Steuerreform
8. Jun 2021, Recht & Steuern | Steuerreform STAF

Steuerreform STAF – Rechtliche und praktische Umsetzungsfragen bei der Patentbox und dem F&E Sonderabzug

Mit der am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Steuerreform STAF will die Schweiz den hiesigen Innovationsstandort mit der Patentbox und einem F&E Sonderabzug fördern. 

Mit der Einführung stellen sich nun für die Unternehmen praktische Umsetzungsfragen. Konkret geht es um die Frage, welche Dokumentationen und Belege vorhanden sein müssen, damit von diesen neuen Steuerinstrumenten bei Erfüllen der Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden kann.

2. Die Schweizer Patentbox

2.1 Qualifikation
Die STAF verpflichtet die Kantone, auf Ebene der Kantons- und Gemeindesteuern das neue Instrument der Patentbox einzuführen (auf Ebene der direkten Bundessteuer wird keine Patentbox eingeführt). Damit wird es den Kantonen ermöglicht, für sogenannte «qualifizierende Patente» und «vergleichbare Rechte» eine international attraktive Besteuerung anzubieten, die sich am OECD-Standard orientiert. Da im Grundsatz in der Schweiz nur der hierzulande angefallene F&E berücksichtigt werden kann, bedingt die Gewährung einer steuerlich privilegierten Patentbox somit ausreichende wirtschaftliche Substanz in Form von Forschung und Entwicklung beim Unternehmen in der Schweiz (Ausnahme: Auftragsforschung im Ausland durch Dritte).

Sofern sich ein Unternehmen für die Patentbox interessiert, wird die Einstiegsfrage sein, welche Rechte gemäss STAF für eine Patentbox qualifizieren. Als «Patente» qualifizieren schweizerische Patente, ausländische gleichwertige Patente sowie eingetragene Gebrauchsmuster. Entscheidend dabei ist, dass die Patente erteilt sind; blosse Anmeldungen reichen nicht.

Nicht als «Patente» im Sinne der Gesetzgebung gelten Marken-, Design- und Urheberrechte, Softwarerechte (ausser diese seien durch Patente im Rahmen «computerimplementierter Erfindungen» geschützt) oder geschützte Ursprungsbezeichnungen.

2.2 Dokumentation
Damit die Steuerbehörden die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Patentbox überprüfen können, muss die steuerpflichtige Person die dafür erforderlichen Aufzeichnungen und Belege aufbewahren und vorlegen können.

Im Besonderen geht es hierbei um die folgenden Aufzeichnungen und Belege:

  • In den letzten 10 Jahren vor Eintritt in die Patentbox entstandener und steuerwirksam abgezogener Forschungs- und Entwicklungsaufwand;
  • Die bisher vorgenommenen (neuen) F&E Sonderabzüge (siehe unten);
  • Aufteilung des Forschungs- und Entwicklungsaufwandes auf die einzelnen Patente und vergleichbaren Rechte;
  • Zuordnung des Reingewinns auf die einzelnen Patente und vergleichbaren Rechte.

Basierend auf bisherigen (informellen) Auskünften der kantonalen Steuerbehörden kann im KMU-Umfeld wohl Raum für pragmatische Lösungen bestehen (etwa Anwendung von «Aufteilungs- und Zuordnungsschlüsseln»). Wichtig ist aber, dass Folgendes buchhalterisch bereits jetzt sichergestellt wird:

  • Der gewinnsteuerlich abgezogene Forschungs- und Entwicklungsaufwand (inkl. dem unten erwähnten F&E Sonderabzug) muss mittels Unterlagen nachgewiesen werden können;
  • Eine sachgerechte Aufteilung des Forschungs- und Entwicklungsaufwandes sowie die Zuordnung des Reingewinnes auf die einzelnen Patente und vergleichbaren Rechte muss relativ einfach nachvollziehbar sein.
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3. Sonderabzug für Forschung und Entwicklung (F&E Sonderabzug)

3.1 Grundsätze
Die STAF ermächtigt die Kantone, freiwillig einen steuerlichen Sonderabzug für qualifizierende Forschung und Entwicklung einzuführen (F&E Sonderabzug; auf Ebene der direkten Bundessteuer besteht diese Möglichkeit nicht). Unter dem dabei relevanten Begriff der «Forschung und Entwicklung» werden wissenschaftliche Forschung (Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung) sowie wissenschaftsbasierte Innovation (die Entwicklung neuer Produkte, Verfahren, Prozesse und Dienstleistungen für Wirtschaft und Gesellschaft) verstanden. Grundsätzlich qualifizieren nur Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten für den F&E Sonderabzug, die örtlich in der Schweiz stattfinden. Im Unterschied zur Patentbox müssen die betreffenden Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten dabei aber nicht zu einem Erfolg (resp. Patent) führen. Auch spielt es keine Rolle, ob sie aktiviert sind oder nicht.


3.2 Begriff der Forschung und Entwicklung
Für den Begriff der wissenschaftlichen Forschung und / oder der wissenschaftsbasierten Innovation verweist das Steuerrecht auf Art. 2 des Bundesgesetzes über die Förderung der Forschung und Innovation (FIFG). Das FIFG wiederum orientiert sich dabei an dem in der Forschungswelt bekannten «Oslo Manual» sowie «Frascati Manual» der OECD. Damit soll seitens des Gesetzgebers gewährleistet sein, dass der Begriff der Forschung und Entwicklung den internationalen Standards entspricht und somit auch akzeptiert ist. Auf dieser Basis hat insbesondere das kantonale Steueramt Zürich den Begriff der wissenschaftlichen Forschung sowie der wissenschaftsbasierten Innovation wie folgt umschrieben:

Die wissenschaftliche Forschung umfasst die Grundlagenforschung und die anwendungsorientierte Forschung, sofern sie kumulativ

  • neuartig ist, d.h. der Gewinnung von neuen Erkenntnissen dient;
  • schöpferisch ist, d.h. auf originären, nicht offensichtlichen Konzepten und Hypothesen beruht;
  • mit Bezug auf das Endergebnis ungewiss ist;
  • systematisch einem Plan folgt und budgetiert wird;
  • zu Ergebnissen führt, die reproduzierbar sind.

Die wissenschaftsbasierte Innovation wiederum setzt sich aus den genannten Grundsätzen der anwendungsorientierten Forschung zusammen und bezweckt wie aufgeführt die Entwicklung neuer Produkte, Verfahren, Prozesse und Dienstleistungen für Wirtschaft und Gesellschaft.

Aktivitäten, welche zur Markteinführung und Marktverwertung der Resultate aus der F&E vorgenommen werden, berechtigen nicht zu einem Sonderabzug als zulässige Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten.

Die Qualifikationskriterien für eigene Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten gelten sinngemäss für Auftragsforschung durch Dritte.

3.3 Anforderung an die Dokumentation
Voraussetzung für die Geltendmachung eines F&E Sonderabzugs ist der Nachweis der Forschung und Entwicklung gemäss dem erwähnten Art. 2 FIFG. Dies erfolgt faktisch durch ein tatsächliches schriftliches Forschungs- und Entwicklungskonzept.

Einige kantonale Steuerbehörden haben bereits publiziert, welche Nachweise der Steuerpflichtige bezüglich der Dokumentation konkret erbringen muss. So verlangt das kantonale Steueramt Aargau, dass der Steuerbehörde mit dem Antrag für den F&E Sonderabzug folgende Unterlagen einzureichen sind:

  • Projektbeschrieb;
  • Zusammenstellung des Personalaufwandes für Forschung und Entwicklung (Personalliste mit Funktionen);
  • Abzug des Personalaufwandes für Forschung und Entwicklung für geleistete Drittaufträge;
  • Berechnung des Zuschlags von 35 %;
  • Berechnung der Kürzung des eigenen Personalaufwandes für Forschung und Entwicklung für die Ausführung von Forschungs- und Entwicklungsaufträge für Dritte;
  • An Dritte vergebene Auftragsforschung:
    • Projektauftrag;
    • Rechnungen;
    • Berechnung der Begrenzung auf 80 %;
    • Bestätigung des Dritten, dass der Auftrag in der Schweiz ausgeführt wird;
  • Zusammenfassung des beantragten Gesamtabzuges.

Auch das kantonale Steueramt Zürich hat bereits ausgeführt, welche Unterlagen sie vom Steuerpflichtigen verlangt. Konkret benötigt es zur Überprüfung der Abzugsfähigkeit folgende Angaben und Unterlagen:

  • Forschungs- oder Projektbeschrieb, inkl. Zeitrahmen und Budget;
  • Nennung (auf Basis der Stellenbeschriebe) der im Bereich Forschung und Entwicklung tätigen Arbeitnehmer (Name, Personal- und Sozialversicherungsaufwand, Funktion und Arbeitspensum im Bereich Forschung und Entwicklung);
  • Bei Auftragsforschung: Kopie des Forschungsvertrags und Tabelle (Konto) über die in der Periode gesamthaft bezahlten Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen;
  • Welcher Erkenntnisgewinn wird mit den Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten bezweckt?
  • Auf welchen originären, nicht offensichtlichen Konzepten und Hypothesen beruhen die Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten?
  • Inwiefern sind die Erkenntnisse oder Ergebnisse der Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten reproduzier- oder verwertbar?
  • Inwiefern sind die Ergebnisse ungewiss?

Der Nachweis der Voraussetzungen des F&E Sonderabzugs obliegt nach den allgemeinen Grundsätzen zur Beweislastverteilung der steuerpflichtigen Person.

4. Fazit

Sowohl bei der Patentbox wie auch beim F&E Sonderabzug besteht gemäss den bisher publizierten Merkblättern der Steuerbehörden für den Steuerpflichtigen eine aus Sicht der Autoren eher strenge Dokumentationspflicht. Während beim F&E Sonderabzug primär das Projekt beschrieben werden muss, ist bei der Patentbox der technische Zusammenhang zwischen Forschung und Patent systematisch nachvollziehbar festzuhalten.

Es wird sich bezüglich der Dokumentations-Anforderungen zeigen müssen, inwieweit die bisher von den Steuerbehörden publizierten, relativ hohen Nachweise letztlich von den Steuerbehörden detailliert verlangt werden. Es wäre wünschenswert, wenn es auch beim F&E Sonderabzug bei der notwendigen Dokumentation Raum für pragmatische Lösungen geben wird (z.B. Stellenbeschrieb als Ausgangspunkt). Wichtig aber ist, dass die Prozesse (etwa Buchhaltung und Entwicklungsbücher) rechtzeitig so ausgestaltet werden, dass die von den Steuerbehörden geforderten Dokumentationen und Belege möglichst effizient beschafft werden können. Hierzu gehören unter anderem eine geschäftsbücherkonforme Datenspeicherung, Dokumentation von sog. Stand der Technik Recherchen und eine rechtskonforme Dokumentation der Personalaufwendungen. Es ist in jedem Fall empfehlenswert, frühzeitig die Erfassung der notwendigen Nachweise zu organisieren.




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