Grundlegend teilen sich die Rechte eines Verwaltungsrat-Mitglieds in die Informationsrechte und die Ansprüche auf Vergütung und Décharge-Erteilung.
Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats einer Schweizer AG
Für einen Verwaltungsrat (VR) ist es wichtig, dass er über den Geschäftsgang und die finanzielle Situation des Unternehmens ausreichend informiert ist. Nur so kann er die notwendigen Entscheidungen auf einer soliden Wissensbasis fällen.
Das Schweizer Obligationenrecht (OR) gewährt jedem VR-Mitglied das Recht, Auskunft über alle Angelegenheiten der Gesellschaft zu verlangen. Dies bedeutet:
- Bei Sitzungen sind die anderen VR-Mitglieder und die Geschäftsführung zur Auskunft verpflichtet.
- Ausserhalb von Sitzungen kann Auskunft über den Geschäftsgang und – mit Ermächtigung des Präsidenten – über einzelne Geschäfte verlangt werden.
- Ein VR-Mitglied kann Einsicht in die Bücher und Akten der Gesellschaft nehmen – soweit dies für die Erfüllung seiner Aufgabe notwendig ist. Voraussetzung ist die Zustimmung des Präsidenten bzw. des Gesamt-VR.
Jedem VR-Mitglied steht ferner das Recht auf unverzügliche Einberufung einer VR-Sitzung zu. Es ist auch berechtigt, an der Generalversammlung der Aktionäre teilzunehmen und dort Anträge zu stellen.
Die Vergütung von VR-Mitgliedern wird in letzter Zeit heftig in der Schweiz diskutiert. Grundsätzlich ist eine Entschädigung üblich (ausser eventuell in Konzernverhältnissen) und meist auch vertraglich vereinbart. Diese Vereinbarung hat schriftlich zu erfolgen, da ein Insichgeschäft vorliegt.
Das OR kennt kaum konkrete Regelungen bezüglich Vergütung des VR – abgesehen von:
- den Voraussetzungen für Anteile am Bilanzgewinn
- der Offenlegungspflicht für Gesamtbezüge des VR
- des höchstbezahlten Mitglieds bei börsenkotierten AG
Die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften enthält zudem Vorschriften bezüglich Transparenz, Genehmigung der Vergütungen durch die Generalversammlung und unzulässige Vergütungen. Die Höhe der Vergütung ist jedoch gesetzlich nicht festgelegt.
Aktuell bestehen allerdings verschiedene Vorstösse auf politischer Ebene zu den Themen Transparenz, Kompetenz zur Bestimmung der Vergütung und Höhe der VR-Entschädigung. Somit ist hier mit weiteren Regulierungen zu rechnen.
Im Rahmen der ordentlichen Generalversammlung einer Aktiengesellschaft (AG) wird den Mitgliedern des VR und der Geschäftsleitung die sogenannte Décharge erteilt. Dieser Entlastungsbeschluss wirkt gegenüber der Gesellschaft sowie den zustimmenden Aktionären bezüglich der damals «bekanntgegebenen Tatsachen».
Auch das Klagerecht der übrigen Aktionäre erlischt sechs Monate nach dem Entlastungsbeschluss. Verantwortlichkeitsklagen durch Gläubiger werden dadurch jedoch nicht ausgeschlossen.
Ein Mitglied des VR hat seinen Aufgaben mit aller Sorgfalt nachzukommen. Es gilt ein sogenannter objektivierter Sorgfaltsmassstab. Das heisst, ein VR hat sich so zu verhalten, wie es von einem ordnungsgemäss handelnden VR-Mitglied in einer vergleichbaren Situation erwartet werden darf.
Diese Sorgfalt sollte bereits bei der Mandatsübernahme ausgeübt werden. Denn gerade die Übernahme von Mandaten, für welche die nötigen Kenntnisse oder die notwendige Zeit fehlt, stellen eine grosse Gefahrenquelle für Verantwortlichkeiten dar. Während der Mandatsausübung ist insbesondere wichtig, dass ein VR:
- genügend Zeit in seine Aufgabe investiert
- sich auf Sitzungen gut vorbereitet
- Fragen vorbringt und ins Protokoll aufnehmen lässt
Geschäftliche Entscheidungen müssen ordnungsgemäss und sorgfältig getroffen werden. Dies bedeutet, dass sie:
- in einem ordnungsgemässen Verfahren zustande kommen – ohne Mitwirkung von Mitgliedern mit Interessenkonflikt
- gutgläubig im besten Interesse der Gesellschaft gefällt werden
- dem Gesellschaftszweck entsprechen
- gegen keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften verstossen
- nachvollziehbar und sachlich vertretbar sind
Das OR regelt die Treuepflicht der Verwaltungsräte sehr allgemein. Es schreibt vor, dass sie «die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen wahren» müssen. Das bedeutet, die Interessen der Gesellschaft haben Priorität über eigene Interessen, aber auch über Interessen einzelner Stakeholder.
Dies äussert sich zum Beispiel konkret darin, dass:
- Insichgeschäfte (Selbstkontrahierung, Doppelvertretung) möglichst zu vermeiden sind. Falls dies nicht möglich ist, müssen diese schriftlich abgeschlossen werden.
- Ein VR bei Interessenskonflikt oder Pflichtenkollision in Ausstand treten sollte.
Weitere Themen sind Konkurrenzverbote, Verbot von Insidergeschäften und die Zulässigkeit von Weisungen durch die Muttergesellschaft.
Ergibt sich aus der letzten Jahresbilanz, dass die Hälfte des Aktienkapitals und der gesetzlichen Reserven nicht mehr gedeckt ist, muss der VR eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen, um Sanierungsmassnahmen zu beantragen.
Besteht die begründete Besorgnis einer Überschuldung, hat der VR eine Zwischenbilanz anzuordnen und durch die Revisionsstelle prüfen zu lassen. Ergibt diese, dass die Forderungen der Gläubiger weder zu Fortführungs- noch zu Veräusserungswerten gedeckt sind, muss der VR die «Bilanz deponieren» – also Konkurs anmelden.
Der VR verletzt seine Pflicht zur Benachrichtigung des Richters jedoch nicht, wenn die Unterdeckung durch Rangrücktritte der Gläubiger beseitigt werden kann und der VR die Gesellschaft unverzüglich saniert.
Ein VR hat verschiedene weitere Pflichten. Dazu zählen unter anderem:
- die Pflicht zur Geheimhaltung bzw. Verschwiegenheit
- die Pflicht zur Gleichbehandlung der Aktionäre
- die Auskunftspflicht in VR-Sitzungen
- die Pflicht zur nachhaltigen Gewinnstrebigkeit der AG
Diese können alle im Einzelfall von grosser Wichtigkeit sein, werden hier aber nicht weiter behandelt.
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