Durch die Umstellung bei grenzüberschreitenden Anstellungsverhältnissen haben sich Neuerungen im Bereich der sozialversicherungsrechtlichen Unterstellungen ergeben. Mit Unterstellung ist die Frage gemeint, in welchem Land eine Person der Sozialversicherung untersteht.
Neuerungen bei grenzüberschreitenden Anstellungen in der Schweiz
Diese Änderungen betreffen Personen, die in mehreren Ländern für mehrere Arbeitgeber unselbstständig erwerbstätig sind. Bislang waren diese grundsätzlich der Sozialversicherung in dem Land unterstellt, in dem sie wohnhaft waren. Neu verbleibt es bei der Unterstellung im Wohnsitzstaat grundsätzlich nur noch, wenn die dort ausgeübte Tätigkeit wesentlich ist – das heisst mindestens 25 Prozent beträgt.
Eine Unterstellung im Wohnsitzstaat verbleibt ausnahmsweise auch dann noch, wenn die Person für mehrere Arbeitgeber tätig ist – von denen mindestens zwei ihren Sitz in verschiedenen Staaten ausserhalb des Wohnsitzstaates haben. Wenn bei unwesentlicher Tätigkeit im Wohnsitzstaat die Arbeitgeber ihren Sitz in zwei Staaten haben – von denen einer der Wohnsitzstaat ist – dann ist das Sitzland des Arbeitgebers ausserhalb des Wohnsitzstaates massgebend. Haben bei einer unwesentlichen Tätigkeit im Wohnsitzstaat die Arbeitgeber ihren Sitz in nur einem Staat, ist der Staat der Arbeitgebersitze für die Unterstellung zuständig.
Unverändert bleiben die Unterstellungsregelungen für den Fall, dass bei einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nur ein Arbeitgeber vorliegt. Arbeitet eine Person auch im Wohnsitzstaat, ist dieser für die Unterstellung zuständig – soweit dort mindestens 25 Prozent der Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Ist eine Person in mehreren Staaten für einen Arbeitgeber, aber nicht oder unwesentlich in ihrem Wohnsitzstaat erwerbstätig, ist der Staat zuständig, in dem der Arbeitgeber seinen Sitz hat.
Die Unterstellungsregelungen lassen sich wie folgt zusammenfassen – unterstellt wird: Unselbstständig tätig für:
- einen Arbeitgeber,wobei mindestens 25 Prozetnt im Wohnsitzstaat
- Wohnsitzstaat – Beispiel: Deutscher mit Wohnsitz in D arbeitet für seinen CH-Arbeitgeber 80 Prozent in D und 20 Prozent in CH -> Unterstellung in D
- einen Arbeitgeber, wobei unter 25 Prozent im Wohnsitzstaat
- Sitzland des Arbeitgebers: Beispiel: Deutsche mit Wohnsitz in D arbeitet für ihren CH-Arbeitgeber zehn Pprozent in D und 90 Prozent in CH -> Unterstellung in CH
- mehrere Arbeitgeber, wobei mindestens 25 Prozent im Wohnsitzstaat
- Wohnsitzstaat – Beispiel: Schweizer mit Wohnsitz in CH arbeitet für seinen CH-Arbeitgeber 90 Prozent in CH und für seinen D-Arbeitgeber zehn Prozent in D -> Unterstellung in CH
- mehrere Arbeitgeber, wobei unter 25 Prozent im Wohnsitzstaat und die Arbeitgeber nur in einem Land ansässig sind
- Sitzland der beiden Arbeitgeber – Beispiel: Schweizer mit Wohnsitz in CH arbeitet für seinen D-Arbeitgeber zehn Prozent in D und für einen weiteren D-Arbeitgeber 90 Prozent in D -> Unterstellung in D
- mehrere Arbeitgeber, wobei unter 25 Prozent im Wohnsitzstaat und einer der Arbeitgeber im Wohnsitzstaat ansässig ist
- Sitzland des Arbeitgebers mit wesentlicher Tätigkeit – Beispiel: Schweizerin mit Wohnsitz in CH arbeitet für ihren CH-Arbeitgeber zehn Prozent in CH und für ihren D-Arbeitgeber 90 Prozent in D -> Unterstellung in D
- mehrere Arbeitgeber, wobei unter 25 Prozent im Wohnsitzstaat und mindestens zwei Arbeitgeber ausserhalb des Wohnsitzstaates in verschiedenen Staaten ansässig sind
- Wohnsitzstaat Beispiel: Schweizerin mit Wohnsitz in CH arbeitet für ihren D-Arbeitgeber zehn Prozent in D und für ihren AT-Arbeitgeber 90 Prozent in AT -> Unterstellung in CH
Flug- und Kabinenbesatzungsmitglieder, die Tätigkeiten im Zusammenhang mit Fluggästen und Luftfracht ausüben, unterliegen neu der Sozialversicherung des Staates, in dem sich die Heimatbasis befindet.
Die Heimatbasis ist der Ort, an dem das Besatzungsmitglied normalerweise die Dienstzeit oder die Abfolge von Dienstzeiten beginnt und der Luftfahrtunternehmer normalerweise nicht für die Unterbringung des betreffenden Besatzungsmitglieds verantwortlich ist. Die Worte „Sitz“ oder „Wohnsitz“ beziehen sich auf den satzungsmässigen Sitz oder die Niederlassung, an dem die wesentlichen Entscheidungen des Unternehmens getroffen und die Handlungen zu dessen zentraler Verwaltung vorgenommen werden.
Explizit festgehalten wird neu, dass marginale Tätigkeiten (< 5 Prozent) bei den Unterstellungsregelungen nicht mehr berücksichtigt werden, Artikel 14 Absatz 5 b Verordnung (EG) Nr. 987/2009. Für Tätigkeiten in der Schweiz ist hierbei aber zu beachten, dass die Leitung eines Unternehmens mit Sitz in der Schweiz per se keine marginale Tätigkeit darstellt.
Damit hat sich durch die Verordnung (EU) Nr. 465/2012 die Situation von deutschen Verwaltungsräten in Schweizer AGs – beziehungsweise deutschen Geschäftsführern in Schweizer GmbHs – nicht entschärft. Personen, die zum Beispiel in Deutschland selbständig und in der Schweiz unselbständig erwerbstätig sind, unterliegen weiterhin mit ihrem deutschen und schweizerischen Erwerbseinkommen der Schweizer Sozialversicherung. Betroffen sind vor allem Personen, die in Deutschland von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit sind (zum Beispiel als Geschäftsführer einer deutschen GmbH oder Vorstand einer deutschen AG) und in der Schweiz eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufnehmen (etwa als Verwaltungsrat einer Schweizer AG oder als Geschäftsführer einer Schweizer GmbH). Dies stellt eine erhebliche finanzielle Belastung für diesen Personenkreis dar, zumal der Wohnsitz und die Höhe des Schweizer Einkommensteils keine Rolle spielen. Selbst wenn für die Schweizer Tätigkeit keine Zahlung erfolgt, kommt die vorgenannte Regelung zur Anwendung.
Für die Änderungen der Unterstellungsregelungen gilt ein Übergangszeitraum von zehn Jahren. Dies bedeutet, dass für eine Person, für die die Versicherungsunterstellung vor dem 01.01.2015 festgelegt wurde, diese Unterstellung längstens für zehn weitere Jahre gilt – vorausgesetzt der Sachverhalt hat sich nicht vor Ablauf dieser Frist geändert. Die betroffene Person kann aber einen Antrag stellen, dass der Übergangszeitraum auf sie keine Anwendung findet.
(Bildquelle: © webphotographeer/iStockphoto)