Wertpapier-Nachlass-richtig-verwalten (1/2)
9. Jan 2017, Recht & Steuern | Testamentsvollstreckung

Wertpapier-Nachlass richtig verwalten (1/2)

Ein Nachlass beinhaltet oft Wertpapiere. Wird für die Regelung des Nachlasses ein Testamentsvollstrecker ernannt, trägt dieser durch die Verwaltung des Wertpapierdepots zusätzliche Verantwortung.

In Deutschland sind private Haushalte mit über 940 Milliarden Euro in Wertpapieren investiert (Deutsche Bundesbank, Monatsbericht März 2015). Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nachlass auch ein Wertpapierdepot umfasst, ist damit hoch. Sollte für einen solchen Nachlass eine Testamentsvollstreckung angeordnet sein, können für den Testamentsvollstrecker einige Herausforderungen entstehen. Denn der Testamentsvollstrecker – sei es nun ein Anwalt, Steuerberater oder ein befreundeter Unternehmer des Erblassers – ist in der Regel mit der Testamentsvollstreckung an sich voll ausgelastet. Damit hat er keine Zeit, sich um die separate Verwaltung eines Wertpapierdepots zu kümmern.

Rechte und Pflichten des Testamentsvollstreckers

Die Wertpapiervermögensverwaltung ist häufig eine für den Testamentsvollstrecker fachfremde Materie. Er ist dementsprechend gehemmt, falsche Entscheidungen zu treffen. Folglich behält er in der Regel den vorgefundenen «status quo» bei. Diese Passivität des Testamentsvollstreckers kollidiert jedoch mit seinen rechtlichen Pflichten: Ein vorgefundener «status quo» ist nicht als «konkludente vom Erblasser (...) aufgestellte Anlagerichtlinie zu verstehen» (LG München vom 13.01.2006 – 30 O 6959/05).

Ein Testamentsvollstrecker:

  • hat das Wertpapierdepot ordnungsgemäss zu verwalten (§ 2216 BGB).
  • muss dabei auch Risiken eingehen, um Möglichkeiten zu «besserem Erfolg» wahrzunehmen. Hierfür wird dem Testamentsvollstrecker ein Ermessensspielraum eingeräumt, da er das besondere Vertrauen des Erblassers geniesst (BGH vom 14.12.1994 – IV ZR 184/93; WM 1995, 1465 = ZEV 1995, 10).
  • ist von den Weisungen der Erben unabhängig (LG München vom 13.01.2006 – 30 O 6959/05).
  • darf ohne Rücksprache mit den Erben tätig werden – beziehungsweise selbständig Anlageentscheidungen treffen. Allerdings besteht eine gesetzliche Informationspflicht des Testamentsvollstreckers an die Erben (§ 2218 Abs.1, 666 Abs. 1 BGB).
  • muss an die Erben von sich aus laufend «die erforderlichen Nachrichten» geben, ohne dass er dazu von ihnen aufgefordert wird (OLG Karlsruhe vom 08.11.2013 – 8 O 50/12).

Erben haben also die Möglichkeit, vor bestimmten (bedeutsamen) Vorgängen, entsprechend Einfluss auf den Testamentsvollstrecker zu nehmen (Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung, 4. Auflage 2014,Rn. 318). Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Testamentsvollstrecker bestehende Verträge über ein Bankdepot kündigt oder von der Bank eine Vermögensaufstellung in Form des jährlichen Depotauszugs erhält.

Der Testamentsvollstrecker als Vermögensverwalter

Der Testamentsvollstrecker hat sein Handeln an den «Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung» auszurichten. Dieses muss also dem Erhalt des Nachlassvermögens dienen. Daher sind ihm etwa unentgeltliche Verfügungen (§ 2205 BGB) verboten. Auch muss er aktiv werden, wenn das Nachlassvermögen nach seiner Einschätzung gefährdet erscheint. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn das Wertpapierdepot nur in einer Anlageklasse (wie Aktien oder Anleihen) oder einem Finanzinstrument (Aktien, Fonds und ähnliches) investiert ist und das Wertpapierdepot in einem fallenden Markt kaum (Buch-)Verluste ausgleichen kann. Eine Nachlassgefährdung kann auch im Fall vorliegen, wenn das Wertpapierdepot nicht wirtschaftlich verwaltet wird, weil das Wertpapierdepot – beispielsweise nach Abzug von Kosten in der Vergangenheit – keinen positiven Ertrag erwirtschaftet hat. In solchen Fällen muss der Testamentsvollstrecker handeln. Die notwendige Aktivität des Testamentsvollstreckers hängt dabei von der Art des Wertpapierdepots ab. 

Handelt es sich beim Wertpapierdepot im Nachlass um ein Online-Depot, bei welchem sich der Erblasser nicht durch eine Bank beraten liess –, sondern vielmehr Kauf- und Verkauf von Finanzinstrumenten selbst durchführte (Execution only) –, so muss der Testamentsvollstrecker die Anlageentscheidungen selbst treffen. Gleiches gilt im Fall der Anlageberatung. Er muss drohenden Vermögenseinbussen durch seine aus seiner Sicht geeigneten Massnahmen vorbeugen. Zum Beispiel indem er Wertpapiere verkauft oder Absicherungsstrategien – etwa mit Optionen oder Futures – umsetzen lässt.

Grafik 1: Selbstverwaltung vs. delegierte Vermögensverwaltung (Quelle: Bank J. Safra Sarasin AG)

Selbstverwaltung vs. delegierte Vermögensverwaltung

Bei grösseren Wertpapiervermögen ist die Vermögensverwaltung der Standard. Der Testamentsvollstrecker nimmt dabei im Wertpapierdepot selbst keine Anlageentscheidungen vor. Vielmehr sind diese Entscheidungen an beauftragte Dritte – wie Banken – zu übertragen. Allerdings bleibt der Testamentsvollstrecker trotz Delegation an Dritte weiterhin für die «ordnungsgemässe Verwaltung des Nachlassvermögens» (§ 2216 BGB) verantwortlich. Er muss also den beauftragten Dritten kontrollieren. Dadurch kann dieser rechtzeitig mit geeigneten Mitteln etwaigen Verlusten begegnen, die dem Nachlassvermögen drohen können (BGH NJW 1959, 1820; ZEV 1995, 10). Um dieser Kontrollaufgabe gerecht zu werden, sollte der Testamentsvollstrecker mit den Grundzügen einer Vermögensverwaltung vertraut sein. 

>> zum 2. Teil der Artikelreihe «Wertpapier-Nachlass richtig verwalten»

(Bildquelle: © Gajus/iStockphoto)




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