Ein deutscher Automobilzulieferer kam ins Visier von Wirtschaftskriminellen, die ihren Angriff sehr gut vorbereitet hatten. Die Täter, so der Konzern, hätten sich «unter Verwendung gefälschter Dokumente und Identitäten sowie Nutzung elektronischer Kommunikationswege» am Unternehmen bereichert. Was war aber genau passiert?
Als angeblicher CEO hatten sich die Täter im Finanzdepartement der Firma gemeldet und auf eine schnelle Überweisung für einen angeblichen Unternehmenskauf gedrängt. Der aufgebaute Druck liess die verantwortlichen Mitarbeiter kurz vor Feierabend handeln, da man nicht für einen gescheiterten Deal verantwortlich gemacht werden wollte. Die Art, wie die Mail geschrieben war, entsprach dem «normalen» Sprachgebrauch des tatsächlichen CEOs, auch die Absenderadresse der E-Mail war bis auf einen kleinen Buchstabendreher identisch. Die verantwortlichen Mitarbeiter übergingen die Vorgaben der Prozessbeschreibung und überwiesen 40 Millionen Euro auf ein chinesisches Bankkonto. Nachdem diese dem tatsächlichen CEO mitteilten, dass die Überweisung erfolgreich war, entdeckte man die Tat. Bis zu diesem Zeitpunkt war jedoch die Summe bereits weitergeleitet worden und nicht mehr nachzuverfolgen.
Nun ist man geneigt zu sagen, dass dies im eigenen Unternehmen nicht passieren könne. Der verantwortliche Mitarbeiter gab auch später zu, dass ihm der Auftrag zur Ausführung der Transaktion «merkwürdig» vorkam, er jedoch nicht seinem Vorgesetzten gegenüber zu viele Fragen stellen wollte.
Was sind neben dem Verlust noch weitere Folgen? Die Firma musste die 40 Millionen Euro gewinnmindernd im Aufwand berücksichtigen, worauf anschliessend das Quartalsergebnis und auch eine freigehandelte Aktie in Mitleidenschaft gezogen wurden. Diese Nachricht wurde von der Firma selber veröffentlicht, weil man sich zu diesem Zeitpunkt um eine weitere Börsennotierung bemühte. Quintessenz: Neben dem tatsächlichen Schaden litt auch die Reputation. Mit Schlagzeile vom 16.08.2016 titelte das Manager-Magazin «Deutschlands dümmster Zulieferer, 40 Millionen Euro weg – dieser MDax-Konzern fällt auf Betrüger rein». Der Untertitel: «Bei der Verkabelung von Autos zählt die Firma zu den Champions – doch beim Thema IT-Sicherheit und Controlling spielt das MDax-Unternehmen offenbar in der Kreisliga.» Neben dem bezifferbaren Verlust an liquiden Mitteln ist ein nicht bezifferbarer, aber erheblicher Verlust an Reputation durch diesen Vorgang entstanden. Seit dem Jahr 2016 wurden viele Unternehmen Opfer solcher Angriffe, die jedoch aus oben genannten Gründen, wenn möglich, nicht publik gemacht worden sind.
Nun sind seitdem vier Jahre vergangen. Was genau hat sich verändert? In den letzten 4 Jahren haben sich die tech-nischen Möglichkeiten und damit auch verbunden die Gelegenheiten für solche Angriffe verschärft. Haben Sie mal etwas von Deep Fake Software gehört? Eventuell fiel Ihnen diese Art von technischer Weiterentwicklung im Zusammenhang mit Fake News auf, jedoch können die meisten Menschen diesen Begriff nicht zuordnen. Was würden Sie denken, wenn man Ihnen ein Video zeigt, in dem Sie zu sehen sind, man Ihre Stimme hört, der Text jedoch niemals von Ihnen in der Form wiedergegeben wurde? Man hat Ihnen also sprichwörtlich «Wörter in den Mund gelegt», die Sie nie gesagt haben. Dies ist heute bereits möglich. Die Software benötigt von Ihnen lediglich rund zwei Stunden Video- und Sprachmaterial, um die wichtigsten Begriffe, Ihre Intonation und auch die Art der Sprache und Mimik zu kopieren. Nun filmt sich ein Täter und spricht einen Text, der über Ihr Gesicht gelegt wird und Sie werden bei guter Bearbeitung kaum erkennen können, dass es sich um ein gefälschtes Video handelt. Bei Plattformen, wie z.B. YouTube sind Videos mit beispielsweise Marc Zuckerberg oder Barack Obama zu sehen, die mit der oben genannten Software bearbeitet wurden. Die Videos sind bereits circa zwei Jahre alt, aber dennoch gut gemacht. Dies ist teilweise erschreckend, da nun der CEO Fraud zum einen wie früher über E-Mail oder auch nun zum anderen über Telefon, FaceTime, Skype oder andere Videokommunikations-Plattformen und so mit mehr Authentizität durchgeführt werden kann.