscheint es im grenzüberschreitenden Geschäft mit Deutschland als sinnvoll, sich an diese neue Regelung zu halten und den (potentiellen) Kunden vor einer Beratung über die Art der Anlageberatung zu informieren.

Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass Kunden mit deutschem Wohnsitz aufgrund einer zunehmenden «Gewöhnung» am Heimatmarkt eine derartige Dienstleistung auch bei ihrer Schweizer Bank zumindest einmal anfragen werden. Eine derartige «Reflexwirkung» von Gegebenheiten am Heimatmarkt auf die Geschäftsbeziehung zu einer Schweizer Bank konnte in der Vergangenheit schon in Steuer- und/oder Verbraucherschutzangelegenheiten beobachtet werden (zum Beispiel Inhalt und Umfang von Erträgnisaufstellungen beziehungsweise Bereitstellung von Beratungsprotokollen oder Produktinformationsblättern). Im Kontext von deutschen Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen oder Betreuungsverfügungen konnten die Banken in der Schweiz diese Erfahrung ebenfalls machen.

(Bildquelle: © Yuri/iStockphoto)




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