Handelskammerjournal-Unternehmensbewertung
24. Sep 2014, Wirtschaft | Familiengeneration

Unternehmensbewertung als Herausforderung bei Verkaufsprozessen

In zahlreichen Fällen stehen Firmeneigentümer vor der Entscheidung, ob sie ihr Unternehmen an die nächste Familiengeneration weitergeben oder an einen externen Käufer veräussern möchten. Unabhängig davon, wer am Ende der Käufer ist, sollte im Rahmen eines solchen Prozesses eine fundierte Bewertung des Unternehmens durchgeführt werden.

Die Herausforderungen, mit denen sich der Unternehmer bezüglich der Bewertung beziehungsweise des Verkaufsprozesses konfrontiert sieht, sind Gegenstand dieses Beitrages.

Methoden der Unternehmensbewertung

Es gibt eine Reihe von Ansätzen für Unternehmensbewertungen. Diese können den folgenden Methoden zugeordnet werden:

  • Substanzwertorientierte Verfahren, zum Beispiel Wiederbeschaffungswert oder Liquidationswert
  • Ertragswertorientierte Verfahren, zum Beispiel Discounted Cash Flow Methoden
  • Marktwertbezogene/vergleichswertorientierte Verfahren, zum Beispiel Börsenkurs/Kapitalmarktbewertung, vergleichbare börsennotierte Unternehmen, vergleichbare Transaktionen.

Um einen belastbaren Unternehmenswert zu bestimmen, legen wir die folgenden Bewertungsmodelle zugrunde. Da alle oben erwähnten Methoden ausführlich in der Literatur behandelt werden, verzichten wir an dieser Stelle auf eine weiterführende, detaillierte Ausführung.

Herausforderung: objektive vs. subjektive Wertwahrnehmung

Bei der Bestimmung des Unternehmenswertes sind signifikante Bandbreiten die Regel – abhängig unter anderem von den zugrunde gelegten Bewertungsmethoden, internen und externen Parametern oder den unterschiedlichen Blickwinkeln der beteiligten Parteien.

Insbesondere verkaufende Parteien von kleineren und mittelständischen Unternehmen überschätzen tendenziell den Unternehmenswert des eigenen Unternehmens. Dies belegt unter anderem eine Studie der Universität St. Gallen aus dem Jahr 2006. Im Rahmen dieser Studie wurden 381 Familienunternehmen mittels geeigneter Verfahren bewertet und das Ergebnis den individuellen Wertvorstellungen der Inhaber gegenübergestellt – im Durchschnitt überschätzten die Inhaber den Wert des eigenen Unternehmens um circa hundert Prozent.

Verkäufer gehen oftmals davon aus, dass ihre Wertvorstellungen einem objektiven Unternehmenswert entsprechen. Wenn jedoch von zukünftigen Gewinnen als Grundlage der Unternehmensbewertung ausgegangen wird, kann die Bewertung nur subjektiv erfolgen – da sich die Einschätzung zukünftiger Entwicklungen zwischen Verkäufer und Käufer signifikant unterscheiden kann. Ein Käufer geht beispielsweise eher davon aus, dass er zwar die Gewinnerwartungen durch eine Strategieänderung oder durch Synergieeffekte verbessern kann, tendiert aber gleichzeitig dazu, mehr Risiken in Betracht zu ziehen als der Verkäufer (vor dem Hintergrund des Vorsichtsprinzips). Die Unternehmensbewertung erfolgt daher immer aus einer spezifischen Perspektive und ist stets subjektiv.

Unternehmensbewertung – Valuation Methode
Werttreiber

Was beeinflusst die Höhe des Unternehmenswertes? Es sind die sogenannten Werttreiber. In der Praxis sind vor allem die folgenden Faktoren relevant:

  • Operative Werttreiber: Diese beinhalten beispielsweise Umsatz, direkten Aufwand, Gewinnmargen, Steueraufwand, Betriebsaufwand und Umsatzrendite.
  • Investitionswerttreiber: In erster Linie Investitionen und Desinvestitionen – jeweils in Umlaufvermögen, Anlagevermögen und auch in nichtbetriebliches Vermögen.
  • Finanzielle Werttreiber: Fremdkapitalkosten (FK-Satz), Eigenkapitalkosten (EK-Satz) sowie im Verhältnis von FK zu EK die Gesamtkapitalkosten (GK-Satz oder auch WACC = Weighted Average Cost of Capital)

Steigen beispielsweise Umsatz, Gewinnmarge und Umsatzrendite, erhöht sich auch der Unternehmenswert – und umgekehrt. Steigen andererseits direkter Aufwand sowie Steuer- und Betriebsaufwand, sinkt der Unternehmenswert. Besonderes Augenmerk gilt hier den Kapitalkostensätzen aufgrund ihrer Hebelwirkung beim Diskontieren und Kapitalisieren der erzielbaren Gewinne beziehungsweise des Cashflows. Sinkt zum Beispiel der Werttreiber Eigenkapitalkostensatz, weil die Konstellation des Geschäfts- oder/und Finanzierungsrisikos günstig ist, so erhöht dies den Unternehmenswert und umgekehrt.

Folgende Faktoren wirken sich ausserdem positiv auf die Attraktivität eines Unternehmens aus: solide Kundenstruktur, fachlich gut ausgebildetes Personal, erstklassige Produkte mit entsprechendem Absatzpotential, gesunde Finanzdaten hinsichtlich Liquidität, Eigenkapital und Rentabilität, eine effiziente Aufbau- und Ablauforganisation sowie moderne Betriebsmittel.

Einfluss weiterer Faktoren

Für die Preisbestimmung sind auch diese Faktoren mitentscheidend:

  • Persönlicher Einfluss und gegebenenfalls Ersetzbarkeit des derzeitigen «Chefs» innerhalb eines Unternehmens
  • Innovationsgrad der Produkte oder Dienstleistungen
  • Grösse des Unternehmens 
  • Selbstständigkeit der internen Organisation 
  • Wettbewerbssituation (Anzahl Mitbewerber, Marktanteile) 
  • Anzahl der Übernahmeangebote beziehungsweise Nachfolgekandidaten 
  • Bei familiärer Übergabe oder Veräusserung an eine externe Nachfolgeperson: Alter Verkäufer/Käufer, finanzielle und familiäre Situation beider Parteien, Risiobereitschaft der Nachfolgeperson.
Unterschied zwischen Unternehmenswert und Kaufpreis

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Unterschied zwischen Unternehmenswert und Kaufpreis. Häufig wird in diesem Zusammenhang die Aussage «price is what you pay – value is what you get» gemacht. Dabei wird der Unternehmenswert als Zeitwert der zukünftigen Gewinne definiert und der Unternehmenspreis als Geldbetrag, der bei einer Transaktion tatsächlich für ein Unternehmen gezahlt wird.

Aus Verkäufersicht ist es grundsätzlich wichtig, einen realistischen Unternehmenswert zu bestimmen – wohl wissend, dass es sich hierbei um einen theoretischen Wert handelt, der aber als grober Orientierungspunkt dienen kann.

Der Unternehmenswert spiegelt fundamentale Faktoren wider, wie das Wachstumspotential des Unternehmens und dessen Profitabilität, wogegen der Preis auch vom aktuellen Marktumfeld und der Verhandlungsmacht der involvierten Parteien abhängt. Ausserdem wird der Preis – wie bei jeder Ware – letztlich von Angebot und Nachfrage bestimmt. Die Unternehmensbewertung dient dabei als Ausgangsbasis für die Festlegung des Verkaufspreises oder (bei einer familieninternen Nachfolge) des Übernahmepreises.

Die Perspektive des Käufers

Um eine Verhandlung erfolgreich zu führen, sollte sich der Verkäufer in die Lage des potentiellen Erwerbers versetzen. Dabei sind die folgenden Fragen wichtig:

  • Wie denkt der Käufer generell über das Thema Bewertung?
  • Welche Synergien könnte er im Rahmen seiner Wertermittlung erzielen?
  • Worin bestehen die Vor- und Nachteile seiner Verhandlungsposition?
  • Was sind die wichtigsten Motivationskriterien des Erwerbers für den Kauf?
  • Was sind die wichtigsten Bewertungsparameter des potentiellen Käufers? (zum Beispiel zukünftige Cashflows, Margen, WACC oder Multiples)

Das Verständnis der Perspektive, der Motivation, der Zukunftserwartung sowie der Bewertungsgrundlagen des Käufers kann einen entscheidenden Vorteil im Hinblick auf konstruktive Verhandlungsführung und Konsensfindung darstellen.

Kontinuierliche Wertermittlung

Eine Unternehmensbewertung ist kein einmaliger Vorgang, sondern vielmehr ein Prozess, der im Verlauf der Transaktion kontinuierlich an aktuelle Entwicklungen angepasst werden muss.

Während anfangs nur so viel Information bereitgestellt wird, dass ein Interessent einen indikativen Unternehmenswert ermitteln kann, werden im Laufe des weiteren Transaktionsprozesses zusätzliche Details preisgegeben – bei der detaillierten Unternehmensprüfung («due diligence») oder im Rahmen von Management-Präsentationen.

In dieser Phase müssen Geschäftspläne validiert, neue Erkenntnisse über ein verändertes Marktumfeld berücksichtigt und Prognosen aktualisiert werden. Besonders relevant ist dies bei Unternehmen, die in einem zyklischen Markt tätig sind oder sich in einem Markt befinden, der von signifikanten strukturellen Veränderungen geprägt ist. Der Unternehmenswert kann also im Verlauf des Transaktionsprozesses schwanken und wird vom wirtschaftlichen Umfeld sowie dem gewählten Bewertungszeitpunkt beeinflusst.

Besonderheiten bei Unternehmen in der «Frühphase»

Besonders für Unternehmen in der Frühphase gilt ein etwas anderer Massstab in Sachen Unternehmenswertbestimmung. Das heisst für Unternehmen, deren Produkte oder Dienstleistungen erfolgreich entwickelt wurden und erste Erfolge im Markt verzeichnet haben («proof of concept»).

Der Fokus der Wertermittlung sollte hier in erster Linie auf der Technologie, dem zu erwartenden Kundennutzen und der darauf basierenden prognostizierten Marktentwicklung liegen, weniger auf der klassischen Analyse des Business Plans, der Operations und der Prozesse.

Bei solchen «early stage»-Unternehmen wird der Unternehmenswert vor allem von der Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft des Gründers, seiner Vision und Motivation, der Einzigartigkeit des Produktes oder Services sowie der Höhe der Eintrittsbarrieren (Stichwort Patente) und des Nachahmungspotenzials bestimmt.

Zusammenfassung

Die Frage nach dem Wert eines Unternehmens stellt sich einem Unternehmensinhaber beziehungsweise Gesellschafterkreis regelmässig. Die Gründe dafür sind vielfältig. Zu den wichtigsten Anlässen, bei denen in der Praxis eine Unternehmensbewertung durchgeführt wird, zählen:

  • Unternehmensnachfolgen
  • Aufnahme oder Ausscheiden von Gesellschaftern
  • Übernahmen und Fusionen (M&A)
  • Erbschaft
  • wertorientierte Unternehmensführung

Der tatsächliche Preis, welcher schlussendlich für ein Unternehmen im Rahmen einer Transaktion bezahlt wird, ist immer das Ergebnis von Verhandlungen und basiert auf den unterschiedlichen Unternehmensbewertungen und Erwartungen durch den Käufer beziehungsweise Verkäufer.

Jede Bewertung, auch wenn sie von einem Branchenkenner erstellt wurde, kann nur einen Annäherungswert schaffen. Eine objektive und allgemeingültige Unternehmensbewertung gibt es nicht. Ein Unternehmen ist am Ende immer exakt so viel wert, wie der am meisten bietende Interessent dafür zu zahlen und der Verkäufer zu akzeptieren bereit ist.

Auch wenn es kein objektives Verfahren zur Bewertung von Unternehmen gibt, sollte man dennoch eine Bewertungsmethodik wählen, die dem Anspruch nach Objektivität möglichst nahe kommt. In der Praxis sind dies Bewertungsverfahren, welche die Zukunft im Visier haben – also im Wesentlichen die Ertragswertmethode, oft kombiniert mit vergleichswertorientierten Verfahren.

Die marktfähige Bewertung eines Unternehmens erfordert viel Sachverstand und Umsicht. Erfahrungsgemäss sollte sie einem unabhängigen, externen Berater übertragen werden, welcher die Anwendung der geeigneten Methoden beherrscht sowie die Durchführung der Transaktion und die Verhandlungen beratend leiten kann.

(Bildquelle: © shironosov/iStockphoto)




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